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Donnerstag, 15.7.1999, 20.00 Uhr, Stadthalle Mühlheim

Leos Janacek: Sonate es-Moll "1.X.1905"
Robert Schumann: Fantasie C-Dur op.17
Franz Schubert: Sonate c-Moll op. posth. D 958

Radu Lupu, Klavier

Ein Teufel im Detail

Radu Lupu in Mülheim

Von Oliver Kautny

Mal angenommen, Radu Lupu wäre kein Pianist, sagen wir - Bildender Künstler. Ich bin sicher, er würde mit Vorliebe Mosaike erstellen, kleine und kleinste Farbsteinchen immer wieder gegeneinander abwägen und letztlich zu einem "subtilen" Gebilde zusammenfügen.
Radu Lupu ist in seinem Spiel überhaupt nichts von Anspannung anzumerken, wie er da auf seinem Lehnstuhl (sic!) thront und sich in aller Seelenruhe seiner Auslegung widmet. Er legt aus(einander). Jede Note scheint bedacht, auf ihre Klangfarbe geprüft, auseinanderseziert und sorgfältig in die Gesamtkomposition wieder eingefügt.

Was für gute Weine aber selten für Klavierabende gilt: Das Beste zuerst. Das mag angesichts des Programms vielleicht ein bißchen häretisch klingen. Sei`s drum. Der Janacek ist genial und Lupus Interpretation allemal. Das Kopfthema wurde mit viel Melos und Legato bedacht, was Lupu herrlich gegen rhythmisches, perlendes Non-Legato absetzte. Das war gekonnt, wie Lupu die Stimmen vom Diskant bis in den Baß durch die verschiedenen Register führte und ihnen eine je eigene Ausdrucksgestalt verlieh. Und letztlich führte der Meister uns im 2. Satz eine kleine Lehrstunde in Sachen Pedalspiel vor. Über die geschickte Abschattierung der Klangfarben jener musikalischen Elegie ließe sich seitenweise schreiben. Soviel zur technischen Seite. Unbeschreiblich die Wirkung - intensiver könnte ich mir ein Hörerlebnis kaum vorstellen.

Schumanns Fantasie begann vielversprechend: Lupu zog wieder einige Tricks aus seiner Zauberwekstatt - wobei hier klar gesagt werden muß: sein Ton fällt wahrlich nicht vom Himmel. Neben Intellekt und Intuition verfügt der Mann über eine vielseitige Technik, die ihm ihn eine effektive Bandbreite im Anschlag erlaubt.
Auch hier sehr gute Gesanglichkeit der Oberstimme, schön abgesetzt gegen die lisztschen Klangwolken der linken Hand. Dann ein Piano, das ich so im Konzertsaal noch nicht erlebt habe. An der Grenze der Hörbarkeit und dennoch - und das ist das Phänomen - ein Ton der trägt, der nur noch als eine Ahnung von Klang bis in die 35. Reihe des Saals schwebt.
Aber im Detail steckt bekanntlich auch der Teufel. Meines Erachtens mußte Lupu beim Schumann dafür zum erstenmal Tribut zahlen. Spätestens im dritten Satz hatten die Zuschauer nach meinem Eindruck reihenweise abgeschaltet. Das mag natürlich an dem Werk liegen, das sich nicht gerade für einen Spannungsbogen anbietet. Hat sich Lupu aber nicht dennoch zu stark im mikroskopischen Bereich aufgehalten und die große Linie vernachlässigt?

Nach der Pause gab es dann den mit viel Spannung erwarteten Schubert. Denn schließlich darf Lupu auf einschlägige Einspielung zurückblicken (Sonaten, Vierhändiges mit Murray Peraria, Schubertlieder mit Barbara Hendricks) und kann damit als ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet gelten.
Um das Fazit vorab gleich zu verraten. Lupus Schubert war für mich ein wunderbares Ärgernis. Oder mit Odo Marquard: ein Dementi meiner Erwartungen. Bislang war die Welt noch in Ordnung, die Interpretationen klar voneinander geschieden. Entweder man nimmt z.B. den Anfang wie Brendel relativ zügig, non-legato, klargestochen. Oder wie Pollini, viel Pedal, großer Ton und Pathos. Lupu spielt den Anfang jedoch ganz anders: glasklar artikuliert, wenig Pedal, aber fast in Zeitlupe. Er kämmte den Schubert nicht nur im Tempo gegen den Strich. Er verzichtete fast ganz auf die mitunter perkusssiven, leicht tänzerischen Elemente und gab der Sonate dadurch einen intimen, fast introvertierten Charakter. Lupus meditative Souveränität brachte es mit sich, daß die Harmonik voll zur Geltung kam. Vor allem jene Rückungen, die den Wechsel der Klangfarbe fast visuell erfahrbar machten.

Fazit: ein denkwürdiger Klavierabend.



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