Online Klassik - Rezension
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Subtile Metamorphosen und eine Sinfonie aus dem Baukasten

Rudolf Buchbinder begeistert mit Mozart, doch Flor nicht mit Bruckners Erster

Rudolf Buchbinder, Klavier
Gürzenich Orchester/Kölner Philharmoniker
Leitung: Claus Peter Flor


Wolfgang Amadeus Mozart: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 25 C-Dur KV 503
Anton Bruckner: Sinfonie Nr. 1 c-moll (Linzer Fassung)


Ein faszinierendes Schau- und Hörspiel war am vorigen Sonntag in der Kölner Philharmonie zu erleben. Rudolf Buchbinder war der unbestrittene Hauptdarsteller im C-Dur Klavierkonzert KV 503 von Mozart, das er zusammen mit dem Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Claus Peter Flor zur Aufführung brachte. War er zuvor im legeren Sakko auf die Bühne geschlendert - auch Flor trug zum C-Dur-Stück noch weiß unter seinem Sakko - so enthielt sein Spiel mehr, sehr viel mehr als eine Mozart zuweilen gewiß auch angemessene Leichtigkeit.

Das 1786 vollendete C-Dur Konzert KV503 nimmt als chronologisch letztes der zwölf großen Klavierkonzerte Mozarts in vielfacher Hinsicht eine Sonderstellung ein. Dem Reichtum der Instrumentation angemessen, ist hier die symphonische Durchbildung der Konzertform weit fortgeschritten. Die Solostimme ist dicht in den Orchesterpart integriert, und auch rein spieltechnisch gehört sie zu den anspruchsvollsten aus Mozarts Hand.

Die folglich recht hohen Ansprüche wurden von Rudolf Buchbinder in vollendeter Weise erfüllt. Die Vielfalt der Anschlagsnuancen, das tiefe musikalische Verständnis, das sein Spiel prägten, beeindruckten tief. Fast noch beeindruckender war das Erlebnis des Zusammenspiels des Solisten mit dem Orchester. Wie sich Buchbinder immer wieder den Orchestermusikern zuwandte und so mit diesen die Idee des Konzerts kongenial verwirklichte, war beglückend zu erleben.

Zu recht also gab es begeisterte Ovationen, für die sich Buchbinder mit dem As-Dur Impromptu aus op. 90 bedankte. Von den selbst klavierspielenden Laien im Publikum durch "Ahhh"-Rufe begrüßt, gab Buchbinder dieser so oft mißbrauchten Piece durch seine tiefernste Interpretation seine Würde zurück.

Nach der Pause wurde die 1. Sinfonie in c-moll von Anton Bruckner gespielt. Dieses von ernster Grundstimmung geprägte Monumentalwerk bedeutete einen krassen Bruch nach den virtuos-heiteren Mozarttönen - und auch Claus Peter Flor erschien nun ganz in schwarz..

Das Gürzenich-Orchester, nun auf sich allein gestellt, konnte anhand der in Bezug auf Instrumentation und kompositorische Ausgewogenheit teilweise nicht eben dankbaren Passagen seine hohe Qualität erneut unter Beweis stellen. Eine gewissenhafte Einstudierung war ganz offensichtlich; genauso offensichtlich war dem Spiel aber auch anzumerken, daß es von weniger Enthusiasmus erfüllt war als bei Mozarts Solokonzert. So klangen manche Passagen regelrecht fahl, und auch die rhythmische Präzision ließ zu wünschen übrig.

Die Interpretation war auf Transparenz bedacht, was dem Gürzenich-Orchester gut anstand. So war beispielsweise der Zusammenklang einzelner Instrumentengruppen sehr gut herausgearbeitet. Insgesamt jedoch kam das Werk nicht als "großer Wurf", nicht als Einheit beim Publikum an. Schuld daran sind die kompositorisch bedingten Längen, die diese Sinfonie zweifelsohne aufweist und die zu allem Überfluß interpretatorisch geradezu herausgearbeitet wirkten. Insbesondere den zweiten Satz exerzierte Flor extrem langsam, und auch die Kontrapunktik des Finales wurde durch seine bedächtige Herangehensweise nicht gerade eindringlicher.

Auch wenn die von Bruckner später umgearbeitete Fassung um einiges ausgewogener und "weicher" klingt, so ist es doch hoch anzurechnen, daß man sich in Köln für die Linzer Fassung von 1866, gewissermaßen für die Urfassung der 1. Sinfonie entschieden hat. Einige Stellen sind in dieser Fassung krasser, die Dynamikunterschiede stärker ausgeprägt. Diese Fassung dürfte daher eher den ursprünglichen Intentionen des Komponisten entsprechen, auch wenn sie dem Zuhörer einiges mehr abverlangt.

Von Ingo Schüttke und Bernhard Lücke

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