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Brahms-Zyklus in der Kölner Philharmonie

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Ltg. Lorin Maazel

- Teil 1 -


1. Konzert am Samstag, 18. Januar 1997 Konzert für Klavier und Orchester Nr.1 d-Moll Op. 15
Sinfonie Nr. 1 c-Moll Op.68

Solist: Gerhard Oppitz

2. Konzert am Sonntag, 19. Januar 1997 Akademische Festouvertüre c-Moll Op.80
Konzert für Violine, Violoncello und Orchester a-Moll Op. 102
Sinfonie Nr. 2 D-Dur Op.73

Christian Tetzlaff, Violine
Tanja Tetzlaff, Violoncello


Lorin Maazel und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
begeistern am ersten Wochenende des Brahms-Zyklus in der Kölner Philharmonie

Nicht immer werden als ‘Highlights’ vermarktete Konzerte ihren Vorschußlorbeeren in so eindrucksvoller Weise gerecht wie die ersten beiden Konzertabende innerhalb des Brahms-Zykluses mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Lorin Maazel. Die von der KölnMusik GmbH für diese Spielzeit eingesetzten ‘Artists in Residence’ zeigten sich beim ersten Konzert vor ausverkauftem Haus in brillanter Form und überzeugten auch am zweiten Abend.

Zum Brahms-Gedenkjahr präsentiert Lorin Maazel ‘seine’ Brahms-Auffassung, indem mit den vier Sinfonien und den Solokonzerten fast die gesamten Orchsterkompositionen Johannes Brahms aufgeführt werden. Als Zugaben trefflich geeignet die „Ungarischen Tänze“, deren erster das Konzert am Samstag beendete, und am Sonntagabend der fünfte packend musiziert wurde. Werden die Sinfonien sinnvoller Weise in ihrer chronologischen Reihenfolge aufgeführt, weicht man bei den anderen Kompositionen von dieser Chronologie mit Ausnahme des ersten Konzertabends ab. Auch hierfür lassen sich trefflich Argumente finden.

Am Samstag standen nun das 1. Klavierkonzert in d-Moll und die 1. Sinfonie in c-Moll auf dem Programm. Nicht nur der Chronologie wegen wurde mit dem Klavierkonzert begonnen, sondern auch wegen der vielfach angeführten Tatsache, daß dieses Konzert in seinem Entstehungsprozeß u.a. als Sinfonie konzipiert war und somit Brahms ‘langen Weg zur Sinfonie’ und seiner Auseinandersetzung mit der ‘Gattung Sinfonie nach Beethoven’ Rechnung trägt. Die Bezugnahme auf diese Rezeptionstopoi wäre nur eine Wiederholung des schon allzu Bekannten, wenn sich nicht in Maazels Interpretation beider Kompositionen die Akzentuierung der Aspekte „sinfonische Anlage des Klavierkonzerts“ und „Anlehnung an Beethovensche Kompositionsprinzipien (Finalgestaltung)“- bezogen auf die erste Sinfonie - deutlich in den Vordergrund gedrängt hätte.

Für das Maestoso des Klavierkonzerts wählte Maazel ein sehr gemäßigtes Tempo, was den Eindruck der Monumentalität, die diesen ausufernden Satz auszeichnet, noch verstärkte. Schon die Eingangstakte mit dem Paukenostinato und den Trillern wurden konsequent, fast hart und kompromißlos vorgeführt. So ließ Maazel von Beginn an keinen Zweifel aufkommen, daß er diesen Satz mit großer Geste und das Pathos akzentuierend zu gestalten dachte. Bei so großem Nachdruck traf es sich gut, daß mit Gerhard Oppitz ein Solist am Flügel saß, der gleichfalls konsequent aber auf zurückhaltende Art vom ersten Einsatz an dem Pathos ein Gegengewicht bot. Die hohen technischen Anforderungen des Soloparts bewältigte Oppitz mit der ihn auszeichnenden Leichtigkeit. Wie er die Oktavtriller aus dem Handgelenk schüttelte war bemerkenswert. Zeichnete sich schon der erste Satz durch ein übereinstimmendes Musizieren von Solist und Orchester aus, begeisterte das Adagio in seiner Perfektion des blinden Verständnisses. So schlüssig interpretiert hört man diesen mittleren Satz äußerst selten. Maazel nahm das Orchester sehr zurück und reagierte damit auf die stark verinnerlichte Spielart von Oppitz. Besonders hervorzuheben sind die organischen Übergänge zwischen Solist und Orchester. Schlichtweg phänomenal war die Art, wie Oppitz die Nebenstimmen kontrapunktisch herausarbeitete. Die so erzeugte Spannung löste sich dann im abschließenden Rondo, in dem Solist und Orchester befreit aufspielten und einen grandiosen Schlußpunkt setzten.

Maazels Interpretation der c-Moll Sinfonie war gänzlich auf die Finalwirkung des letzten Satzes ausgerichtet. Wenn er die Motivverpflechtungen der einzelnen Sätze nicht außerdem konsequent herausgearbeitet hätte, hätte man fast von drei Einleitungssätzen zum 4. Satz sprechen können. Maazel wählte durchgängig rasche Tempi, was insbesondere dem 2. Satz zu Gute kam. Manchem Zuhörer mag vielleicht die Konsequenz überrascht haben, mit der Maazel auch den wenigen melodiösen Passagen das nur Warme und Einschmeichelnde versagte, aber damit erreichte Maazel eine äußerst schlüssige Interpretation. Der Übergang vom 3. zum 4. Satz wurde praktisch verschleiert und wie aus dem Nichts tauchten plötzlich der ‘Alphornruf’ und der Choral auf. Überraschend dann die relativ lange Zäsur nach dem Choral ehe das Hauptthema des Finalsatzes in den Streichern angestimmt wurde. Aber auch hier verweigerte Maazel seinen Musikern noch das Schwelgen in der Melodie. Erst beim zweiten Auftreten im ganzen Orchester war der Bann gebrochen. Jetzt erst forderte Maazel mit weitausladenen Gesten eine grandiose Steigerung bis zur Coda ein. Architektonisch fast an Bruckner gemahnend stellte er den ‘Alphornruf’ und insbesondere dann den Bläserchoral am Ende des Satzes als Zielpunkt der ganzen Sinfonie dar. Ovationen für Orchester und Dirigent waren die logische Folge.

Das erste Konzert setzte Maßstäbe, die leider am zweiten Abend nicht ganz erreicht wurden. Wer das erste Konzert nicht gehört hatte, wird diesen Einwand nicht nachvollziehen können, denn die musikalische Leistung in zweiten Konzert war gleichfalls sehr hoch und das Publikum spendete enthusiastischen Beifall.

Die Akademische Festouvertüre wurde zu Beginn mit Spaß am Musizieren und mit einem gewissen Augenzwinkern, was die studentischen Burschenlieder anbelangt, vorgetragen. Insbesondere die Blechbläser zeigten sich von der besten Seite.

Der Übergang zum Doppelkonzert verlief jedoch nicht ohne Bruch. Gerade im ersten Satz konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß zwischen Orchester und Solisten noch Abstimmungsschwierigkeiten herrschten. Maazel mußte recht häufig mäßigend auf seine Instrumentalisten einwirken. Des weiteren fiel auf, daß das Orchester eine andere Auffassung vom musikalischen Charakter der Themen und Motive hatte. Während Christian und Tanja Tetzlaff einen kompromißlos energischen und manchmal hart zu nennenden Strich spielten, zeigten die Streicher im Orchester eine weichere Ausführung. Gegen Ende des ersten Satzes hatten sich Orchester und Solisten dann gefunden. Insbesondere im zweiten Satz kam es zu einem ausdrucksstarkem Dialogisieren zwischen den Holzbläsern und den beiden Solisten. Souverän war dann die Interpretation des letzten Satzes mit den virtuosen Passagen der Solisten. Mit ihrer Zugabe, dem dritten Satz aus Maurice Ravels Sonate für Violine und Violoncello, verzauberten Christian und Tanja Tetzlaff ihr Publikum. Größere Reverenz als sekundenlange Stille nach dem Verklingen des letzten Tons kann Musikern nicht gezollt werden.

Mit Brahms zweiter Sinfonie endete das erste Zykluswochenende. Im Gegensatz zur ersten Sinfonie, die Lorin Maazel finalbetont interpretiert hatte, setzte er in der D-Dur Sinfonie mehrere Schwerpunkte. Konnte die Interpretation des 1. Satzes in ihrer Betonung der melodischen Linien, insbesondere des 2. Themas in den Celli, noch konventionell genannt werden, zeigte sich im zweiten Satz mit der Akzentuierung von formalen Verläufen und der spannungsreichen Passagen, daß Maazel keineswegs nur die melodische Oberflächenstruktur der Komposition betonen wollte. Im dritten Satz gefielen vor allem die Gestaltung der eingeschobenen Presto-Teile. Im letzten Satz erreichte Maazel wie schon bei der ersten Sinfonie eine fulminante Finalwirkung. Konsequent stellte er die dynamischen Steigerungen und die Dramatik heraus, die organisch aus dem Kompositionsverlauf hervorgingen. Zwangsläufig führte die grandiose Schlußsteigerung in der Coda wie schon am ersten Abend zu ‘standing ovations’.

Nach dem ersten Teil kann man somit auf die folgenden zwei Konzerte mehr als gespannt sein.

Rezension der Konzerte vom 25. und 26. Januar 1997.





Von Silke Gömann

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