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Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg

16.07.2016 - 30.07.2016

Tanz(r)evolutionen

A corps baroque
Ballett von Marie-Geneviève Massé
Musik von François Couperin, Michel de la Barre, Marin Marais, André Dancian Philidor, Marc-Antoine Charpentier und
Jean-Baptiste Lully

Don Juan
Ballett in drei Akten von Ranieri de' Calzabigi und Gasparo Angiolini
Musik von
Christoph Willibald Gluck

Aufführungsdauer: ca. 1 h 30' (eine Pause)

Aufführung im Stadttheater Amberg am 22. Juli 2016


 

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Zurück zu den Anfängen 

Von Thomas Molke / Foto: © Mats Bäcker

Christoph Willibald Gluck gilt nicht nur als Opernreformator. Auch im Tanz hat er eine bedeutende Rolle gespielt und ihn von den damaligen Konventionen eines höfischen Intermezzos befreit. Sein Ballett Don Juan legte einen Grundstein zur Entwicklung des klassischen Handlungsballetts und setzte dem berühmten Schwerenöter schon einige Zeit vor Mozart ein musikalisches Denkmal. Bereits am 17. Oktober 1761 - ein Jahr vor der Uraufführung von Orfeo ed Euridice - verstörte er in einer Choreographie von Gasparo Angiolini und auf ein Libretto von Ranieri de' Calzabigi zwar das Premierenpublikum , zeigte aber damit eine neue Richtung für die Weiterentwicklung des Tanzes auf. Marie-Geneviève Massé gründete 1985 gemeinsam mit Bernard Delattre die Compagnie de Danse L'Éventail, mit der sie sich seitdem auf den Spuren der historischen Tanzforschung bewegt und versucht, für das heutige Publikum historische Tanzkreationen zu rekonstruieren. In barocken Kostümen und mit dem Schuhwerk der damaligen Zeit begibt sie sich mit ihrem Ensemble zurück zu den Anfängen und präsentiert im Rahmen der Internationalen Gluck-Opern-Festspiele Glucks Handlungsballett in "klassischem Ambiente".

Vorangestellt ist dem Abend ihre Choreographie unter dem Titel A corps baroque, in der sich zwei Tänzerinnen zu diversen Einspielungen von Barockmusik allmählich mittels barocker Kleidungsstücke in Figuren des 17. Jahrhunderts verwandeln. Zunächst sieht man Bérengère Bodénan auf einem Hocker stehen. Um die Taille trägt sie ein rechteckiges steifes Konstrukt, das wohl an einen Reifrock erinnern soll. Auf dem Hocker führt sie nun sehr formalisierte Armbewegungen aus, die an die Konventionen des höfischen Tanzes erinnern. Der Versuch, ihre Beine dabei mit einzusetzen, ist aber durch den steifen Rock eingeengt, so dass sie schließlich verzweifelt nach vorn überkippt. Sabine Novel tritt auf und befreit sie aus dem Rock. In schwarzen Probenkostümen bewegen sich die beiden nun über die Bühne. Erst jetzt setzt die Musik ein. Im weiteren Verlauf legen die beiden Tänzerinnen von zwei Kleiderstangen Teile barocker Kostüme an und finden so einen Zugang zum formalisierten Tanz der damaligen Zeit. Ganz am Ende legt Novel Bodénan erneut den rechteckigen Rock um. Nun hat sich Bodénan allerdings mit dem Stil vertraut gemacht und die Barriere zur Vergangenheit überwunden.

Bild zum Vergrößern

Olivier Collin als Don Juan mit Tänzerinnen und Tänzern der Compagnie de Danse L'Éventail

Nach der Pause geht es dann mit Don Juan weiter. Die Geschichte ist an Molières gleichnamiges Drama angelehnt, das fast 100 Jahre zuvor auf die Bühne gebracht worden ist, und weist noch einige Unterschiede zu Mozarts späterer Fassung auf. Don Juans Diener heißt hier Sganarelle und nimmt eine wesentlich unbedeutendere Rolle als Mozarts Leporello ein. Dem Bauernmädchen Zerlina und ihrem Bräutigam Masetto entsprechen hier hier Charlotte und ihr Freund Pierrot. Dabei bandelt Don Juan nicht nur mit Charlotte sondern auch noch mit ihrer Freundin Mathurine an und hat gleich beiden die Ehe versprochen, obwohl er ja noch mit Elvire verheiratet ist. Ana kommt bei Molière zwar noch nicht vor - der Commandeur, der von Don Juan im Duell getötet wird, ist lediglich der Vater einer nicht näher genannten verschmähten Geliebten -, wird bei Massé (auch bei Gluck?) dennoch eingeführt. Auf Ottavio verzichtet Gluck hingegen. Dafür werden mit Angélique und Toinette noch zwei weitere Frauencharaktere eingeführt, die von Don Juan umworben werden. Die Musik wird vom Barockorchester der Hochschule für Musik Trossingen unter der Leitung von Anton Steck beigesteuert. Das ist zwar einerseits angenehm, da der Klang vom Tonträger im Theater immer recht künstlich klingt. Andererseits haben die Bläser allerdings einige Schwierigkeiten, was die Tempi und manchmal auch die richtigen Töne betrifft, so dass sich ein musikalischer Genuss nur bedingt einstellen kann.

Einen absoluten Augenschmaus bieten hingegen die Tänzerinnen und Tänzer der Compagnie de Danse L'Éventail. In zauberhaften Barockkostümen von Olivier Bériot und einem beeindruckenden Lichtdesign von Carlos Perez erwecken sie mit traumhaften Bewegungen eine längst vergangene Zeit des Tanzes zu neuem Leben. Dabei kommen auch die komischen Momente keineswegs zu kurz, für die vor allem Artour Zakirov als Pierrot sorgt. Als selbstverliebter Tölpel stolziert er über die Bühne und scheint sich seiner Charlotte (Adeline Lerme) zu Unrecht allzu sicher zu sein. Etwas unbeholfen kämpft er dann gegen den Charme Don Juans an, der von Olivier Collin im roten Kostüm wunderbar verführerisch angelegt wird. Adeline Lerme und Sarah Berreby betonen als Charlotte und Mathurine, denen Don Juan Versprechungen gemacht hat, mit Mimik und Gestik die recht einfache Herkunft der beiden Bauernmädchen, während Bérengère Bodénan der Doña Ana mit grazilen Bewegungen etwas Unnahbares gibt. Das Programmheft nennt sie auch noch L'amour tragique, wahrscheinlich da die Beziehung zu ihr für Don Juan das Ende heraufbeschwört. Während der Tanz in den Ensembles noch höfisch konventionell wirkt, kommt dann der Bruch in der Duellszene. Ziemlich abrupt kommt es zur Auseinandersetzung mit dem Commandeur (Robert Le Nuz), an deren Ende er erstochen auf der Bühne liegt.

Doch Don Juan scheint von diesem Geschehen relativ unberührt zu sein. Der Tanz geht weiter, und Don Juan macht die nächsten Eroberungen, bis der Commandeur erneut auftritt und ihn einlädt, mit ihm auf dem Friedhof zu dinieren. Sganarelle (Bruno Benne) versucht zwar inständig, seinen Herrn an diesem Vorhaben zu hindern, aber für Don Juan ist diese Herausforderung einfach zu verlockend. Kam die Inszenierung bis jetzt größtenteils ohne Bühnenbild aus, wird nun eine riesige Maske aus dem Schnürboden herabgelassen, die mit einem weit geöffneten Maul den Abstieg in die Unterwelt andeutet. Es folgt das berühmte "Allegro non troppo". Gluck übernahm das Stück später in seine Pariser Fassung von Orphée et Eurydice als "Air des Furies", um Orphées Abstieg und seine Konfrontation mit den Furien zu beschreiben. Das Ensemble tritt nun in feuerroten Gewändern auf, in denen sie Don Juan seiner "gerechten" Strafe zuführen. Leider kann die musikalische Umsetzung hierbei nicht ganz mithalten, so dass teils unsauber angesetzte Hornfanfaren und erneute Probleme bei den Tempi der Szene die Dramatik nehmen. Das können auch die sauber aufspielenden Streicher leider nicht retten. Wenn man über dieses Manko hinwegsieht, gelingt Don Juans Höllenfahrt zumindest szenisch bewegend. Am Ende liegt Don Juan geschlagen auf dem Boden, während die Höllengeister ihre roten Gewänder abwerfen und ihn allein auf der Bühne inmitten der Gewänder (des Feuers?) zurücklassen. Das Publikum belohnt diese Darbietung mit großem Jubel.

FAZIT

Marie-Geneviève Massé macht mit ihrer Compagnie de Danse L'Éventail große Lust, noch tiefer in die Auseinandersetzung mit dem historischen Tanz einzutauchen.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Anton Steck

Choreographie
Marie-Geneviève Massé

Kostüme
Olivier Bériot
Claire Niquet

 

Barockorchester der Hochschule
für Musik Trossingen

Compagnie de Danse L'Éventail


A corps baroque

Tänzerinnen und Tänzer

Bérengère Bodénan
Sabine Novel

 

Don Juan

Bühnenbild
Thierry Bosquet

Lichtdesign
Carlos Perez

Tänzerinnen und Tänzer

Don Juan
Olivier Collin

Elvire
Anne Sophie Berring

Le Commandeur
Robert Le Nuz

Angélique
Sabine Novel

Sganarelle
Bruno Benne

L'amour tragique / Doña Ana
Bérengère Bodénan

Toinette
Irène Ginger

Charlotte
Adeline Lerme

Mathurine
Sarah Berreby

Pierrot
Artour Zakirov


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