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Klavierfestival Ruhr 2017

Essen, Philharmonie, 3. Juli 2017



Rudolf Buchbinder
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Klavierfestival Ruhr

Im Beethoven-Universum

Von Stefan Schmöe

Über 50mal hat Rudolf Buchbinder, so steht's im Programmheft, sämtliche 32 Klaviersonaten Ludwig van Beethovens als Zyklus aufgeführt, besitzt 39 Partituren davon und betreibt Quellenforschung. Nicht, dass er nicht auch andere Komponisten spielen würde, aber Beethoven bildet den Kern seines Repertoires. Bei seinem Konzert im Rahmen des Klavierfestival Ruhr spielt er: Beethoven, nichts als Beethoven, die Zugaben eingeschlossen. Dunkelblauer Anzug, weißes Hemd und Krawatte; unprätentiöses, sachlich-nüchternes Auftreten, keine großen Gesten, aber der Eindruck außerordentlicher Konzentration: Rudolf Buchbinder erscheint als ein Beethoven-Verwalter im besten Sinne.

Seine stupende Virtiuosität setzt Buchbinder fast barsch ein, nimmt Läufe und Triller gerne in aberwitzigem Tempo, dass das Ohr kaum noch mitkommt, wodurch aber auch die Konturen schon mal verwischen. Überhaupt hat der Pianist es eilig, nichts da mit ruhiger Abgeklärtheit des Alters (immerhin ist der Pianist 70 und konzertiert seit mehr als 50 Jahren). Es ist aber weniger Sturm und Drang als eine unruhig mechanische Motorik, die die Musik antreibt. Buchbinder weiß genau, wohin Beethoven will (und damit auch er selbst), hat die Architektur verinnerlicht und schreitet mit einer gewissen Ungeduld voran. Das Spiel hat ungemein viel Energie, der Anschlag ist kraftvoll. Dabei kommt es immer wieder vor, dass er urplötzlich Sforzato-Töne im Bass überlaut anschlägt, dass man erschrocken auffahren möchte.

Muss man sich in diesen Stil erst einhören, oder brauchte Buchbinder tatsächlich die ersten drei Sätze der C-Dur-Sonate op.2/3, um auf das höchste Level zu gelangen? Die Musik klingt ein wenig wie am Reißbrett entworfen, interessant in den Details, aber auch eine Spur konstruiert. Erst im Finalsatz fügen sich die einzelnen Elemente, so die Wahrnehmung, zu einer "runden" Interpretation zusammen, die den an Haydn orientierten, aber schon typischen Beethoven-Stil verdeutlicht. Über den unromantischen Ansatz bei der Pathetique lässt sich sicher diskutieren. Die Kontraste zwischen dem recht langsam genommenen Grave und dem auch hier etwas hektischen Allegro-Abschnitten sind groß und von einer gewissen pädagogischen Deutlichkeit. Buchbinder interessiert mehr die Form und Architektur als der emotionale Gehalt. Es bleibt eine Distanz.

In der G-Dur-Sonate Nr. 10 op.14 Nr.2 schleicht sich Buchbinder mit entwaffnender Nonchalance in die Sonate hinein, nimmt das Sechzehntelmotiv, dem die schwere Taktzeit fehlt, sehr nebensächlich, fast improvisatorisch frei, sodass sich der Sonatensatz erst nach und nach entwickelt. Es bleibt ein ständiges "als ob", ein spielerischer, gleichzeitig ungeheuer komplexer Gegensatz zur dramatischen (zur gleichen Zeit entstandenen) Pathetique. Den Mittelsatz nimmt er sehr trocken, mit einer gehörigen Spur Ironie, das Finale gewichtiger, als es die Satzbezeichnung "Scherzo" und die vermeintlich harmlose Gestalt suggerieren. Es liegt etwas Unheimliches über dieser Sonate mit ihrer verspielten, schon beinahe biedermeierlichen Fassade.

Zum Schluss dann die Waldstein-Sonate mit ihren drängenden Akkordrepetitionen am Beginn, von Buchbinder in fahles Licht getaucht, aber sofort sehr präsent (auch hier gilt: keine falsche Romantik) und in den Modulationen mit Lust am Überraschungseffekt. Buchbinder entwickelt große, nach vorne drängende Spannung (das Tempo ist aber durchaus kontrolliert). Im Mittelsatz findet der Pianist dann doch einmal zu großer Ruhe, als sei er im Auge des Orkans angekommen, bevor das Rondo wieder unbarmherzig Fahrt aufnimmt - eine faszinierende Interpretation.

Als Zugaben dann noch mehr Beethoven: Zunächst das Rondo-Finale aus der Sonate Nr. 17 in d-Moll op. 31/2 Der Sturm, von der man natürlich gerne auch die beiden ersten Sätze gehört hätte (was freilich jede Zugabe gesprengt hätte), und zum Abschluss das Presto-Finale aus der Sonate Nr. 6 in F-Dur op. 10/2, mit unbestechlicher Präzision dargeboten. Bis zum letzten Ton scheint Buchbinder zu sagen:So, genau so muss es sein. Der Mann kennt seinen Beethoven.




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Klavierfestival Ruhr 2017
Essen, Philharmonie
Alfried-Krupp-Saal
3. Juli 2017


Ausführende

Rudolf Buchbinder, Klavier



Programm

Ludwig van Beethoven:

Sonate Nr. 3 C-Dur op.2/3

Sonate Nr. 8 c-Moll op. 13
"Pathetique"


- Pause -


Sonate Nr. 10 G-Dur op.14,2

Sonate Nr. 21 C-Dur op.51
"Waldstein-Sonate"


Zugaben:

Ludwig van Beethoven:

Sonate Nr. 17 d-Moll op.31/2
Der Sturm
3. Satz "Allegretto"

Sonate Nr. 6 F-Dur op.10/2
3. Satz "Presto"



Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Klavierfestival Ruhr
(Homepage)








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