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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
15.07.2022 - 24.07.2022


Monsieur Offenbach chez Rossini

Musikalische Soiree mit halbszenischen Elementen
La leçon de chant électro-magnétique (Die elektromagnetische Gesangsstunde)
Bouffonerie musicale, Text von Ernest Bourget
Musik von Jacques Offenbach

Péchés de vieillesse (Alterssünden) und Opernarien
Musik von Gioachino Rossini


In französischer und italienischer Sprache mit französischen und deutschen Übertiteln (bei Offenbach)

Aufführungsdauer: ca. 1 h 30' (keine Pause)

Premiere im Königlichen Kurtheater am 19. Juli 2022

 

 

 

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Monsieur Rossini gibt sich die Ehre

Von Thomas Molke / Fotos: © Wolfgang Kienzler

Musikalische Soireen waren im 19. Jahrhundert eine angesagte Abendunterhaltung in den gut situierten Kreisen. Wer es sich leisten konnte, lud in der kalten Jahreszeit renommierte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ein, um seine gesellschaftliche Stellung mit einem literarischen oder musikalischen Programm zu festigen. Jacques Offenbach hat diese Sitte in seiner 1861 komponierten Opéra bouffe Monsieur Choufleuri restera chez lui le..., die in Deutschland auch unter dem Titel Salon Pitzelberger oder Herr Blumenkohl bleibt bei sich zu Hause am... bekannt ist, karikiert. Dabei waren auch seine kurzen Einakter beliebte Programme für derartige Veranstaltungen. Am 11. Februar 1863 lud Rossini zu einer Soiree in seinen Salon in Paris ein, bei der neben Arien von angesagten Sängerinnen und Sängern der Zeit auch Offenbachs "komische Szene" La leçon de chant électro-magnétique erstmals aufgeführt worden ist. Jochen Schönleber hat nun gemeinsam mit Emmanuel Franco dieses Stück in eine derartige Soiree eingebettet, bei der neben Offenbach, den Rossini selbst als "Mozart der Champs-Élysées" bezeichnete und den der Dichter Joseph Méry den "Rossini der Operette" nannte, auch Stücke von Rossini erklingen.

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Toccato (Emmanuel Franco, links) behauptet, aus dem Bauern Matois (Remy Burnens, rechts) einen begnadeten Tenor machen zu können.

Der musikalische Leiter Paolo Raffo, der die Soiree am Klavier begleitet, tritt dabei als Jacques Offenbach auf und begeistert neben dem punktgenauen Spiel am Klavier auch durch große Komik, wenn er recht vehement den Applaus für den Komponisten einfordert. Ulrich Maier wirkt in seinem Kostüm wie eine Reinkarnation des Schwans von Pesaro, der aber als Gastgeber zunächst nicht die ihm gebührende Beachtung erhält. So jagt ihn Emmanuel Franco als selbstgefälliger italienischer Gesangslehrer Toccato zunächst einmal von der Bühne. Der Beginn des Abends gehört nämlich ihm, das heißt Offenbachs Einakter. Mit großem Pathos eröffnet Franco den Abend mit einer Hymne auf den Gesang, um anschließend dem Publikum zu erklären, dass er eine Methode entwickelt habe, mit der jeder noch so unmusikalische Mensch das Singen lernen könne. Ein junger Mann im Publikum widerspricht, und es kommt zu einem Schlagabtausch zwischen Toccato und dem jungen Mann, der sich als Bauer Jean Matois entpuppt. Remy Burnens spielt den nahezu tumben Charakter des einfachen Bauernjungen mit wunderbarem Komik aus. Nahezu wissenschaftlich erläutert Toccato im Anschluss seine nervo-elektromagnetische Methode, mit der er jeden zum Singen bringen könne. Einen witzigen Bezug zu Bad Wildbad gibt es dazu in den Übertiteln von Reto Müller, wenn statt des großen Tenors Adolphe Nourrit in der deutschen Übersetzung von Raúl Giménez gesprochen wird, der ja durch seine langjährigen Meisterklassen in Bad Wildbad eine nicht unbedeutende Rolle spielt.

Bevor Toccato seine Methode bei Matois anwendet, scheitern die Gesangsversuche des jungen Bauern kläglich, was Burnens mit herrlicher Komik ausspielt. Doch dann holt Toccato ein mit drei Rosenblüten gefülltes leuchtendes Plastikherz hervor. Sobald er Matois dieses Herz an die Brust hält, entfaltet dieser sich zu einem strahlenden Tenor, der in den höchsten Tönen brillieren kann und dabei auch zwischen unterschiedlichen Emotionen variiert. So beschließen die beiden, nach Italien aufzubrechen und dort Karriere zu machen. Damit ist Offenbachs Einakter auch schon zu Ende, und nun darf Rossini wieder die Bühne betreten und in einem bequemen Sessel Platz nehmen, in dem er während des weiteren Programms auch seinen anderen Leidenschaften, einem guten Getränk und leckerem Essen, frönt. Matois, der nun seine Begeisterung für die Musik entdeckt hat, führt als eine Art Spielleiter durch das weitere Programm. Da dieser Teil nicht mehr übertitelt wird, spricht Burnens auf Französisch und Deutsch und versäumt es nicht, nach jeder Nummer seinen Hut zu erwähnen, den er für Spenden am Ausgang aufgestellt habe. Den Anfang macht er dann mit dem Rezitativ und der Arie des Argirio aus Tancredi, "Oddio! Crudel! - Ah! segnar invano io tento", in der dieser das Todesurteil für seine Tochter Amenaide unterzeichnen soll.

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Musikalische Soiree im Hause Rossini (Ulrich Maier, ganz rechts im Sessel) mit Monsieur Offenbach (Paolo Raffo) am Klavier und Gästen (hinten im Kinderwagen: Sopran (Katarzyna Gura), dahinter: Mezzosopran (Iida Antola), rechts daneben: Matilde Raffo und Statist)

Die Gäste bei dieser Soiree sind allerdings keine Vertreter der adligen Gesellschaft sondern, wie Matois erklärt, Leute, die er von der Straße geholt habe. So ist auch eine Mutter (Iida Antola) mit ihrem Baby (Katarzyna Guran) dabei. Während die Mutter mit einem Kopfhörer sich musikalisch wohl zunächst in ganz anderen Sphären aufzuhalten scheint, stört das Kleinkind im Kinderwagen mit seinem Geschrei natürlich den "hehren Ton" der Soiree. Es folgt "La chanson du bébé", in dem Rossini mit großartiger Komik Kinderlaute imitiert und nebenbei Bezug auf Offenbachs "Chanson du sapeur dans Barbe-Bleue" nimmt. Guran präsentiert diese Nummer aus dem Kinderwagen mit herrlichem Spielwitz. Das ist dann Matois aber doch zu viel und er reißt der Mutter die Kopfhörer von den Ohren. Als diese sich immer noch renitent und uneinsichtig zeigt, kann wohl nur noch das Rosenherz helfen. Matois legt es ihr auf, und die Mutter jubiliert in den höchsten Tönen mit dem Rondo finale der Elena aus Rossinis La donna del lago, "Tanti affetti in tal momento". Antola punktet dabei mit flexibler Stimmführung und vollem Volumen.

Ein weiterer Gast, Matilde Raffo, entpuppt sich anschließend als begnadete Violinistin und präsentiert mit Paolo Raffo am Klavier ein "Andante e tema con variazioni per arpa e violino" über "Di tanti palpiti" aus Tancredi, wobei der Part für die Harfe auf ein Klavier umgeschrieben worden ist. Es folgen noch zwei weitere Nummern, "Le gittane" aus Rossinis Album italiano und "Le sylvain" aus Morceaux réservés, bevor Toccato erneut auftritt und gemeinsam mit den beiden Sängerinnen und Matois den Maestro Rossini mit dem Hirtenquartett "L'Asia in faville" in den Schlaf singt. Beim Schlussapplaus spielen Maier als Rossini und Raffo als Offenbach noch einen kleinen Konkurrenzkampf aus und buhlen um den größeren Beifall, was mit einem leichten Augenzwinkern umgesetzt wird. So gibt es für alle Beteiligten großen Beifall für einen kurzweiligen Abend.

FAZIT

Der Abend vermittelt in kurzweiliger Form und einer großen Prise Humor ein Gefühl, wie eine musikalische Abendunterhaltung im 19. Jahrhundert bei Rossini oder in anderen Salons stattgefunden haben könnte.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Klavier
Paolo Raffo

Semistage Einrichtung
Jochen Schönleber /
Emmanuel Franco

Kostüme für Monsieur Rossini
Cennet Aydogan

Licht
Michael Feichtmeier


Solistinnen und Solisten

Toccato, italienischer Gesangslehrer
Emmanuel Franco

Jean Matois, junger Bauer aus der Normandie
Remy Burnens

Sopran
Katarzyna Guran

Mezzosopran
Iida Antola

Gioachino Rossini
Ulrich Maier

Violine
Matilde Raffo

 


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