Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Klangvokal 2022
Musikfestival Dortmund

Baroque à la française

Reinoud Van Mechelen, Haute-contre und musikalische Leitung
a nocte temporis
Musik von Jean-Philippe Rameau und Zeitgenossen

in französischer (und languedokischer) Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Aufführung im Reinoldihaus Dortmund am 26. August 2022, 19.30 Uhr

 

 

Homepage

 

 

Stationen eines Barockstars

Von Thomas Molke / Fotos: © Felizia Paltrinieri

Während in der italienischen Barockoper die Kastraten die damalige Opernwelt dominierten, avancierte in Frankreich der Haute-Contre zum unangefochtenen Star für Helden- und Liebhaber-Partien. Im Gegensatz zum heutigen Countertenor handelt es sich dabei um einen relativ hohen Tenor, der sich anders als der Countertenor nicht im Falsett in die Alt- oder Sopranlage begibt, sondern mit der Bruststimme einen "natürlicheren" Klang erzeugt. Ein berühmter Vertreter ist der aus den Pyrenäen stammende Pierre de Jéliote, von dem es heißt, dass er eine der schönsten Haute-contre-Stimmen seiner Zeit gehabt habe, und der fast 30 Jahre lang als führender Haute-Contre Erfolge an der Pariser Opéra feierte. Der belgische Tenor Reinoud Van Mechelen, der sich seit einigen Jahren auch in seinen Solo-Alben mit den großen Hautes-Contre-Stimmen der damaligen Zeit beschäftigt, zeichnet nun im Reinoldihaus Dortmund im Rahmen der Konzert-Saison des Klangvokal Musikfestivals gemeinsam mit dem 2016 von ihm gegründeten Ensemble a nocte temporis in vier Blöcken die unterschiedlichen Stationen des Ausnahme-Künstlers Pierre de Jéliote nach.

Bild zum Vergrößern

Reinoud Van Mechelen als Interpret mit dem Ensemble a nocte temporis

Eine zentrale Rolle nehmen dabei die Werke von Jean-Philippe Rameau ein, der in der Zeit von 1733 bis 1763 die französische höfische Oper in der Tradition Jean-Baptiste Lullys zu neuer Blüte führte. Dabei kam Rameau erst im Alter von 50 Jahren zur Gattung Oper. Vorher hatte er sich vor allem einen Namen als Musiktheoretiker gemacht. Seine erste Oper, Hippolyte et Aricie, gelangte 1733 zur Uraufführung. Damals war noch Denis-François Tribou der erste Haute-Contre am Haus und sang folglich die Titelpartie des Hippolyte. Jéliote war noch ein unbekannter junger Sänger im zarten Alter von 20 Jahren, der in dieser Oper als Suivant de l'Amour debütierte und direkt für Furore sorgte. Nach der Ouverture und dem "Entrée des habitants de la forêt", bei denen Van Mechelen auch als musikalischer Leiter des Ensembles a nocte temporis fungiert, schlüpft Van Mechelen in die Rolle des Anhängers der Liebe und verkündet die süßen Freuden der Liebe, die den Sieg über alles andere davonträgt. Dabei überzeugt er mit strahlenden Spitzentönen, die er mit enormer Leichtigkeit präsentiert, und lässt nachvollziehen, wieso ein Sänger wie Jéliote damals das Publikum begeistert haben muss. Es folgt eine Arie aus Les fêtes Grecques et Romaines von François Colin de Blamont, die dieser extra für eine Wiederaufnahme der Oper 1733 für Jéliote in die Oper eingefügt haben soll. Mit der Arie der Magie aus dem Prolog der Oper Scanderberg von François Rebel und François Francoeur zwei Jahre später katapultierte sich Jéliote dann endgültig an die Spitze des Hauses.

Bild zum Vergrößern

Reinoud Van Mechelen als Nymphe Platée

Im zweiten Block vor der Pause präsentiert Van Mechelen Arien, die Jéliote dann in den Jahren von 1735 bis 1750 interpretiert hat. Auch hier dürfen natürlich bedeutende Kompositionen von Rameau nicht fehlen. Zu nennen ist hier zunächst die Arie des Mercure aus Les fêtes d'Hébé, Jéliotes erste Hauptrolle. Van Mechelen begeistert bei der Präsentation mit kraftvollen Höhen, die den göttlichen Charakter der Figur unterstreichen. Für die Arie der Nymphe Platée aus Rameaus gleichnamiger Oper verwandelt sich Van Mechelen sogar auf der Bühne. Mit Ohrringen, einem übergeworfenen roten Kleid, einem Pelzkragen und einem Hut mimt er auch darstellerisch mit großartiger Komik die hässliche Nymphe, die sich für unendlich schön hält und glaubt, selbst von den Göttern begehrt zu werden. Auch stimmlich wechselt Van Mechelen von dem hehren, heldenhaften Ton eines Mercure oder Dardanus in Rameaus gleichnamiger Oper zu einer Karikatur eines komischen Charakters. Anschließend zeigt Van Mechelen, dass Jéliote nicht nur als Sänger, sondern auch als Komponist erfolgreich war. Aus der 1746 in Versailles erfolgreich uraufgeführten Komödie Zélisca präsentiert er eine glanzvolle Ariette, die Jéliote als Zwischenspiel in die Komödie eingefügt hatte. Auch hier begeistert Van Mechelen mit großem Spielwitz.

Bild zum Vergrößern

Reinoud Van Mechelen als musikalischer Leiter des Ensembles a nocte temporis

Nach der Pause folgt im dritten Block ein Streifzug durch die letzten Jahre an der Oper bis 1755. Den Anfang macht eine Arie des römischen Kaisers Trajan, der in Rameaus Oper Le temple de la Gloire eine Hymne an die Natur anstimmt. Hier werden explizit die Vögel angesprochen, die mit ihrem Gesang die Konzerte verschönern. Die beiden Traversflöten übernehmen dabei einen dominanten Part und untermalen lautmalerisch wunderbar das pittoreske Zwitschern der Vögel. Van Mechelen findet sich in diesen harmonischen Klang mit weicher Stimmführung ein. Dazwischen überzeugt er auch immer wieder als musikalischer Leiter des präzise abgestimmten Ensembles a nocte temporis. Es ist bewundernswert, wie er diese Doppelrolle über zwei Stunden und 15 Minuten mit großer Konzentration ausführt. Nach der berühmten Klage des Castor aus Rameaus Oper Castor et Pollux begibt sich Van Mechelen musikalisch in die Heimat Jéliotes. Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville hat für Jéliote in languedokischer Sprache die Pastorale Daphnis et Alcimadure komponiert, aus der Van Mechelen zwei Arien mit feinfühligem Timbre präsentiert.

Doch auch nach seinem Abschied von der Oper ist Jéliote gelegentlich bis in die 1760er Jahre noch aufgetreten. Auszüge aus dieser Zeit gibt es dann im letzten Block des Abends. Hier präsentiert Van Mechelen zwei großartige Monologe aus Pierre-Montan Bertons Érosine und Jean-Benjamin de la Bordes Ismène et Isménias. Während bei diesen beiden Werken noch belegt ist, dass Jéliote in der Uraufführung den Zamnis bzw. den Isménias gesungen hat, ist Rameaus letzte Oper Les Boréades sicherlich nicht mehr mit Jéliote zur Uraufführung gekommen. Die Proben, bei denen Jéliote 1763 noch als Abaris beteiligt waren, wurden bereits nach einem Monat abgesagt. Vermutlich hat er bei diesen Proben aber die beiden Arien "Charmes trop dangereux" und "Que l'amour embellit la vie" noch gesungen. Eine komplette Aufführung der Oper hat es in den 1760er Jahren nicht mehr gegeben. Die folgte erst 1975 konzertant in London, vielleicht auch schon einmal in den 1770er Jahren in Lille. Van Mechelen rundet mit diesen beiden Arien und drei kurzen Instrumentalstücken gemeinsam mit dem Ensemble a tempore noctis die Hommage an Jéliote wunderbar ab und erntet zu Recht großen Beifall.

Nach diesem Kräfte zehrenden Programm gibt es noch eine Zugabe. Dabei greift Van Mechelen noch einmal auf die Oper Les fêtes Grecques et Romaines von François Colin de Blamont zurück, der zum Beginn von Jéliotes Karriere eine Arie für diesen Ausnahmekünstler in diese Oper aufgenommen hatte.

FAZIT

Reinoud Van Mechelen begeistert mit seinem kraftvollen und leuchtenden Haute-Contre und macht mit dem Ensemble a tempore noctis nachvollziehbar, wie ein Ausnahme-Künstler wie Jéliote das damalige Publikum begeistert haben muss.

Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2022

 

Ausführende

Haute-Contre und musikalische Leitung
Reinoud Van Mechelen

a nocte temporis

 

Werke

Jean-Philippe Rameau
Hippolyte et Aricie
Ouverture

Entrée des habitants de la forêt

Arie eines Suivant de l'Amour:
"Plaisirs, doux vainqueurs"

François Colin de Blamont
Les fêtes Grecques et Romaines
Air pour les lutteurs

Air pour les courreurs

Arie eines Grecque:
"Les prix que la gloire présente"

François Rebel & François Francoeur
Scanderberg
Arie der Magie: "Muses, je viens encore

Jean-Philippe Rameau
Les fêtes d'Hébé
Arie des Mercure: "L'objet qui règne dans mon âme"

Charles-Louis Mion
Nitétis
Arie des Agénor: "Fleuve fécond"

Jean-Philippe Rameua
Dardanus
Arie des Dardanus: "Lieux funestes"

Platée
Ouverture

Arie der Platée: "Que ce séjour"

Marche pour la danse

Pierre de Jéliotte
Zélisca
Arie eines jungen Mannes: "Ici les ris et les jeux"

Jean-Philippe Rameau
Le temple de la Gloire
Arie des Trajan:
"Ces oiseaux ar leur doux ramages"

Jean-Marie Leclair
Scylla et Glaucus
Symphonie pour la descente de Vénus

Antoine Dauvergne
Les amours de Tempé
Arie des Daphnis: "Prés fleuris"

Musette en Rondeau

Rigaudon I & II

Jean-Philippe Rameau
Castor et Pollux
Arie des Castor: "Séjour de l'éternelle paix"

Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville
Daphnis et Alcimadure
Arie des Daphnis: "Hélas qui me raméno"

Menuet

Air du pays

Arie des Daphnis: "Poulido pastourélo"

Pierre-Montan Berton
Érosine
Arie des Zamnis:
Ce n'est pas un crime en aimant"

Jean-Benjamin de la Borde
Ismène et Isménias
Arie des Isménias: "Pourquoi cruel amour"

Jean-Philippe Rameau
Les Boréades
Arie des Abaris: "Charmes trop dangereux"

Air andante et gracieux pour Orithie
et ses compagnes

Rigaudon

Entrée des muses

Arie des Abaris: "Que l'amour embellit la vie"

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Klangvokal Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2022 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -