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Sonntag/Montag, 03./04. 09. 2000, Kraftzentrale, Duisburg

Musikalische Andacht im Industrieraum

Streicher und Schlagwerk - seltsam entrückt

Das Ensemble Resonanz und das Kölner Schlagquartett unter Roland Kluttig

Von Sebastian Hanusa

Am vergangenen Sonntag wurde die Konzertreihe "Musik im Industrieraum" des Kommunalverbandes Ruhrgebiet in der Meidericher Kraftzentrale fortgesetzt. Auch dieses Konzert, mit "String, Beats" betitelt, folgte der Konzeption der Reihe, die "klingende Architektur" der Musik im Dialog zu den Räumen der Industriebauten zu inszenieren.

Man betritt die fast leere Turbinenhalle von der Stirnseite her, an der gegenüberliegenden Rückwand nimmt man nur schemenhaft die dort aufgebaute Bühne, die Bestuhlung wahr. Die blaue, stark abgedimmte Beleuchtung schafft eine unwirkliche, sakrale Atmosphäre, in der das Publikum kaum einen lauten Tritt wagt.

Im ersten Teil des Konzertes erklingen die Werke dreier Komponisten: Salvatore Sciarrinos Werk für vier Schlagzeuger "Un fruscio lungo trent´ anni", Iannis Xenakis "Aroura" für zwölf Streicher und insgesamt acht der Fantasien für Streicher von Henry Purcell. Die Stücke sind zu einer durchgehend musizierten Einheit zusammengefaßt. Es beginnt mit fünf Stücken von Purcell, angefangen mit einem Streichtrio, folgend zwei Quartette, darauf zwei sechsstimmige Stücke. Dann das Werk Sciarrinos - eine Komposition extremer Dynamik, angesiedelt im Bereich zwischen Pianissimo und fast völliger Unhörbarkeit. Die vier Schlagzeuger spielen mit Besen auf Xylophon und Keramikglocken, es wird in einem Wassergefäß geplätschert, weiche Trommelwirbel ertönen, durch das Schütteln von Kiefernzweigen erklingt ein durchscheinend leises Rascheln. Dem Komponisten ist es gelungen, sparsamstes Material in einem spannungsreichen Ablauf zu fassen; das "Rauschen" wird ergänzt um kurze Fortissimo-Staccati - Pistolenschüsse, das Zerschlagen von Gläsern. Direkt anschließend folgt Xenakis "Aroura", darauf die drei letzten Purcell Stücke, quasi in der "Umkehrung" des Anfangs mit abnehmenden Besetzungen vom Quintett zum Trio.

Im scharfen Kontrast zu Sciarrinos gehauchten Schlagzeug-Strukturen benutzt Xenakis in "Aroura" eine Vielzahl von Spieltechniken bis hin zu extrem perkussiven Klängen. Die stark differenzierten Klänge erscheinen wie durch ein Prisma gebrochen und gleichzeitig in komplexesten Verbindungen komponiert; eine "Klangarchitektur", die durch nüchterne Strenge fasziniert aber auch mit großer Klarheit unbestimmt poetische Momente durchscheinen läßt, entsteht - ähnlich dem architektonischen Rahmen: Auch das Profane des Industriebaus ist nachträglich zu einem Kunst-Raum überhöht. Ein anderer Aspekt des Dialogs von Klang und Raum ist die Postierung der Musiker. Die erste Purcell-Fantasie erklingt im Rücken des Publikums, aus dem ungenutzten "Rest" der Halle - das zweite Stück links der Zuhörer, das dritte rechts, dann das vierte aus der gewohnten Frontale. Nach Xenakis geht auch dies zurück - die Leere des großen Raumes scheint die Musik zu erzeugen und am Ende wieder zurückzunehmen.

Die Idee zum Aufbau des ersten Teils schließt sich an Bartok an, der in seiner "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" - die im zweiten Teil des Abend erklang - unter anderem die Fibonaccireihe benutzt hat, deren Zahlenproportionen sich im oben beschriebenen Ablauf wiederfinden. Auch auf andere Weise faßt das Bartok-Stück das Geschehen zusammen, wenn sich die Streicher des Ensemble Resonanz und das Kölner Schlagquartett zum Kammerorchester zusammenfassen und unter der Leitung Roland Kluttigs eine ungewohnt spannende Interpretation liefert. Viel mag hierzu der Klang der Streicher beitragen. Schon im Xenakis fand sich die Spannung zwischen einer Nüchternheit, deren Konturen bis in scharfe Perkussion reichen, und einer latenten Poesie in der Klangfarbe der Streicher wieder. In einem ähnlichen Gestus wird auch der Bartok musiziert - oder auch nur nach dem Vorangegangen in dem beschriebenen Rahmen wahrgenommen. Der Klang relativiert die Rhythmik der schnellen Sätzen, deren Ausführung jedoch keine Klage über Ungenauigkeiten zuläßt. In den langsamen Sätzen, speziell im Adagio trifft man einen seltsam unvertrauten Bartok, der sich dem ungewöhnlichen Rahmen angepaßt zu haben scheint - die an klassischen Vorbildern orientierte Form der Komposition wirkt von innen heraus relativiert, gerade eine Weichheit der Interpretation wirkt eben nicht gefällig. Eine gewisse Fremdheit scheint da zu sein - inszeniert in einem Raum, der nunmehr nicht ausschließlich Musentempel sein kann.


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