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Bregenzer Festspiele

19.07.2017 - 20.08.2017


Mosè in Egitto (Moses in Ägypten)

Tragisch-sakrale Handlung in drei Akten
Libretto von Andrea Leone Tottola
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Koproduktion mit der Oper Köln

Premiere im Festspielhaus am 20. Juli 2017

 

 

 

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Biblischer Stoff mit überwältigenden Video-Projektionen

Von Thomas Molke / Fotos: © Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Rossinis Mosè in Egitto gehört wie Maometto II zu den italienischen Opern, die der Schwan von Pesaro für die Pariser Oper umarbeitete. Als er seinen Mosè allerdings 1827 als Grand opéra unter dem Titel Moïse et Pharaon herausbrachte, hatte das zur Folge, dass die italienische Fassung zu einer bloßen Vorstufe der großen französischen Oper degradiert wurde und deshalb lange Zeit keine Beachtung mehr fand. Vielleicht war es auch der Tatsache geschuldet, dass Rossini selbst bei seinem Mosè von keiner Oper sondern von einem Oratorium sprach, bei dem er, wie er seiner Mutter in einem Brief 1818 schrieb, nicht sicher sei, ob "diese Makkaronifresser es verstehen werden". Auch die berühmte Preghiera "Dal tuo stellato soglio", die zum absoluten Hit avancierte und in der Popularität in etwa mit Verdis knapp ein Vierteljahrhundert später uraufgeführtem Gefangenenchor aus Nabucco verglichen werden kann, wurde erst ein Jahr nach der Uraufführung in das Stück eingefügt. In den letzten Jahren werden wieder Versuche unternommen, das Publikum von der dramatischen Kraft, die in der 1819 für Neapel revidierten Fassung inklusive der Preghiera steckt, zu überzeugen und das oft unterschätzte, musikalisch aber gewaltige Opus zu rehabilitieren. Nach Bad Wildbad im Jahr 2006 und Pesaro 2011 bringt man das Werk nun auch bei den Bregenzer Festspielen im Festspielhaus zur Aufführung.

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Verbotene Liebe: Elcia (Clarissa Costanzo) und Osiride (Sunnyboy Dladla)

Neben der bekannten Geschichte aus dem Alten Testament über den Auszug der Israeliten aus Ägypten mit der Teilung des Roten Meers und der anschließenden Überflutung der Ägypter fügt Rossinis Librettist Andrea Leone Tottola noch eine Liebesgeschichte ein, die aus Francesco Ringhieris fünfaktiger Tragödie L'Osiride stammt, die 1760 in Padua uraufgeführt wurde. Osiride, der Sohn des Faraone, ist heimlich in die Hebräerin Elcia verliebt. Diese Liebe motiviert ihn, seinen Vater immer wieder davon zu überzeugen, die Hebräer nicht ziehen zu lassen und beschwört letztendlich die zahlreichen Plagen über das Volk Ägyptens herauf. Im zweiten Akt entführt Osiride Elcia sogar in ein heimliches Versteck, um sie von einem gemeinsamen Leben an einem anderen Ort zu überzeugen. Doch Elcia bittet ihn, auf sie zu verzichten, und bietet sogar ihren eigenen Tod für die Freiheit der Hebräer an, was Osiride derart erzürnt, dass er Mosè umbringen will. Bei diesem Versuch wird er jedoch von einem Blitzschlag tödlich getroffen. Nun will Faraone Rache für den Tod des Sohnes und verfolgt mit seinem Volk die Hebräer bis ans Ufer des Roten Meers. Nach einem bewegenden Gebet der Hebräer teilt sich das Meer und gewährt ihnen den Durchgang, während die sie verfolgenden Ägypter von den zurückkehrenden Fluten in den Tod gerissen werden.

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Die Ägypter leiden, weil Faraone (Andrew Foster-Williams, zweiter von rechts) und Osiride (Sunnyboy Dladla, rechts) Mosè (Goran Jurić, Mitte) und die Hebräer nicht ziehen lassen wollen.

Wichtiger Bestandteil der Inszenierung ist das Theaterkollektiv Hotel Modern, das mit detailreichen Miniaturwelten und kleinen einfach konzipierten Puppen, die auf eine große an einen Globus erinnernde Kugel im Hintergrund oder auf eine Leinwand vor der Bühne projiziert werden, die groß dimensionierten Massenszenen beeindruckend neben die kammerspielartigen Momente des Stückes stellen. Direkt zu Beginn sieht man die Heuschreckenplage, die zwar inhaltlich an dieser Stelle nicht wirklich passt, aber optisch trotzdem ein beeindruckender Moment ist. Anschließend sieht man auf der Leinwand, wie sich ein dunkler Schatten über die als Miniatur angelegte Stadt schiebt und sie im Dunkel versinken lässt. Nun sind wir am Anfang der Oper angekommen. Ein paar Fackeln führen dann in den Saal des Faraone. In der Projektion öffnen sich Türen, die dann den Blick auf den Chor und die Solisten freigeben. Man mag nicht alle Ideen bei diesem Konzept überzeugend finden. So ist es Geschmacksache, ob die Puppenspieler permanent auf der Bühne sichtbar sein und an ihren Bildern arbeiten müssen. Auch wird nicht ganz klar, wieso sie teilweise in den großen Tableaus Standbilder mit den Solisten und dem Chor erstellen. Soll hier ein überirdisches Walten zum  Ausdruck kommen? Alles in allem gelingen ihnen aber beklemmende und hochaktuelle Bilder, wenn sie das Leid in der Stadt darstellen oder die Israeliten auf ihrer Flucht zeigen.

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Amaltea (Mandy Fredrich) beklagt das Schicksal ihres Volkes (auf der rechten Seite: Theaterkollektiv Hotel Modern).

Auch der Blitzschlag, der Osiride trifft, wenn er gerade im Begriff ist, Mosè zu ermorden, wird punktgenau umgesetzt und trifft in der Projektion Osiride im wahrsten Sinne des Wortes. Zwar wundert man sich vielleicht, wieso Mosè dabei unbeschadet bleibt, aber er ist halt ein Mann Gottes. Da kann ihm wohl auch ein Blitz des Herrn nichts anhaben. Die Teilung des Roten Meers und die anschließende Überflutung der Ägypter finden in den Videoprojektionen von Hotel Modern ebenfalls eine überwältigende Umsetzung. Zunächst füllen die Puppenspieler auf der Bühne eine Art Aquarium, das in der Mitte eine Vertiefung hat, mit mehreren Eimern Wasser. Mit diesem Gefäß wird dann in der Projektion die Teilung des Roten Meeres suggeriert. Hierbei wird wieder auf die Leinwand vor der Bühne projiziert, so dass der Chor der Hebräer bei der Preghiera hinter dem Meer steht, dass sich dann für sie öffnet. Der Durchmarsch wird dann mit kleinen Puppen dargestellt, bevor die Ägypter im Hintergrund auftreten. In sprudelnden Wellenbewegungen fließt das Meer zurück und begräbt die Ägypter in Form von kleinen Puppen auf dem Grund des Meeres. Dabei werfen die Puppenspieler von Hotel Modern weitere Figuren in das sprudelnde Wasser, was den Ägyptern ein schreckliches Ende beschert. Von daher wundert man sich beim Schlussapplaus über vereinzelte Unmutsbekundungen für das Regie-Team. War einem Teil des Publikums der Ansatz stellenweise zu konventionell? Die Kostüme und die Bühne von Christof Hetzer sind nämlich recht klassisch gehalten. Die Ägypter tragen weiße lange Gewänder, und Faraone und seine Frau werden mit der Kopfbedeckung historisierend gezeichnet, während die Hebräer in zartes Blau gekleidet sind. Die Drehbühne zeigt eine Art Wüste, auf der einzelne Stege die Stadt andeuten. Die große Weltkugel im Hintergrund dient als Projektionsfläche.

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Die Israeliten auf der Flucht. Mosè (Goran Jurić, links hinten) stimmt die Preghiera an.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Enrique Mazzola lotet mit den Wiener Philharmonikern die dramatischen Momente der Musik mit feinem Gespür aus und und lässt die göttlich gesandten Plagen beeindruckend monumental spürbar werden. Auch für die Gestaltung der einzelnen Charaktere findet er musikalisch immer genau den richtigen Tonfall. Großes leistet auch der von Lukáš Vasilek einstudierte Prager Philharmonische Chor, der sowohl die Ägypter als auch die Israeliten darstellt. Andrew Foster-Williams und Mandy Fredrich begeistern stimmlich und darstellerisch als Faraone und Amaltea. Foster-Williams verfügt über einen dunklen Bass mit einer klaren Diktion, der die Autorität des Herrschers unterstreicht. Fredrich zeichnet seine Gattin mit einem warmen Sopran und überzeugt darstellerisch, wenn sie versucht, ihr Volk vor dem drohenden Unheil zu bewahren. Sunnyboy Dladla hat als Osiride zu Beginn leichte Startschwierigkeiten, verfügt aber im weiteren Verlauf über einen auch die Höhen sauber intonierenden Tenor und bringt die innigen Gefühle des Thronfolgers für die Hebräerin Elcia bewegend zum Ausdruck. Wenn er gemeinsam mit Elcia von einer Zukunft als Hirte träumt, klingt er nahezu lyrisch. Clarissa Costanzo stattet seine Geliebte Elcia mit einem warmen Mezzosopran aus, der in den Höhen große Dramatik besitzt und die Leiden der jungen Frau nachvollziehbar macht. Matteo Macchioni verfügt als Aronne über einen hellen Tenor, der in den Höhen stellenweise zu stark forciert. Goran Jurić stattet die Titelpartie mit einem dunklen Bass aus. Ein musikalischer Höhepunkt ist natürlich die große Preghiera, die von Jurić, Macchioni und Costanzo mit großem Pathos angestimmt und vom Chor mit gleicher Leidenschaft aufgegriffen wird.

Dara Savinova und Taylan Reinhard runden in den kleineren Partien als Amenofi und Mambre das Solisten-Ensemble wunderbar ab, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Diese Inszenierung ist ein gelungener Versuch, Rossinis italienische Fassung des alttestamentarischen Stoffes repertoiretauglich zu machen. Ab April 2018 wird diese Produktion auch in der Oper Köln zu erleben sein.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrique Mazzola

Inszenierung
Lotte de Beer

Bühne und Kostüme
Christof Hetzer

Licht
Alex Brok

Chorleitung
Luká
š Vasilek

Dramaturgie
Peter te Nuyl
Olaf A. Schmitt

 

Theaterkollektiv
Hotel Modern
Hermann Helle
Arlène Hoornweg
Pauline Kalker
Heleen Wiemer

Wiener Symphoniker

Prager Philharmonischer Chor

Statisterie der Bregenzer Festspiele


Solisten

Faraone, Herrscher von Ägypten
Andrew Foster-Williams

Amaltea, seine Gemahlin
Mandy Fredrich

Osiride, Thronfolger
Sunnyboy Dladla

Elcia, Hebräerin und seine heimliche Geliebte
Clarissa Costanzo

Mambre
Taylan Reinhard

Mosè
Goran Juri
ć

Aronne
Matteo Macchioni

Amenofi, Aronnes Schwester
Dara Savinova


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