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Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
06.08.2016 - 27.08.2016


Le nozze in sogno

Rappresentatione in musica
nach dem Dramma civile von Pietro Susini
Musik von Pietro Antonio Cesti

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause)

Premiere im Innenhof der Theologischen Fakultät in Innsbruck am 19. August 2016
(rezensierte Aufführung in der Aula der Sowi Innsbruck am 21.08.2016)




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Alans Traum

Von Charles Jernigan (Deutsche Bearbeitung von Thomas Molke) / Fotos von Rupert Larl

Fester Bestandteil der Festwochen sind seit mehreren Jahren die Aufführungen des Akademie Projektes BAROCKOPER:JUNG, bei dem junge Preisträger und Preisträgerinnen des Internationalen Gesangswettbewerbs Barockoper Pietro Antonio Cesti zusammen mit dem erfahrenen Tenor Jeffrey Francis eine Oper erarbeiten. In diesem Jahr hat man sich für ein Werk des Namensgebers des Gesangswettbewerbs entschieden: Cestis 1665 uraufgeführte Oper Le nozze di sogno. Damit erfüllt man einen Traum von Alan Curtis, einem amerikanischen Barockspezialisten, der viele Jahre mit den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik zusammengearbeitet hat. Leider ist es ihm nicht vergönnt, dieses Projekt, auf das er lange Zeit hingearbeitet hat, noch mitzuerleben, da er am 15. Juli 2015 in seiner Altersresidenz in Florenz im Alter von 80 Jahren verstorben ist. Aber gerade deshalb haben es sich die Verantwortlichen des Festivals zur Aufgabe gemacht, seinen Wunsch zu erfüllen, und widmen ihm nicht nur im Programmheft diese Aufführung, sondern setzen die 13 Musiker des Ensemble Innsbruck Barock in ein Boot, das den Namen "Alan" trägt. Das Boot passt auch deshalb ins Stück, da die Geschichte in der Hafenstadt Livorno spielt und zwei Hauptcharaktere, Pancratio und Teodoro, als Kaufleute tätig sind. So werden die Musiker Teil des Bühnenbildes, das für die rezensierte Aufführung wegen des Wetters vom Innenhof der Theologischen Fakultät in die Aula der Sowi Innsbruck verlegt werden musste. Auch die zahlreichen Kisten, die auf der Bühne übereinandergestapelt sind, vermitteln das Gefühl eines Hafens. Einige von den größeren Kisten lassen sich öffnen und zeigen unterschiedliche Räume: ein Schlafzimmer für das romantische Treffen zwischen Lucinda und Flammiro und ein Wohnzimmer, in dem Emilia tränenreich ihrem ehemaligen Liebhaber Lelio (Lucindas Bruder) nachtrauert.

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Lucinda (Arianna Vendittelli) mit ihrem als Frau verkleideten Geliebten Flammiro (Rodrigo Sosa Dal Pozzo, rechts) und ihrem Bruder Lelio (Bradley Smith, links)

Die Geschichte enthält zahlreiche Elemente der Commedia dell' arte und der Commedia erudita, die beide auf den antiken römischen Vorbildern Plautus und Terenz basieren. Flammiro ist für ein Theaterstück in Teodoros Haus in Frauenkleider geschlüpft. Als er das Haus noch im Kostüm verlässt, verliebt sich Lelio in ihn. Da Flammiro selbst in Lelios Schwester Lucinda verliebt ist, lässt er den liebeskranken Mann in dem Glauben, er sei die schöne Celia. Lelio gibt daraufhin seiner Verlobten Emilia den Laufpass. Mittlerweile will Teodoro seine Nichte Emilia an den alten Pancratio verheiraten, was Emilia natürlich gar nicht gefällt, da sie hofft, ihren ehemaligen Geliebten zurückzugewinnen. Doch noch hält Flammiro sein Spiel aufrecht, da es die einzige Möglichkeit für ihn ist, mit Lucinda zusammen zu sein. So kommt es zur Titel gebenden "Hochzeit im Traum". Teodoro, Pancratio und sein Diener Fronzo erhalten einen Zaubertrank in ihrem Wein, so dass sie in einer Hallizunation merkwürdige Dinge erleben, die sie dazu bringt, der Heirat der jungen Leute ihren Segen zu geben. So kann Flammiro sich als Mann zu erkennen geben, und Lelio kehrt reumütig zu Emilia zurück.

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Teodoro (Jeffrey Francis) will seine Nichte Emilia (Yulia Sokolik) verheiraten.

Neben Einflüssen der bereits erwähnten Commedia dell' arte und Commedia erudita lassen sich auch Bezüge zu spanischen Dramen der damaligen Zeit erkennen, die der Librettist Pietro Susini für seinen Arbeitgeber, Kardinal Leopoldo de' Medici, einem Bruder des Herrschers über Florenz, übersetzt hat. Während Lelio den typischen "verrückten Liebenden" (innamorata) und Flammiro den gewitzten Diener (zanno) der Commedia repräsentieren, scheinen die Traumsequenzen auf Calderón de la Barcas berühmtes Stück La vida es sueno (Das Leben ein Traum) anzuspielen. So philosophieren auch in der Oper am Ende einige Figuren über dieses Thema, was besonders in dem Duett zwischen Emilias Amme Filandra und dem Diener Scorbio deutlich wird, wenn sie zu der Erkenntnis kommen, dass es Wahnsinn sei, auf ewiges Glück zu hoffen, wo doch das Leben nur ein kurzer Augenblick sei. "Un sogno è la vita, un sonno è la morte" (Traum ist das Leben, Schlaf der Tod).  So lässt sich auch die Hochzeit in dem durch den Zaubertrank beeinflussten Traum als Parodie auf das berühmte Bild der frühen Barockperiode lesen. Wenn die beiden Statuen zum Leben erwachen, erkennt man in gewisser Weise den steinernen Gast aus Don Giovanni wieder.

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Unter dem Einfluss eines Zaubertrankes erwachen zwei Statuen zum Leben (im Boot: das Ensemble Innsbruck Barock).

Auch wenn die Partitur der Oper in der Bibliothèque Nationale de Paris bereits seit einigen Jahren bekannt war und Susini als Librettis unzweifelhaft feststand, war lange Zeit nicht klar, ob Cesti wirklich der Komponist war. Ein Vorwort zum Libretto nennt nur den Namen der Oper und spricht von einer Aufführung der "Accademia de' Signori Infocati" 1665. Diese "Accademia" war eine von mehreren Theatergruppen, die von adeligen Familien in Florenz und anderen italienischen Städten gefördert wurden. Erst vor kurzem konnte eine Zeitschrift ausfindig gemacht werden, die Cesti als Komponisten belegt. An dieser Stelle begann dann die weitere Arbeit von Alan Curtis, Alessandro Bares, Nicola Michelassi und Salomé Vuelta Garcia, die nun die Partitur für eine Aufführung bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik vorbereiteten. Und die musikalische Umsetzung kann sich hören lassen. Enrico Onofri führt das gut aufspielende Ensemble Innsbruck Barock mit feinem Gespür durch die Partitur. Leider lässt sich das für die Inszenierung von Alessio Pizzech nicht sagen. Die Kostüme von Davide Amadei, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet,  siedeln die Geschichte zwischen Piratenfilm, Hofbräuhaus, Punk und La Cage aux Folles an, so dass keine klare Linie erkennbar wird.

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Fronzo (Ludwig Obst), Pancratio (Rocco Cavalluzzi) und Teodoro (Jeffrey Francis) als Babies im Kinderwagen, die von geheimnisvollen Schatten im Traum heimgesucht werden

So wie die Kostüme an albernes Amateur-Theater erinnern, weist auch Pizzechs Personenregie keine eindeutige Richtung auf. Die Slapstick-Einlagen erreichen nicht die Qualität einer Commedia. So springen die Figuren sinnfrei über die Bühne oder benehmen sich wie Kleinkinder. Die drei alten Männer treten am Ende sogar in großen Kinderwagen auf. Alles in allem wirken auch die Liebesszenen zwischen Flammiro und Lucinda eher pubertär als komisch. Dass die Amme Filandra von einem Mann gespielt wird, ist zunächst einmal für die Barockoper nicht ungewöhnlich. Warum Francisco Fernandez-Rueda in der Partie jedoch als Perücke einen Bienenstock tragen muss, erschließt sich nicht. Musikalisch aufhorchen lassen die beiden Sopranistinnen Yulia Sokolik und Arianna Vendittelli. Sokolik stattet die Partie der Emilia mit frischem Sopran aus und verleiht der verschmähten Geliebten auch darstellerisch komische Momente. Vendittelli gefällt als gewitzte Lucinda mit glockenklaren Höhen. Rodrigo Sosa Dal Pozzo überzeugt als ihr Geliebter Flammiro mit weichem Countertenor, wobei es musikalisch einer gewissen Komik nicht entbehrt, dass er als Frau verkleidet auch das Herz von Lucindas Bruder Lelio gewinnt, der von Bradley Smith mit jugendlichem Tenor interpretiert wird.

Ein Problem bei der Wiederentdeckung einer lange Zeit verschollenen Oper ist sicherlich die Frage, ob man das Werk ungekürzt spielt. Da Le nozze in sogno neben relativ kurzen Arien ziemlich lange monotone Rezitative enthält, hätte dem Stück eine Straffung sicherlich gut getan, zumal es der Regie nicht gelingt, die Rezitativ-Passagen interessant zu füllen. So haben sich nach der Pause die Reihen im Zuschauerraum ein wenig gelichtet, was sehr schade ist, da man damit Alan Curtis' Bemühungen um das Werk sicherlich nicht gerecht wird und seinen "Traum" nur halbherzig erfüllt hat.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrico Onofri

Regie
Alessio Pizzech

Bühnenbild und Kostüme
Davide Amadei



Ensemble Innsbruck Barock


Solisten

Flammiro
Rodrigo Sosa Dal Pozzo

Lucinda
Arianna Vendittelli

Emilia
Yulia Sokolik

Filandra
Franciso Fernández-Rueda

Lelio
Bradley Smith

Fronzo
Ludwig Obst

Scorbio, Corvellio
Konstantin Derri

Pancratio
Rocco Cavalluzzi

Teodoro, Ser Mosè
Jeffrey Francis


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