Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Neuburger Kammeroper
18.07.2020 - 26.07.2020


Theatralische Abenteuer

Komische Oper in zwei Akten
Libretto von Johann Wolfgang von Goethe und Christian August Vulpius
für die Neuburger Kammeroper bearbeitet von Annette und Horst Vladar
Musik von Domenico Cimarosa und  Wolfgang Amadeus Mozart
Kammermusikalische Einrichtung von Alois Rottenaicher

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 40' (keine Pause)

Premiere im Stadttheater am 18. Juli 2020
(rezensierte Aufführung: 24.07.2020)

 


 

 

Homepage

 

Grabenkämpfe im Theater

Von Thomas Molke / Fotos: © Neuburger Kammeroper

"Endlich wieder singen," lauten die ersten Worte der Primadonna Fiora d' Esperanza in Theatralische Abenteuer, der neuen Produktion der Neuburger Kammeroper, und damit dürfte sie nicht nur den Künstlerinnen und Künstlern aus der Seele sprechen. Schließlich hat die Covid-19-Pandemie zum Ausfall zahlreicher Veranstaltungen vor und in diesem Festspielsommer geführt. Aber die Neuburger Kammeroper lässt sich auch von einem Virus nicht unterkriegen. Zwar konnte das eigentlich für diesen Sommer geplante Projekt Eine Rosskur von Luigi Ricci nicht umgesetzt werden. Aber Horst und Annette Vladar haben eine Alternative gefunden, die keineswegs den Namen "Ersatz" verdient. Die komische Oper Theatralische Abenteuer, die nun auf dem Spielplan steht, passt genau ins Konzept, das die Neuburger Kammeroper seit mittlerweile fünf Jahrzehnten verfolgt. So hätte es nicht verwundert, wenn diese Produktion auch ohne Covid-19 auf dem Spielplan gestanden hätte. Lediglich die erforderlichen Hygiene- und Abstandsregeln führen dazu, dass man als Zuschauer nicht ganz vergessen kann, dass man sich immer noch in einer Ausnahmesituation befindet. So dürfen nur knapp 70 Karten vergeben werden, die Besucher müssen in festen Zeit-Slots zu ihren Plätzen geführt werden und werden nach der Vorstellung in festgelegter Reihenfolge aus dem Theater geleitet. Aber was tut man nicht alles für die Kunst? Und die ist es in diesem Jahr in Neuburg auch wieder wert, weil die Inszenierung zumindest für 100 pausenlose Minuten die immer noch ernste Lage vergessen lässt.

Bild zum Vergrößern

Scribaccio (Patrick Ruyters, links) präsentiert dem Theaterdirektor Fanfarone (Joachim Herrmann, Mitte) die neue Sängerin Fiora d' Esperanza (Ines Vinkelau).

Das Stück basiert auf dem Intermezzo L'impresario in angustie (Der Theaterdirektor in Nöten) von Domenico Cimarosa mit einem Libretto von Giuseppe Maria Diodati, das 1786 in Neapel uraufgeführt worden war und das Goethe ein Jahr später bei seinem Italienaufenthalt in Rom in der komischen Oper erlebte. Der deutsche Dichter fühlte sich derart gut unterhalten, das er das Stück mit nach Deutschland brachte und 1791 als Theaterleiter des Hoftheaters in Weimar in einer deutschen bearbeiteten Fassung unter dem Titel Theatralische Abenteuer auf den Spielplan stellte. Ein paar Jahre später baute er die Theatralischen Abenteuer zu einer zweiaktigen komischen Oper aus und ließ seinen Schwager Christian August Vulpius Teile aus Mozarts Frühwerk Der Schauspieldirektor einfügen. In dieser Version erlebte das Stück 1797 seine Premiere und hielt sich bis mindestens 1810 im Repertoire. Mit dieser Fassung arbeitet auch die Neuburger Kammeroper, wobei der musikalische Leiter Alois Rottenaicher eine Kammerfassung erstellt hat, die mit zehn Musikerinnen und Musikern auskommt. Für mehr Personen ist in Zeiten von Corona im Orchestergraben des Theaters kein Platz.

Bild zum Vergrößern

Raffina Spumante (Laura Faig, rechts) und Valora d' Abruzzo (Denise Felsecker, Mitte) erklären dem Komponisten Polidoro (Goran Cah), wie sie sich ihre Rollen vorstellen.

Erzählt wird die Geschichte der Theatertruppe des Direktors Fanfarone, die gerade eine neue Oper vorbereitet. Dabei gibt es allerdings zahlreiche Probleme. Die beiden am Haus engagierten Sängerinnen Valora d' Abruzzo und Raffina Spumante buhlen mit recht unlauteren Mitteln um die Gunst des Theaterdichters Scribaccio und des Musikdirektors und Komponisten Polidoro, um die Rolle der Primadonna zu ergattern. Dass mit Fiora d' Esperanza nun auch noch eine dritte Sängerin eintrifft, macht die Situation nicht einfacher, zumal sich herausstellt, dass Fiora und Polidoro einst ein Liebespaar waren und sich gegenseitig Untreue vorwerfen. Scribaccio und Fanfarone verlieben sich ebenfalls in Fiora, was die Wut der anderen beiden Sängerinnen und die Eifersucht Polidoros noch steigert. So droht alles ein totales Fiasko zu werden, zumal Fanfarone pleite ist und er weder die Gagen noch das Bühnenbild oder die Kostüme für eine Aufführung finanzieren kann. Schon will ein jeder seiner Wege gehen, als Fanfarone Polidoro einen Brief Fioras zeigt, in dem sie Fanfarones Werben zurückweist und ihm gesteht, dass sie einzig Polidoro liebe. Polidoro, der als einziger finanziell gut gestellt ist, übernimmt das Theater als neuer Direktor, engagiert Fanfarone als Buffo-Bariton, und alle söhnen sich aus Liebe zur Kunst aus, so dass die neue Oper nun doch zur Aufführung gelangen kann.

Bild zum Vergrößern

Ende gut, alles gut: von links: Valora d' Abruzzo (Denise Felsecker), Scribaccio (Patrick Ruyters), Fiora d' Esperanza (Ines Vinkelau), Orestes (Horst Vladar), Polidoro (Goran Cah), Raffina Spumante (Laura Faig) und Fanfarone (Joachim Herrmann)

Horst Vladar, der nicht nur für die Inszenierung verantwortlich zeichnet, sondern auch die sehr treffende Rolle des Theaterfaktotums Orestes übernommen hat, überzeugt wie immer mit einer liebevollen Personen-Regie, die die Figuren zwar mit allen ihren kleinen Schwächen zeichnet, sie dabei aber nie der Lächerlichkeit preisgibt. Wenn Orestes, der von allen herumkommandiert wird, ganz nebenbei den Satz fallen lässt, dass die neue Sängerin die falschen Männer becircen würde und sich eigentlich mit ihm gut stellen müsse, um Erfolg zu haben, muss man als Zuschauer schon schmunzeln. Michele Lorenzini hat mit zahlreichen Details eine Bühne entworfen, die das Theater mit allen seinen kleinen Nöten zeigt. Versatzstücke von Bühnenelementen deuten an, dass alles noch im Fluss ist. Hinter dem Vorhang befindet sich ein Prospekt, der den leeren Zuschauerraum des Neuburger Stadttheaters zeigt. Viel mehr Aktualität braucht es eigentlich gar nicht. Etwas unter geht leider der sehr treffliche Spruch auf dem zu Beginn geschlossenen Theatervorhang im Bühnenhintergrund, den man leider nur spiegelverkehrt lesen kann: "Ernst das Leben, heiter die Kunst". Dieser Ausspruch könnte für die momentane Situation und diese Inszenierung nicht besser gewählt sein.

Bild zum Vergrößern

Zickenkrieg der besonderen Art: Raffina Spumante (Laura Faig, vorne) und Fiora d' Esperanza (Ines Vinkelau, hinten)

Das Ensemble punktet auf ganzer Linie. Da ist zunächst Ines Vinkelau als Fiora d' Esperanza zu nennen, die in diesem Jahr zum zweiten Mal auf der Bühne der Neuburger Kammeroper steht. Mit rundem Sopran und strahlend ausgesungenen Höhen begeistert sie auch durch große Textverständlichkeit. Darstellerisch macht sie mit selbstbewusstem Spiel deutlich, dass Fiora sich für die Primadonna hält, der die anderen Damen nicht das Wasser reichen können. Doch Laura Faig macht ihr als Raffina Spumante mit hellen Spitzentönen klar, dass sie sich nur nicht zu viel einbilden darf. Das Duell, das die beiden Damen sich kurz vor Ende des Stückes in einem koloraturreichen Duett liefern, dürfte zu einem der musikalischen Höhepunkte des Abends zählen. Denise Felsecker rundet als Valora d' Abruzzo mit sattem Mezzosopran das Damentrio ab und setzt bei ihrem Charakter eher auf dramatische Momente. Dabei macht sie aber ebenfalls mit frechem Spiel deutlich, dass man sich auch mit dieser Dame nicht anlegen möchte. Da ist es kein Wunder, dass der Theaterdirektor Fanfarone schließlich verzweifelt aufgibt. Joachim Herrmann gestaltet diese Partie mit großem, komödiantischem Potenzial.

Patrick Ruyters ist für Michael Hoffmann eingesprungen und hat die Partie des Theaterdichters Scribaccio übernommen. Er begeistert mit solidem Bariton und vollem Körpereinsatz, wenn er auf der Jagd nach einer der Sängerinnen gekonnt über einen Stuhl stolpert und zu Boden geht. Goran Cah rundet als etwas mimosenhafter Komponist Polidoro das Ensemble mit einem geschmeidigen Tenor ab. Während die Flucht vor den Umarmungen des Theaterdirektors auch ohne Corona durchaus nachvollziehbar gewesen wäre, bleibt es aber beim Happy End zwischen ihm und Fiora dann doch "nur" beim Handkuss. Alois Rottenaicher leitet die Mitglieder des Akademischen Orchesterverbandes München e. V. mit sicherer Hand, und auch die Musiker verbeugen sich am Ende auf der Bühne. Die Zuschauer setzen mit großer Begeisterung alles daran, beim Applaus die zahlreichen leeren Plätze vergessen zu lassen, und beinahe gelingt es ihnen auch.

FAZIT

Horst Vladar und dem Ensemble gelingt es, das Publikum einen Moment die doch sehr ernste Situation vergessen zu lassen und - wie es in Theatralische Abenteuer heißt - "ins Traumland" zu führen.

Zur Übersicht



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alois Rottenaicher

Inszenierung
Horst Vladar

Bühnenbild
Michele Lorenzini

 

Mitglieder des Akademischen
Orchesterverbandes München e. V.


Solisten

Fanfarone, Direktor einer Schauspielertruppe
Joachim Herrmann

Scribaccio, Theaterdichter
Patrick Ruyters

Polidoro, Musikdirektor und Komponist
Goran Cah

Fiora d' Esperanza, Sängerin
Ines Vinkelau

Valora d' Abruzzo, Sängerin
Denise Felsecker

Raffina Spumante, Sängerin
Laura Faig

Orestes, Theaterfaktotum
Horst Vladar

 


Zur Homepage der
Neuburger Kammeroper




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2020 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -