Online Klassik - Rezension
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Viel Grün in Hagen

Andrzej Ratusinski beflügelt Chopin-Klavierkonzerte
nach lahmem Orpheus

Andrzej Ratusinski, Klavier
Philharmonisches Orchester Hagen
Leitung: Gerhard Markson


Franz Liszt: Orpheus - Sinfonische Dichtung
Frederic Chopin: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-moll
Frederic Chopin: Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-moll


Worüber man in Hagen spricht: "Hagen ist ohnehin die Stadt mit den meisten Grünflächen unter den Industriestädten!" sprach da ein Konzertbesucher zum anderen in der natürlich grün ausgestatteten Hagener Stadthalle. Grün die Stühle, grün die Fußböden, grün die alles dominierenden Lüftungsrohre, und zumindest frühlingshaft auch das Programm dieses 2. Sonderkonzertes der Hagener Philharmoniker.

Zu Beginn kamen allerdings kaum Frühlingsgefühle auf: Unter der recht blassen Leitung von Gerhard Markson wurde die Sinfonische Dichtung "Orpheus" von Franz Liszt ziemlich unmotiviert heruntergespielt. Orchester und Dirigent dürften mit der Turnhallenatmosphäre und -akustik vertraut sein - im Gegensatz zum Rezensenten - fanden aber kein Mittel, Spannung zu erzeugen. Zwischen den Notenlinien fehlte jede Inspiration, allein im Dialog zwischen Solovioline und Cello kamen einige interessante Momente auf.

In der kaum zu einem Drittel gefüllten Halle (die überdies noch mit einem Grundrauschen der Klimaanlage aufwartet) brandete erstmals stärkerer Applaus auf, als Andrezj Ratusinski beschwingt die Bühne betrat - der 1949 in Polen geborene Pianist rechtfertigte diese Vorschußlorbeeren allerdings vollkommen. Im Verlauf der beiden ersten Klavierkonzerte von Frederic Chopin zeigte sich zwar, daß Ratusinski (zumindest an diesem Abend) nicht unbedingt ein Mann der langsamen Sätze ist. Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, daß er zu Recht der Star dieses Abends war.

Das Konzert Nr. 2 f-moll begann er durchaus dynamisch und Ratusinski zeigte sich als Herrscher auch über schwierigste Passagen. Allerdings spielte er nicht immer rücksichtsvoll: Die Tatsache, daß er auch schnellste Läufe beherrscht, ohne an Ausdruckskraft zu verlieren, ist gewiß bewundernswert; nur wäre etwas mehr Loyalität gegenüber dem bemühte, aber etwas schwerfällige Orchester angebracht gewesen. Kurzum: Es mangelte an Verständigung mit dem Dirigenten.

Die Larghetto-Sätze der beiden Konzerte sind immer eine Gratwanderung zwischen Emphase und Kitsch. Wenn Ratusinski dabei nicht abstürzte, so hat er wohl mehr Glück als Verstand gehabt. Seine ironisch-karikierenden Posen jedenfalls paßten nicht recht zu seiner musikalischen Interpretation. Vielleicht sorgten auch in erster Linie optische Eindrücke für zwiespältige Empfindungen.

Ganz anders die Finalsätze, vor allem des e-moll-Konzertes: Hier brillierte Ratusinski mit inspirierter Leichtigkeit - immer wieder peitschte er das Orchester nach vorn. Wenn er so (an Stelle des doch etwas überforderten Gerhard Markson) wirkte, gelang dem Orchester an manchen Stellen doch die Grenzüberschreitung zum richtig guten Widerpart. Viel Arbeit für das Philharmonische Orchester Hagen am 1. Mai - Arbeit, die sich gelohnt hat!

Von Tilman Lücke

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