Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Klassik - Konzerte
Zur
OMM-Homepage Klassik-Rezensionen Startseite E-mail Impressum



Sonntag, 27.02.2000, 20.00 Uhr, Historische Stadhalle Wuppertal
3. Chorkonzert


Johannes Brahms:
Schicksalslied op. 54
Alt-Rhapsodie op. 53
Sinfonie Nr.1 c-moll op. 68

Urszula Kryger, Sopran
Chor der Konzertgesellschaft (Einstudierung: Marieddy Rossetto)
Wuppertaler Sinfonieorchester
George Hanson, Leitung



Neues aus Elysium

Fantastische Vorstellung des Wuppertaler Sinfonieorchesters

Von Oliver Kautny

Wuppertal ist in aller Munde. Positiv daran ist, daß über Kultur geredet wird. Negativ und schwerwiegender aber ist es, daß wieder einmal das Geld die Kunst regiert. Es wird heftig darum gestritten, ob man den Rotstift an die städtischen Bühnen anlegen soll. Oper und Schauspiel wären einschneidend davon betroffen. George Hanson sprach sogar von einem "vote to kill the opera".

So ist es nicht verwunderlich, daß politische Querelen auch an der künstlerischen Substanz nagen. In den letzten Monaten machte insbesondere das Schauspiel-Ensemble einen bisweilen zerknirschten und hoffnungslosen Eindruck. Holk Freytags Abruch einer Premiere war bisher der traurige Höhepunkt dieser Tragödie.

Völlig unbeeindruckt von allem politischem Gezänk präsentierte sich dagegen das Wuppertaler Sinfonieorchester und der Chor der Konzertgesellschaft, die bei ihrem 3. Chorkonzert mit vorzüglichem Brahms aufwarten konnten.

Daß Brahms lange Zeit seinen "Vaterkomplex" nicht loswerden konnte, wie so viele seiner Generation, ist reichlich seltsam. Liest man Briefe und Quellen, so muß Beethoven als kompositorischer Übervater eine ganze Generation nach ihm traumatisiert haben.

Mit über einem Jahrhundert Abstand verschwinden diese psychologischen Barrieren mehr und mehr, auch wenn die Beethoven-Rezeption in ihrem dumpfen Titanenmythos sich als relativ hartnäckig erweist. Wer aber Ohren hat zu hören, dem wird Form und Gehalt eines Schicksalsliedes oder einer Altrhapsodie nicht unbewegt lassen. Zumal, wenn sie derart packend und überzeugend dargeboten werden, wie in an diesem Abend. Urszula Kryger harmonierte mit Chor und Orchester und verlieh ihrer Partie eine schöne Balance aus großem Klageton und lyrischen Facetten.

Mit Brahms 1. Sinfonie gelang Hanson und seinem Orchester ein wirklich großer Wurf. Meines Erachtens eine interpretatorische Meisterleistung, wie ich sie in der historischen Stadthalle selten gehört habe. Mir schien, als hätte Hanson alle Sorgfalt auf die geheimnisvolle Einleitung des ersten Satzes gelegt, hier nach dem Schlüssel für das Werk gesucht, die fast rituelle Paukenintroduktion nach Art und Weise des musikalisch Folgenden befragt. So wählte er jedenfalls ein extrem verlangsamtes Tempo, um jede Bewegung und Linie unter die prüfende Lupe zu halten, um in der zeitlich gedehnten Vergrößerung die wichtigen Atome und Moleküle des Substrats zu erkennen, sie miteinander zu vernetzen und in Schwingung zu bringen. Das war das Entscheidende: In der Zeit-Lupe den Puls zu finden, der sich aus einer gespannten Ruhe zu einem scheinbar zwangsläufigen Drama steigerte.
Und das war es auch: Musiktheater. Hanson gelang es fabulös, Brahms Dramaturgie zu imaginieren. Vor dem inneren Auge entzauberte er - im vierten Satz - ein Bühnenstück "absoluter Musik", Drama und Hymnus, das sich vor Beethovens "drama in musicae" nicht zu verstecken braucht.



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Klassik-Rezensionen Startseite E-mail Impressum

© 2000 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -