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Stadthalle am Johannisberg, Wuppertal

Erstes Konzert des Sinfonieorchesters Wuppertal am Dienstag, 9.September 1997

Ein weites Spektrum

Klassische Musik von Barok bis Moderne in gemischter Qualität

Von Michael Gutmann

Einen weiten Bogen zu spannen machte sich dieses Konzert zum Anspruch mit Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 1, Bartóks Klavierkonzert Nr.1 und Brahms 4. Symphonie. Der stilistische Rahmen, der mit der Auswahl des Programms gewählt wurde, verlangte nach einer sauberen Trennung der einzelnen Stile und einer gewissenhaften Herausarbeitung der den Stücken zu Grunde liegenden Konzepte. So mußte man gespannt sein, ob und wie Dirigent und Orchester zwischen den Epochen zu trennen und den Charakter der einzelnen Stücke darzustellen wußten. Auch erfordert der Bekanntheitsgrad wenigstens zweier der Stücke eine lebendige und engagierte Interpretation, damit aus einem reinen "noch mal gehört haben" ein Live-Erlebnis wird. In einer Zeit Überhand nehmender , qualitativ hochwertiger CD-Aufnahmen nimmt ein Orchester, dessen Hauptaufgabe in der Bereitstellung eines Kunst- und Veranstaltungsangebots liegt, aus der Fähigkeit, ein Stück zum Leben zu erwecken, die Rechtfertigung seiner Existenz.

Das Brandenburgische Konzert Nr.1 bildete einen schlechten Einstieg in diesen Konzertabend und ließ schlimmeres befürchten. Schöne Momente gingen in nervösen Tempi unter und eine verwaschene Dynamik machte aus der baroken Pracht einen Einheitsbrei. Dabei war in kurzen Passagen die Klasse des Werkes durchaus zu erkennen: So konnten Solo-Violine (Gabriela Ijac) und Solo-Oboe (Andreas Heimann) im 2. Satz mit angenehmem Zusammenspiel überzeugen. Auch der 4.Satz gelang durch eine überzeugende Leistung vor allem der Holzbläser, die eine Stütze des Stückes bildeten. Alles in allem aber erinnerte diese Darbietung zu sehr an "Schulorchester-Aufführungen" mit den "üblichen" Problemen an den "üblichen" kritischen Stellen, so daß die Orchestermitglieder einen eher unprofessionellen Eindruck hinterließen.

Ein ähnliches Bild bot sich bei Bartóks 1. Klavierkonzert: Auch hier erschwerte eine zu undifferenzierte Dynamik und ungenaue Tempi dem Zuhörer das Erfassen des Stücks. Der Solist James Tocco ließ sich vom Orchester aber nicht irritieren und verdeutlichte die Intentionen Bartóks mit einer angemessenen Interpretation. Doch auch einzelne Orchestermitglieder konnten überzeugen: Das Wechselspiel zwischen Soloklavier und begleitendem Schlagzeug machte den 2.Satz zum interessantesten Teil des Klavierkonzerts. Und nicht zuletzt das konsequente Dirigat von Erich Wächter sorgte für eine annehmbare Darbietung.

Und dann kam die Pause. Und mit deren Ende die Furcht vor der Langeweile einer dahingewurschtelten 4.Symphonie von Brahms. Aber der Brahms war nicht dahingewurschtelt. Man konnte den Eindruck gewinnen, ein anderes Orchester hätte auf dem Podium Platz genommen, wenn man nicht die Akteure von vor der Pause wiedererkannt hätte. Das Orchester zeigte Einsatz, Energie und Begeisterung. Die auch in diesem Stück auftretenden, aber nur kleinen Mängel verblassten hinter der stringenten Darstellung der fast durchgehend hochkonzentriert musizierenden Akteure. Keiner der vier Sätze fiel ab und keine der Instrumentengruppen durch "Ausfälle" auf.

Da fragt man sich doch, mit was für einem Orchester man es hier zu tun hat ! Pointiert gesagt läßt sich die Einstellung der Orchestermitglieder zu ihren Stücken vielleicht so darstellen: den Bach nahm man nicht ernst, den Bartók hat man nicht verstanden, aber den Brahms, den liebt man und den spielt man richtig. Damit kann sich aber ein Orchester, das sein Heimrecht in einem international anerkannt guten Vortragssaal ausübt und sich daher in Zukunft mit größeren Namen messen muß als es in der Vergangenheit der Fall war (ich möchte nur an das Konzert des Dallas Symphony Orchesters erinnern) nicht gegen eine internationale Konkurrenz behaupten.

Der Klassik-Standort Wuppertal mit der herausragenden Akustik des großen Saals der Stadthalle nach der Renovierung darf nicht nur durch Fremdorchester attraktiv werden, sondern muß in Zeiten leerer Haushaltskassen auch mit dem städtischen Sinfonie-Orchester einen Anziehungspunkt darstellen. Und dazu gehört, daß das Orchester professionelle Musikerarbeit leistet und jedem Stück und gerade den Unbekannteren einen angemessenen Einsatz widmet, damit in einer der dichtbesiedeltsten Regionen Deutschlands die Zuhörer aus dem weiteren Umkreis sich zu den Konzerten nicht nur "verirren".

Ein Etappenziel auf diesem Weg muß dann auch die Neubesetzung der Position des Generalmusikdirektors sein, die bereits seit längerem vakant ist und der Moral des Orchesters sicherlich nicht gut getan hat. Erich Wächter, der sich ebenfalls auf diesen Posten beworben hat, konnte in diesem Konzert durch ein angenehmes Dirigat überzeugen. Die Probleme, die bei den Stücken auftraten, sollten ihm wohl nicht zugeschrieben werden, obwohl man sich fragen könnte, ob er als Generalmusikdirektor in der Lage wäre, ein sich wie eine Diva gebärdendes Orchester zu disziplinieren. Wenn man jedoch das Programm des Abends als Programm nimmt, könnte seine ausgewogene Mischung, die auch moderneren und hoffentlich auch unbekannteren Stücken einen wichtigen Platz einräumt, dem Konzertgeschehen in Wuppertal nur gut tun. Auf daß solche Wechselbäder den Kritiker in Zukunft nicht mehr verärgern !



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