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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
15.07.2022 - 24.07.2022


Adina

Farsa in einem Akt
Libretto von Gherardo Bevilacqua-Aldobrandini
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 30' (keine Pause)

Produktion von Passionart und der Filharmonia im. Karola Szymanowskiego W Krakowie

Premiere im Königlichen Kurtheater am 17. Juli 2022

 

 

 

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Serail in Südamerika

Von Thomas Molke / Fotos: © Patrick Pfeiffer

Rossinis einaktige Farsa Adina gehört nicht nur zu den recht unbekannten und wenig beachteten Werken des Schwans von Pesaro, sondern gibt der Forschung bis heute auch noch einige Rätsel auf. Zum einen ist unklar, von wem Rossini den Kompositionsauftrag im Dezember 1817 erhielt. Hier werden mehrere Namen genannt, die das Werk für eine verehrte Sopranistin am Teatro São Carlos in Lissabon in Auftrag gegeben haben sollen. Der Name der Dame ist aber ebenso unbekannt wie der ihres vermeintlichen Liebhabers. Zum anderen weiß man nicht, wieso die für 1818 geplante Aufführung zunächst nicht zustande kam, selbst wenn Rossini die Oper mit einiger zeitlicher Verzögerung erst ablieferte. Hatte die besagte Sopranistin das Theater in Lissabon bereits verlassen oder war die Beziehung zu dem Auftraggeber in die Brüche gegangen? Jedenfalls erlebte das Stück erst acht Jahre später am 22. Juni 1826 in Lissabon seine Uraufführung, als der renommierte Bass Giovanni Orazio Cartagenova diese Farsa zusammen mit dem 2. Akt von Rossinis Semiramide für eine einmalige Benefizvorstellung präsentierte. Weitere Rätsel gibt ein fehlendes Terzett auf, das im Libretto von Gherardo Bevilacqua-Aldobrandini zwar angekündigt, von Rossini wahrscheinlich aber gar nicht komponiert worden ist. Bei den wenigen Aufführungen in der Neuzeit hat man meist wie bei der Uraufführung an dieser Stelle einen Chor eingefügt, der das ansonsten viel zu umfangreiche Rezitativ auflockern sollte. Eine wirkliche Motivation für den Fluchtplan gab diese Version aber nicht. In Bad Wildbad schließt man diese dramaturgische Lücke nun, indem man ein Terzett aus Giovanni Pacinis Oper La schiava in Bagdad einfügt, die 1820 in Turin zur Uraufführung kam und das gleiche Thema - wenn auch mit teilweise anderen Rollennamen - behandelte.

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Selimo (César Arrieta, vorne links) möchte mit Mustafàs (Shi Zong, rechts daneben) Hilfe, Adina aus dem Serail des Kalifen (Emmanuel Franco, hinten Mitte mit Alì (Aaron Godfrey-Mayes, rechts daneben)) befreien.

Die Geschichte erinnert an eine Variante von Mozarts berühmter Entführung aus dem Serail, geht allerdings eher auf ein Libretto von Felice Romani zurück, das Francesco Basili als zweiaktige komische Oper Il califo e la schiava vertonte. Basilis Oper kam zwar erst 1819 zur Uraufführung, aber es wird gemutmaßt, dass Romani dieses Libretto vorher schon einmal Rossini angeboten, dieser es jedoch zugunsten von La gazza ladra abgelehnt und es nun für den Kompositionsauftrag, den er parallel zu seinem Mosè in Egitto abwickelte, wieder hervorgeholt habe. Die Handlung spielt im Serail des Kalifen von Bagdad, der sich in die junge Sklavin Adina (bei Romani und auch in Pacinis späterer Fassung heißt die Sklavin Zora) verliebt hat und sie heiraten möchte, weil sie ihn an seine frühe Jugendliebe Zora (bei Romani und Pacini: Adina) erinnert. Adina, die ihren Geliebten Selimo (bei Romani und Pacini: Nadir) verloren hat und diesen für tot hält, fühlt sich vom Werben des Kalifen geschmeichelt und ist bereit, die Verbindung mit dem wesentlich älteren Mann einzugehen, auch wenn sie ihn nicht wirklich liebt. Da taucht plötzlich der tot geglaubte Selimo wieder auf. Adina beschließt, mit ihm zu fliehen. Doch der Fluchtplan wird vom Kalifen entdeckt, und Selimo soll hingerichtet werden. Als Adina bei ihren erfolglosen Bitten für das Leben des Geliebten das Bewusstsein verliert, entdeckt der Kalif ein Schmuckstück an Adinas Hals, das ihn als ihren Vater ausweist. Folglich beschließt er, den vermeintlichen Nebenbuhler zu begnadigen und mit seinem wieder gefundenen Kind zu vermählen.

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Mustafà (Shi Zong, Mitte) versucht, den anfänglichen Streit zwischen Adina (Sara Blanch) und Selimo (César Arrieta, links) zu schlichten.

Jochen Schönleber verlegt das Serail in seiner Inszenierung nach Südamerika. Der Kalif erinnert optisch mit seiner Uniform und den zahlreichen Abzeichen an einen General, der an der Spitze einer Militärdiktatur steht. Der Raum auf der Bühne, der mal als Schaltzentrale der Macht, dann als Adinas Zimmer fungiert, ist eingerahmt von zwei großen Porträtfotos von ihm. Der Männerchor stellt nicht nur die Sklaven und Wachen im Serail dar, die die Sicherheit überwachen, sondern besteht auch aus einer Meute von Pressevertretern, die sich sensationslüstern auf das anstehende Ereignis, die Hochzeit des Kalifen mit der jungen Braut, stürzen. Bei Adina sind nicht nur die Erdbeeren, die sie für ihren zukünftigen Bräutigam gepflückt hat, rot. Auch sie tritt später in einem roten Kleid mit weißen Punkten auf, allerdings erst, wenn sie sich mit ihrem ehemaligen Geliebten Selimo ausgesöhnt hat und mit ihm aus dem Serail fliehen will. Zu diesem Zeitpunkt ahnt der Kalif natürlich noch nichts und lässt ihr Zimmer mit wunderbaren Erdbeerlampions schmücken. Sein Vertrauter Alì wird in der Personenregie als leicht schmieriger Charakter gezeichnet, der großen Spaß dabei zu haben scheint, Adina bei dem Kalifen anzuschwärzen und ihre Flucht zu vereiteln. So sieht man ihn auch kurz vor der Hinrichtung im Hintergrund den beiden Gefangenen Selimo und Mustafà mit einer Waffe folgen, aus der sich schließlich ein Schuss löst, den Adina als Selimos Hinrichtung deutet. Selimo taucht aber kurz danach unversehrt auf, und Schönleber deutet, zumindest im Interview im Programmheft, an, dass wohl "nur" Mustafà, der Gärtner, erschossen worden sei, der danach auch nicht mehr auftritt. Sinn würde es in Schönlebers Regie-Konzept ergeben, da der Gärtner als Untergebener des Kalifen vielleicht einen schwerwiegenderen Verrat begangen hat als Selimo und Adina, die aus Liebe gehandelt haben.

Der Kalif hat nach der überraschenden Wendung im Stück, keine Schwierigkeiten, Adina als seine Tochter zu betrachten, und heißt seinen zukünftigen Schwiegersohn herzlich willkommen. Wahrscheinlich sieht er in ihm bereits seinen Nachfolger, den er mit einer gemeinsamen Zigarre in die Aufgaben eines Herrschers einweist. Selimo folgt ihm dabei nur allzu willig, so dass man hinterfragen kann, ob er wirklich eine bessere Partie für Adina sein wird. Vielleicht kann sie auch deshalb die glückliche Wendung am Schluss nicht ganz fassen, weil sich die neue Verbindung für sie als gar nicht so erstrebenswert erweisen wird.

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Adina (Sarah Blanch) und Selimo (César Arrieta) planen die Flucht.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Emmanuel Franco, der in Wexford noch die Buffo-Partie des Mustafà interpretiert und in dieser Produktion auch noch bei der Inszenierung und den Kostümen assistiert hat, begeistert als Califo mit dunklem Bariton und großer Beweglichkeit in den Läufen. Einen Glanzpunkt stellt seine große Arie "D'intorno il serraglio" dar, in der er nach einem Gespräch mit seinem Diener Alì befürchtet, dass seine geliebte Adina ihn hintergehen will. Hier punktet Franco mit großem dramatischem Ausdruck. Darstellerisch legt er den Kalifen als Macho an, der sich seiner Machtstellung vollkommen bewusst ist und genau weiß, wann er zarte Gefühle zulassen kann. Sara Blanch darf als Traumbesetzung für die Titelpartie bezeichnet werden. Direkt in ihrer Auftrittskavatine "Fragolette fortunate" punktet sie mit glasklaren Koloraturen und strahlenden Höhen. Dabei macht sie deutlich, dass sie ihren ehemaligen Geliebten Selimo eigentlich bereits vergessen hat und zu einer Verbindung mit dem Kalifen bereit ist. Auch im Finale reißt sie den Saal mit ihrer beweglichen Stimmführung und den sauberen Koloraturen zu Begeisterungsstürmen hin. Ihre große stimmliche Wandlungsfähigkeit stellt sie im flehentlichen Bitten um das Leben des Geliebten unter Beweis. César Arrieta verfügt als Selimo über einen kraftvollen, lyrischen Tenor, der die Höhen sauber ansetzt. Seine Arie "Giusto ciel, che i dubbi miei", in der er sich Mut für die geplante Flucht mit der Geliebten zuspricht, gestaltet er mit flexibler Stimmführung und strahlenden Spitzentönen.

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So hat sich wohl Adina (Sara Blanch) ihr zukünftiges Leben zwischen Gatten (César Arrieta, rechts) und Vater (Emmanuel Franco, links) nicht vorgestellt.

Besondere Erwähnung verdient natürlich auch das eingefügte Terzett von Giovanni Pacini zwischen Adina, Selimo und Mustafà, bei dem textlich wohl nur die Namen des Liebespaars geändert werden mussten. Musikalisch fügt es sich absolut bruchlos in das Werk ein, was vielleicht nicht weiter verwundert, da Pacini unter anderem als Mitarbeiter bei Rossinis Matilde di Shabran fungierte und daher sein Kompositionsstil sicherlich Elemente enthielt, die dem Stil Rossinis nahe kamen, und auch die beiden dem Terzett folgenden Musiknummern, das Duett Adina-Kalif und die Arie des Kalifen, von einem anderen, bislang nicht identifizierten Komponisten stammen, den Rossini für die Farsa engagiert hatte. Blanch und Arrieta glänzen stimmlich auch in dem Terzett und werden von Shi Zong, der als Gärtner Mustafà keine eigene Arie im Stück hat, mit dunklem Bass unterstützt. Darstellerisch spielt Zong die Angst der Gärtners wunderbar aus. Die Partie des Alì ist mit dem Stipendiaten der Akademie BelCanto Aaron Godfrey-Mayes ebenfalls sehr gut besetzt. In der Sorbetto-Arie "Pur troppo la donna" kurz vor dem Finale, in der Alì sein Unverständnis über die Frauen äußert und nicht verstehen kann, wieso Adina den Großmut des Kalifen ausgeschlagen hat, punktet Godfrey-Mayes mit geschmeidig fließendem Tenor. Der von Marcin Wróbel einstudierte Männerchor überzeugt durch homogenen Klang und große Spielfreude. Luciano Acocella rundet mit dem Philharmonischen Orchester Krakau mit lebhaftem Rossini-Klang aus dem Graben des Königlichen Kurtheaters und teilweise auch aus den Seitenlogen den Abend wundervoll ab, so dass es am Ende für alle Beteiligten verdienten und großen Beifall gibt.

FAZIT

Das eingefügte Terzett von Pacini scheint eine gute Vervollständigung von Rossinis Farsa zu sein, wovon man sich auch auf der folgenden CD-Einspielung überzeugen kann.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Luciano Acocella

Regie und  Bühne
Jochen Schönleber

Mitarbeit Regie und Kostüme
Emmanuel Franco

Kostüme
Cennet Aydogan

Licht
Michael Feichtmeier

Chorleitung
Marcin Wróbel

 

Philharmonisches Orchester Krakau
(Leitung: Alexander Humala)

Philharmonischer Chor Krakau


Solistinnen und Solisten

Il califo
Emmanuel Franco

Adina
Sara Blanch

Selimo
César Arrieta

Alì, Vertrauter des Kalifen
Aaron Godfrey-Mayes

Mustafà, Gärtner des Serails
Shi Zong

Sklaven und Wachen des Serails
Männerchor

 


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