Mit dem Gürzenich-Leiter Conlon stand beim Abokonzert des Bayerischen Rundfunks dem Rundfunkorchester ein Mann vor, der sich bereits intensiv mit der Musik des frühen 20. Jahrhunderts beschäftigt hat, insbesondere mit Mahler und dessen persönlichem und geistigem "Dunstkreis" (Zemlinsky, Schreker, ...). Sicher war dies eine Gewähr und ein Grund dafür, dass das Konzert sehr intensiv geriet: Conlons musikalische und außermusikalische Auseinandersetzung mit dem Schaffen Gustav Mahlers wurde - bei aller Zurücknahme im Dirigat - in jedem Takt deutlich spürbar.
Ließ Conlon den Kopfsatz gleich einer Exposition der schwer zugänglichen Symphonie recht flott vorüberziehen, steigerte sich der interpretatorische Ausdruck ab dem grotesken Scherzo gewaltig. Darauf folgte der sehr langsam gespielte, alle Phrasen auskostende dritte Satz, der eine unwirkliche heile Welt beschwört; er wurde zu einem in seiner melodischen Schönheit geradezu beängstigenden Vorspiel zum alle Hoffnung vernichtenden Schlusssatz mit seinen Hammerschlägen, dem eigentlichen Hauptsatz des Werkes.
Conlon versuchte gar nicht erst die hoffnungsvollen Passagen besonders hervorzuheben, wie das so mancher Interpret vor ihm getan hat. Mit welchem Zweck auch? Das übermäßige Finale ist so eindeutig angelegt, so unausweichlich in seiner Wirkung besonders in dem tonal-ambivalenten Beginn und in den letzten verklingenden Takten, dass jeder Versuch scheitern muss, den lyrischen Passagen davor und dazwischen Selbstständigkeit einzuräumen. Sie zeigen im Sinne des Komponisten nichts weiter als das Trügerische jeglicher Heile-Welt-Vorstellung.
So wurde der Abend zu einem berückenden Erlebnis für alle Anwesenden. Lang anhaltende Stille, danach rauschender Applaus an Conlon und die Musiker.