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Klassik-Rezensionen

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Logo: Triennale Sonntag, 11.06.2000, 20.00 Uhr
Köln, Philharmonie
Ausstrahlung im Rundfunkprogramm WDR3 und im WDR Fernsehen am 12.6.2000, 11.00 Uhr

Münchner Philharmoniker
Im Rahmen der MusikTriennale Köln

Gunther Schuller (*1925): Of Reminiscences and Reflections (1993)
Charles Ives (1874 - 1954): Three Places in New England (1935)
Lukas Foss (*1922): Time Cycle (1960)
Elliott Carter (*1908): Variations for Orchestra (1955)
George Gershwin (1898 - 1937): Concerto in F (1925)


Ausführende:
Dawn Upshaw, Sopran
Jean-Ives Thibaudet, Klavier


Münchner Philharmoniker
James Levine, Dirigent

Glänzende Kehrtwende

Die MusikTriennale Köln im Jahr 2000 ist beendet. Was von dieser Mammutschau der Musik des hinter uns liegenden Jahrhunderts übrig bleibt, ist unter anderem der Eindruck, dass man im beginnenden 21. Jahrhundert nicht immer wieder auf allseits bekannte Werke aus Klassik und Romantik zurückgreifen muss, um Konzerte zu gestalten, die Menschen unserer Zeit begeistern und bewegen können. Auch die Münchner Philharmoniker sind jetzt in der Gegenwart angekommen. Ihr wohl platziertes Konzert im Rahmen der Triennale bildete einen weiteren, letzten Höhepunkt in dem an musikalischen Sensationen reichen Triennale-Programm.

Die Kehrtwende der Philharmoniker seit Celibidaches Tod ist schon erstaunlich. Von seinem schwerblütigen Mystizismus und seiner philosophischen Versenkung hat sich der neue Chef James Levine wenig angenommen - er darf nun profitieren vom ausgefeilten Zusammenspiel der Musiker und setzt auf Brillianz und extrovertiertes, effektvolles Musizieren. In seinem fast dreistündigem Programm mit amerikanischer Musik verweigert er jedoch dem Publikum leicht verdauliche Delikatessen.
Das spektakuläre Werk Gunther Schullers Of Reminiscences and Reflections ist bereits ein schwerer Brocken. Schuller entwickelt gewaltige, dabei oft scharf atonale Klangmassen, die mit sehr zurückgenommenen Passagen kontrastieren. Diesem gewaltigen symphonischen Auftakt begegnet das Publikum mit Zurückhaltung. Die Three Places in New England sind da schon eher geeignet, Begeisterung auszulösen. Nach dem zweiten Satz Putnam's Camp, Redding, Connecticut, in dem sich Ives' Collageverfahren zu einer lautstarken Materialschlacht auswächst, gibt es spontanen Beifall.

Lukas Foss dagegen mag eher leise, differenzierte Töne. Sein Time Cycle fordert vom Orchester ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Präzision, das die Philharmoniker auch aufzubringen vermögen. Die Musik von Foss klingt zuweilen wie ein atonaler Bernstein; sie ist im Satz mit der Musik Anton Weberns vergleichbar, ohne jedoch das Deskriptive zu verlassen. Time Cycle, auf Texte von Auden, Housman, Kafka und Nietzsche komponiert, reflektiert über Vergänglichkeit, Zeit und Tod. Dawn Upshaw wird zu Recht vom Publikum gefeiert für ihre einfühlsame, expressive Interpretation. Die Sängerin mit der wendigen, hellen und klaren Stimme, die in den letzten Jahren zu einer Spezialistin für zeitgenössische Musik geworden ist, ist für Foss' Stück die Idealbesetzung.

Nach Elliott Carters Variations for Orchestra setzt dann Jean-Ives Thibaudet mit Gershwins Concerto in F den umjubelten Schlusspunkt. Dies Werk mit seinem populären Gestus fällt etwas aus dem Rahmen des ernsthaften Programms, ist aber natürlich ebenso eine weitere Facette amerikanischen Komponierens wie ein publikumswirksamer Kehraus. Hier kann man endlich den musikalischen Stand des Orchesters ablesen: Levine setzt brilliante Akzente, modelliert mal watteweich, mal scharf konturiert, nie aber schmalzig. Das Jazzige des Werkes macht den Musikern sichtbar Spaß, die Homogenität des Musizierens ist zudem sagenhaft. Jean-Ives Thibaudet erweist sich wieder als glänzender Klangmagier und makelloser Virtuose, der jedoch musikalisch mit wenig Tiefgang aufzuwarten hat und sehr stromlinienförmig musiziert. Sein Spiel lässt sich nicht fassen, bleibt ganz Magie und Oberfläche.

Von Markus Bruderreck



Da capo al Fine

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