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Europäisches Festival der Laute
Füssen, 15. bis 18. Juni 2017


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Europäisches Festival der Laute

Internationale Begegnung der Lautenisten in Füssen

Text und Fotos von Ingo Negwer

Die Stadt Füssen war im 16. Jahrhundert ein Zentrum des Lautenbaus. Berühmte Instrumentenbauer, wie beispielsweise die Tieffenbrucker, stammten aus der Stadt im Allgäu. Das Museum im ehemaligen Kloster St. Mang bewahrt Originalinstrumente in beachtlicher Zahl auf. Da war es naheliegend, dass die Deutsche Lautengesellschaft zu einem "Europäischen Festival der Laute" nach Füssen eingeladen hatte. Geboten wurde ein prall gefülltes viertägiges Programm mit wissenschaftlichen Vorträgen, einem Interpretationskurs mit Peter Croton (Basel), einer internationalen Verkaufsausstellung und zahlreichen Konzerten. Festivalleiter Oliver Holzenburg sorgte mit weiteren ehrenamtlichen Helfern aus den Reihen der Lautengesellschaft, unterstützt von Mitarbeitern des Museums, mit großem Engagement für einen weitgehend reibungslosen Ablauf.


Vergrößerung in neuem Fenster Sigrun Richter

Sigrun Richter eröffnete im Kaisersaal des Klosters den Konzertreigen mit Kompositionen von Esaias Reusner dem Jüngeren, Jean Mercure und François Dufaut. Die barocken Werke wusste sie mit der für den französischen Stil charakteristischen Eleganz und Leichtigkeit darzubieten. Anschließend entführten die australische Sopranistin Roberta Diamond und der österreichische Tenor Benedikt Blaschek ihr Publikum in das elisabethanische Zeitalter. Sie interpretierten Lieder von John Dowland, John Danyel und Thomas Morley. Mit unaufdringlich schlanken Stimmen wussten beide gleichermaßen zu überzeugen. Überzogene Theatralik ist ihnen fremd. Stattdessen stand der poetische Liedtext stets im Vordergrund. Der britische Lautenist Sam Brown war ihnen ein aufmerksamer Begleiter und bestach darüber hinaus mit schönen Solobeiträgen auf seinem siebenchörigen Instrument.

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Benedikt Blaschek, Sam Brown, Roberta Diamond (v.l.n.r.)

Am Freitagabend stellte Anthony Bailes eine anonyme Partie F-Dur aus der Kalivoda Handschrift vor. Das Faksimile dieses in Prag entstandenen Manuskripts mit Werken für Barocklaute und Mandora wurde kürzlich von der Deutschen Lautengesellschaft herausgegeben. Zwei Präludien in Gestalt französischer Ouvertüren des Salzburger Hof-Kapellmeisters Matthias Sigismund Biechteler schlossen sich an, ehe mit Johann Sebastian Bachs Sonata a-Moll BWV 1003 der abschließende Höhepunkt folgte. In der Bearbeitung von Gusta Goldschmidt und Anthony Bailes scheint das ursprünglich für Solovioline komponierte Werk der Barocklaute geradezu auf den Leib geschneidert zu sein. Dieser Eindruck wurde in erster Linie durch das Spiel von Anthony Bailes erweckt. Mit in sich ruhender Souveränität, feiner Klangregie und einer exzellenten, niemals vordergründigen Virtuosität ließ der in der Schweiz lebende britische Lautenist keinen Zweifel aufkommen, dass er nach wie vor zu den größten seiner Zunft zählt.


Vergrößerung in neuem Fenster Anthony Bailes

Mit Musik aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellte sich Vinícius Perez vor. Auf dem Programm standen zwei Sonaten von Bernhard Joachim Hagen und eine Sonata "del Sigr. Kleinknecht". Der in Rio de Janeiro geborene junge Lautenist verfügt sowohl über die spieltechnischen Fähigkeiten als auch das stilistische Feingefühl, um die galanten Spätwerke der Lautenliteratur adäquat zu gestalten, die leider immer noch im Schatten der Kompositionen eines Silvius Leopold Weiss oder Johann Sebastian Bachs stehen. Nicht nur Hagens empfindsam düstere Sonate c-Moll, sondern auch jene heiterere in Es-Dur wartet mit so mancher melodischer und harmonischer Überraschung auf. Schade, dass nach dem ausverkauften Konzert von Anthony Bailes viele Stühle im Kaisersaal leer blieben. Vinícius Perez war für mich die Entdeckung des Lautenfestivals. Er beendete seine exzellenten Darbietungen mit Thème de Mozart varié von Christian Gottlieb Scheidler. Die Variationen über die Champagner-Arie sind zwar hochvirtuose Magerkost in Gestalt einer Zirkusattraktion, doch hörte man auch hier den Artisten gern. Bravo!

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Vinícius Perez

In den letzten Jahren rückte zunehmend ein Instrument in den Fokus der Lautenisten, das bislang eher im Schatten der Barocklaute stand, obwohl es im 18. Jahrhundert insbesondere im süddeutsch-österreichischen und böhmischen Gebiet weit verbreitet gewesen zu sein scheint: die Mandora. Sie stand im Mittelpunkt des Konzerts von Gábor Tokodi, der am Samstagabend anonyme Werke aus ungarischen und slowakischen Quellen sowie die Sonate a-Moll von Giuseppe Antonio Brescianello spielte. Das Mandora ist ähnlich wie die moderne Gitarre gestimmt und hat im Unterschied zur Barocklaute nur sechs bis acht Chöre. Entsprechend ist ihre Musik weniger komplex und im Sinne des Rokoko-Ideals von natürlicher Schlichtheit. Auch ein volkstümliches Idiom war unüberhörbar. Tokodis Darbietungen waren ein gelungenes Plädoyer für die Mandora und ihr Repertoire.


Vergrößerung in neuem Fenster Gábor Tokodi

Den zweiten Teil des Abends gestaltete das Pacoloni-Ensemble mit Lautenquartetten und -trios aus dem Thysius-Lautenbuch. Das Programm gab einen Einblick in die vielfältigen musikalischen Interessen des niederländischen Bürgertums um 1600. Italienische Passamezzi und Gagliarden wurden ebenso zum eigenen Ergötzen gespielt, wie französische Chansons oder die niederländische Nationalhymne "Wilhelmus van Nassowen". Ähnlich den Gamben oder Blockflöten verwendete man auch im Lauten-Consort Instrumente verschiedener Baugrößen vom Diskant bis zum Bass. Leider gelang es Franco Fois, Roberto Gallina, Roberto Cascio und Marzio Mattelio - am Schlagwerk unterstützt von Giovanni Tufano - nicht immer, zu einem homogenen Ensembleklang zu finden. So manches Abstimmungsproblem trübte den Gesamteindruck.

Das Festival bot eine Fülle an Konzerten. Meistens fanden je zwei zur gleichen Zeit statt, so dass hier nur von einer Auswahl berichtet werden kann. Darüber hinaus gab es zahlreiche Vorträge zur Laute und den ihr verwandten Instrumenten. Taro Takeuchi zeigte die Entwicklung der Schlagtechniken (Rasgueado) auf der Barockgitarre vom 17. bis ins späte 18. Jahrhundert auf. Er ergänzte seine Erläuterungen mit versiert dargebotenen praktischen Beispielen auf einem Originalinstrument. Andreas Schlegel gab einen Überblick über die Lautentypen im deutschsprachigen Raum. Seine Ausführungen machten erneut deutlich, dass die Fragen der instrumentenkundlichen Typologie immer noch nicht erschöpfend beantwortet sind. Darüber hinaus standen am Samstagnachmittag im Kaisersaal drei Kinder- und Familienkonzerte auf dem Programm.

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Europäisches Lautenorchester

Zum Abschluss spielte - besser kann eine Dramaturgie nicht sein - das Europäische Lautenorchester Kompositionen von Michael Praetorius, John Dowland, Robert Ballard, Alessandro Piccinini sowie Werke anonymer Meister. Mehr als zwanzig Renaissancelauten in A- und G-Stimmung, eine Basslaute, je zwei Arciliuti und Colascioni, acht Theorben, Barockgitarren und Cistern formierten sich zu einem prächtigen, farbenreichen Klangkörper, der von Gian Luca Lastraioli mit präziser Zeichengebung differenziert geleitet wurde. Als der letzte Akkord nach gut einer Stunde verklungen war, bedankte sich das Publikum in der bis auf den letzten Platz gefüllten Evangelischen Christuskirche mit lang anhaltendem Applaus.




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15. bis 18. Juni 2017
Europäisches Festival der Laute

Die Konzerte:

Donnerstag, 15. Juni

20.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
Neue Lautenfrüchte - Les Accords extraordinaires
Sigrun Richter (Barocklaute)

20.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Colloquium
Luytslagers te Leyden
Ciska Mertens (Renaissancelaute)

21.15 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
Privatly composed for your Delight
Sam Brown (Renaissancelaute) & Members
of DOWLAND WORKS

21.15 Uhr, Barockkloster St. Mang, Colloquium
Ensemble Musica ex Tempora


Freitag, 16. Juni

20.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
Anthony Bailes (Barocklaute)
20.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Colloquium
Stefan Besan (Violine)
Vasily Antopov (Barocklaute, Gitarre)

21.15 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
The Galant Lute
Vinicius Perez (Barocklaute)

21.15 Uhr, Barockkloster St. Mang, Colloquium
Duo Piccolo e Grande
Enzo Puzzovio (Mandoline, Drehleier)
Stewart McCoy (Theorbe)


Samstag, 17. Juni

15.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
Max und die Laute
Florian Müller

16.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
Kinder spielen für Kinder

20.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
Harmonie der Kontraste
Gábor Tokodi (Mandora)

20.00 Uhr, Barockkloster St. Mang, Colloquium
The English Galant
Sara Stowe (Sopran)
Matthew Spring (12-chörige Laute, English Guitar)

21.15 Uhr, Barockkloster St. Mang, Kaisersaal
Musik aus dem Thysius Lautenbuch
Pacoloni Ensemble

21.15 Uhr, Barockkloster St. Mang, Colloquium
Music of Nicolas Vallet
Philip Rukovina (10-chörige Laute)


Sonntag, 18. Juni

17.00 Uhr, Evang. Christuskirche
Europäisches Lautenorchester
Leitung: Gian Luca Lastraioli


Das Europäische Festival der Laute -
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Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
www.lautenfestival.de
(Homepage)




Da capo al Fine

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