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Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg

16.07.2016 - 30.07.2016

Il parnaso confuso

Azione teatrale in einem Akt
Libretto von Pietro Metastasio

Musik von Christoph Willibald Gluck (Instrumentierung: Franz Killer)

in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Produktion der Pocket Opera Company

Premiere auf der Sulzbühne im Hans-Kuffer-Park in Berching am 29. Juli 2016


 

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Konfuse Göttergeschichte 

Von Thomas Molke / Fotos: © Christian Eisner

Als vor zwei Jahren der 300. Geburtstag von Christoph Willibald Gluck gefeiert wurde, gab es in der Gemeinde Berching nicht nur ein dreitägiges Barockfest unter dem Titel Glucksmomente, weil der Komponist dort im Ortsteil Erasbach am 2. Juli 1714 das Licht der Welt erblickt hatte. Der Freundeskreis Christoph Willibald Gluck e. V. ermöglichte es auch, im Rahmen der Internationalen Gluck-Opern-Festspiele im Pfarrgarten der St. Lorenzkirche unter freiem Himmel Glucks einaktige Opernserenade Le Cinesi szenisch aufzuführen. Dies löste in der Gegend so große Begeisterung aus, dass man sich überlegte, auch in diesem Jahr im Rahmen der Festspiele ein Werk des berühmtesten Bürgers der Gemeinde zu präsentieren. Da im Oktober 2015 die Sulzbühne im Berchinger Hans-Kuffer-Park fertiggestellt worden war, schien dies der geeignete Ort für eine weitere Freilichtaufführung. Mit der antiken Stadtmauer im Hintergrund und der Sulz, die den Park von der Bühne abtrennt, bietet der Ort ein geeignetes Ambiente. Als Produktionsteam konnte die Pocket Opera Company (POC) gewonnen werden, Deutschlands älteste freie Musiktheatergruppe, die 1974 von Beat Wyrsch und David Seaman in Nürnberg gegründet wurde und seitdem mit Opernbearbeitungen an ausgefallenen Spielorten auf sich aufmerksam macht.

Als Stück wurde Glucks Azione teatrale Il parnaso confuso ausgewählt, eine Oper, die er im Auftrag der Kaiserin Maria Theresia für die Hochzeitsfeierlichkeiten des künftigen Kaisers Joseph II. mit Maria Josepha von Bayern auf ein Libretto komponierte, das Pietro Metastasio extra für diesen Anlass verfasst hatte. Eine Besonderheit des Stückes ist, dass die kaiserliche Familie nicht nur das Zielpublikum darstellte, sondern auch Familienmitglieder als Solisten agierten. So wurden die Gesangspartien von Josephs Schwestern Maria Amalia (Apollo), Maria Elisabeth (Melpomene), Maria Karolina (Erato) und Maria Josepha (Euterpe) übernommen, und Josephs Bruder Leopold leitete das Orchester. Außerdem wurde ein Ballett unter dem Titel Le triomphe de l'Amour mit der Musik von Florian Leopold Gassmann eingefügt, in dem auch die jüngeren Geschwister Maximilian, Ferdinand und Maria Antonia, die spätere Marie-Antoinette, als Amor und als Schäferpaar zum Zuge kamen. Im Rahmen der Feierlichkeiten folgten noch eine weitere Oper von Gassmann unter dem Titel Il trionfo d'Amore und Glucks Telemaco ossia L'isola di Circe, doch obwohl diese beiden letzten Werke mit professionellen Sängerinnen und Sängern aufgeführt wurden, konnten sie nicht an den Erfolg von Il parnaso confuso anknüpfen.

Die Handlung spielt am heiligen Berg Parnass, wo sich die drei Musen Melpomene, Euterpe und Erato die Zeit vertreiben. Plötzlich taucht Apollo auf und erteilt ihnen den Auftrag, für die bevorstehende Hochzeit des Kaisers etwas einzustudieren. Die anfängliche Begeisterung weicht schnell einer gewissen Panik, als die Musen erfahren, dass die Feier schon am nächsten Tag stattfinden soll. Melpomente, die Muse der Tragödie, hat es besonders schwer, da ihre schwermütigen Themen kaum zu einer Hochzeit passen. Sie zieht sich zurück, um in Ruhe etwas Passendes zu erarbeiten. Erato, die Muse der Liebesdichtung, und Euterpe, die Muse des Flötenspiels, geraten darüber in Streit, ob denn nun die Zither oder die Flöte das geeignete Instrument für einen Vortrag bei der Hochzeit darstellt. Noch bevor sie eine Antwort darauf finden, erscheint Melpomene mit einigen Vorschlägen, die von den Schwestern allesamt abgelehnt werden. Schon kommt Apollo zurück, um die Musen zu informieren, dass die Feierlichkeiten sofort beginnen. Die Musen gestehen schuldbewusst, dass sie es nicht geschafft haben, etwas Passendes vorzubereiten. Apollo tröstet sie und teilt ihnen mit, dass schamvolles Erröten aufrichtiger sei als ausgefeilte Redegewandtheit, sofern die ausgedrückten Gefühle nur echt seien. Mit dieser Erkenntnis ziehen die vier los, um das glückliche Paar zu preisen.

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Der Prinz (Klaus Meile) erscheint bei den Musen (von links: Melpomene (Gertrud Demmler-Schwab), Euterpe (Heejoo Kwon), Erato (Lea Müller) und Thalia (Marion Niederländer)) hoch zu Ross.

Beat Wyrsch, der ehemalige Gründer und bis 2007 künstlerische Leiter der POC, der für diese Inszenierung erstmals wieder zur POC zurückgekehrt ist, reichert die recht einfache Geschichte mit weiteren Personen an. So führt er direkt zu Beginn als Sprechrolle eine vierte Muse, Thalia, ein. Auch den künftigen Kaiser Joseph II. lässt er als Prinzen auftreten, der sofort die Aufmerksamkeit der Musen erregt. Während Melpomene, Euterpe und Erato versuchen, ihn mit ihrem Gesang zu beeindrucken, interessiert er sich nur für die stille Thalia, was wiederum Euterpes und Eratos Zorn hervorruft. Als sie ihre Schwester daraufhin schlecht behandeln, verlässt der Prinz mit Thalia den Parnass, um als verkleideter Totengott Thanatos zurückzukehren und die Musen gehörig einzuschüchtern. Während Thalia mit neuem Selbstbewusstsein ihrer Hochzeit entgegensieht, sind die anderen Musen frustriert. Nur mit Mühe kann Apollo sie aufmuntern, so dass sie am Ende die Hochzeit der Schwester in einem Schlussquartett feiern. Im Anschluss gibt es dann noch das Ballett Le triomphe de l'Amour, in dem Apollo Tänzerinnen der Ballettschule Berching als kleine Liebesgötter in der Kunst des Bogenschießens ausbildet, während Erato und Euterpe das Schäferpaar darstellen, das von den kleinen Amoretti zusammengeführt werden soll.

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Apollo (Anna Bürk, Mitte) präsentiert mit den Musen (von links: Euterpe (Heejoo Kwon), Erato (Lea Müller) und Melpomene (Gerdrud Demmler-Schwab)) und der Ballettschule Berching das Divertissement Le triomphe de l'Amour.

Diese leicht konfuse Geschichte erzählt Wyrsch in opulenten Barockkostümen von Evelyn Straulino mit aufwändigen Einfällen. So erscheint der Prinz zunächst hoch zu Ross am Ufer der Sulz und beobachtet die Musen bei ihrem Zeitvertreib. Apollo "fliegt" an einem Seil über den Fluss auf dem Parnass ein, um die Musen über die bevorstehende Hochzeit zu informieren. Auch die Sulz wird als Spielort genutzt. Nach der Pause fährt der Prinz mit Thalia in einer Barke zu den romantischen "Barcarole"-Klängen aus Offenbachs Hoffmanns Erzählungen an der Bühne vor. Unklar bleibt nur, warum sich die Hälfte des Publikums dabei genötigt sieht, die Melodie mitzusummen. Vielleicht ist man von diesem Bild so beeindruckt, dass man sich nicht zurückhalten kann. Geplant ist das nämlich sicherlich nicht, da es die Darsteller sogar beinahe aus dem Konzept bzw. Takt bringt. Mit großem Pomp wird dann auch die Hochzeit inszeniert, wenn der Prinz mit seiner Gattin Thalia in einer Kutsche über die Sulzbrücke bis zum Ufer gefahren wird. Nun hat sich die zuvor eher unscheinbar in einem schlichten weißen Gewand gekleidete Thalia ebenfalls in eine Figur des Hofes verwandelt. Während das Publikum für die Augen also einiges geboten bekommt, wird allerdings nicht ganz klar, wieso Wyrsch Texte von Herbert Achternbusch einfügt, die mit der Geschichte überhaupt nichts zu tun haben. So macht das Gerede darüber, ob Thalia nun Eier oder Melonen lege, überhaupt keinen Sinn und lässt sich mit dem gesungenen italienischen Text ohne Übertitelung in keinen Zusammenhang stellen. Wahrscheinlich wäre es hier klüger gewesen, für Thalia und den Prinzen eigene auf die Szene passende Texte zu verfassen.

Franz Killer, der die musikalische Leitung innehat und die Partitur für das Orchester bearbeitet hat, ergänzt neben der erwähnten "Barcarole" auch noch Auszüge aus Offenbachs Orpheus in der Unterwelt, die zu Beginn des zweiten Teils, wenn sie gewissermaßen als eine Art Potpourri in der Barke präsentiert werden, ein wenig aufgesetzt wirken. Der Wechsel zum berühmten Cancan am Ende der Oper gelingt hingegen sehr gut. Die vier Solistinnen Anna Bürk (Apollo), Gertrud Demmler-Schwab (Melpomene), Heejoo Kwon (Euterpe) und Lea Müller (Erato) meistern ihre Rollen gut, und auch Marion Niederländer als Thalia überzeugt mit ausdrucksstarker Diktion, auch wenn ihre Texte inhaltlich nicht immer verständlich sind. Manchmal bereitet der Ton Schwierigkeiten und führt zu kurzfristigen Ausfällen bei den Funkmikrophonen. Klaus Meile gestaltet den Prinzen herrschaftlich, und die Schülerinnen der Ballettschule Berching gefallen durch große Spielfreude. So gibt es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Die Aufführung kann szenisch durchaus als Spektakel und gelungener Abschluss der diesjährigen Festspiele bezeichnet werden, auch wenn die eingefügten Textpassagen nicht nur für Konfusion auf dem Parnass, sondern auch für Verwirrung und Unverständnis beim Publikum sorgen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Franz Killer

Regie
Beat Wyrsch

Ausstattung
Evelyn Straulino

Leitung Ballett
Julia Koderer
Katharina Schmidt

Dramaturgie
Florian Reichart

 

Orchester der Pocket Opera Company

Ballettschule Berching


Solisten

Apollo
Anna Bürk

Melpomene
Gertrud Demmler-Schwab

Euterpe
Heejoo Kwon

Erato
Lea Müller

Thalia
Marion Niederländer

Der Prinz
Klaus Meile


Weitere
Informationen

erhalten Sie von den
Gluck-Festspielen Nürnberg
(Homepage)



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