Klassik - Rezensionen | |
Zwar war man zunächst über die pianistische Zurückhaltung von Johnson überrascht, kennt man ihn doch als überaus kundigen Schubertbegleiter, der die kompositorische Eigenständigkeit seines Klavierparts sehrwohl zu akzentuieren weiß, legte sich dies beim den ersten Liedblock schließenden ‘Erntelied’ D 434.
Bis dahin war der Abend fast eine ‘Ein-Frau-Show’, bei der Christine Schäfer besonders in den Liedern nach Texten von Matthias Claudius eine Demonstration ihrer perfekten Gesangskunst gab. Mit ihrer in allen Lagen profunden Stimme, einem bombensicheren Stimmsitz, der vor allem in den Piano-Anfängen in hoher Lage gefordert ist, und der sie auszeichnenden Beweglichkeit machte Schäfer das Zuhören zu einem Erlebnis.
Hier wurde klassischer Kunstgesang nicht nur vorgeführt, sondern brachte die Lieder zum Leben, und dies meint, daß der Text der Lieder ausgestaltet wurde. Viel zu häufig werden Schuberts Lieder zwar musikalisch und technisch perfekt aufgeführt, bleiben aber fast tot, da die Bedeutung der Textebene vernachlässigt wird. Nicht so bei Christine Schäfer und Graham Johnson. Es sind die kleinen Verzögerungen, die Wortbetonungen, der Reichtum verschiedenartigster Ausdruckmittel und feinste Dynamikveränderungen, die diesen Liederabend zum Hörerlebnis machen: Musik und Text als Einheit.
Auf einzelne Lieder einzugehen fällt schwer, was gäbe es alles herauszuheben: ‘Der Blumen Schmerz’ D 731, ‘Die Vögel’ D 691, ‘Bertas Lied in der Nacht’ D 653 und vor allem die Goethevertonungen ‘Thekla’ D 73 und ‘An den Mond’ D 259. Letzteres wurde so eindrucksvoll vorgetragen, daß sogar die stets und ständig in die Pausen hustenden Zuhörer verstummten und den verklungenen Klängen nachlauschten.
Als Zugaben gab es dann mit ‘Es war ein König in Thule’ und ‘Der Musensohn’ bekannte Schubertlieder. Das Publikum war restlos begeistert und dankte mit standing ovations. So darf man auf den nächsten Schubert-Liederabend Christine Schäfers am 5. Mai 1997 mehr als gespannt sein.
Von
Silke Gömann
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