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Mittwoch, 1. Dezember 1999, 20:00 Uhr, Kölner Philharmonie
Kölner Operettenkonzerte 2

Leonard Bernstein

Candide

- konzertante Aufführung -

Musikalische Komödie in zwei Akten
nach dem Roman 'Candide oder Die beste Welt' von Voltaire
Buch von Hugh Wheeler
Weitere Liedtexte von Stephen Sondheim, John Latouche, Dorothy Parker, Lillian Hellman und Leonard Bernstein

Mit neuen verbindenden Texten, verfaßt und erzählt von Loriot

Mitwirkende:
Loriot, Erzähler
Donald George, Candide
Cornelia Götz, Cunegonde
Thomas Holzapfel, Dr. Pangloss/Martin
Snejinka Avramova, Alte Dame
Michael Baba, Gouverneur/Vanderdendur/Ragotski
Päivi Elina, Paquette
Johannes Beck, Maximilian/Captain
Peter Loehle, Bear-Keeper/Inquisitor/Zar Ivan
Peter Umstadt, Cosmetic Merchant/Inquisitor/Prinz Edward
Bernhard Spingler, Doctor/Inquisitor/König Hermann
Holger Ohlmann, Junkman/Inquisitor/König Hermann
Michael Gann, Alchimist/Inquisitor/Sultan Achmet

Chor und Extrachor des Staatstheaters am Gärtnerplatz, München
Einstudierung: Hans-Joachim Willrich
Ensemble und Orchester des Staatstheaters am Gärtnerplatz, München
Leitung: David Stahl



"Noch Fragen ?"

Bernsteins Candide krankt an der übervollen Handlung. Im Eiltempo führt uns das Libretto auf den Spuren von Voltaire's gleichnamiger Romanfigur um den Erdball, nach der besten aller Welten suchend, die sich allerorts hinter Katastrophen, Gemetzeln und ähnlich unangenehmen Dingen verbirgt. Voltaires satirische Abrechnung erfordert einen permanenten Bühnenbild- und Kostümwechsel, vor dem jedes einigermaßen sparbewußte Theater kapitulieren muß. Ein Ausweg bietet eine konzertante Aufführung - wenn sie so brilliant gemacht ist wie die des Staatstheaters am Gärtnerplatz München, die in der Kölner Philharmonie zu Gast war.

Im Mittelpunkt steht natürlich zunächst Loriot. Er findet in bewährter Art die richtige Mischung, das Stück ernst und unernst zugleich zu nehmen. In knappen Bemerkungen führt er durch die absonderliche Handlung, mit teils deutlichem, teils unterschwelligem Witz. "Es ist erstaunlich, wie eine konzertante Aufführung die Phantasie anregen kann" kommentiert er die Lacher auf eine zweideutige Formulierung, und beschreibt damit durchaus treffend den gesamten Abend.

Die Musiker fangen die Bälle, die Loriot ihnen zuspielt, virtuos auf. In der exzellenten Akustik der Kölner Philharmonie bot das Orchester ein gestochen scharfes Klangbild und subtile Nuancierungen. Der Chor stand dem nicht nach und bestach durch hohe Homogenität. Dazu bietet das Gärtnerplatztheater ein durchweg gutes Sängerensemble auf. Die Abstimmung zwischen Sängern und Instrumentalisten ist beeindruckend; unter dem Dirigat von David Stahl wurde mit höchster Konzentration musiziert - und feinem Understatement: Cornelia Götz singt die Koleraturen der Cunegonde mit vornehmer Zurückhaltung, Donald George ist ein wohlerzogener Candide, der sich niemals einen zu lauten Ton erlauben würde, und das Ensemble von fünf entthronten Monarchen auf einem Floß zeigt eine von edler Distinktion geprägte Kultur, wie man sie im Musikleben nur selten findet. Es bleibt eine vornehme Distanz, wird bei allem Schwung (wie im Mahler-nahen Finale) nie lärmend, und die Ironie von Bernsteins Komposition ist stets präsent.

Candide findet sein Glück zuletzt als Kleingärtner im heimischen Westfalen. "Noch Fragen ?" Nein, Herr Loriot, alles klar, die Aufführung hat für sich gesprochen. Für einen kurzen Moment lag die beste aler Welten in der Kölner Philharmonie.

Von Stefan Schmöe



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