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Innsbrucker Festwochen der Alten Musik
06.08.2016 - 27.08.2016


Il matrimonio segreto

Melodramma giocoso in zwei Akten
nach einem Libretto von Giovanni Bertati
Musik von Domenico Cimarosa

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 4 h (eine Pause)

Premiere im Tiroler Landestheater in Innsbruck am 12. August 2016




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Theater im Hühnerstall

Von Charles Jernigan (Deutsche Bearbeitung von Thomas Molke) / Fotos von Rupert Larl

Eine Hühner-Oper? So lässt sich die Grundidee der gut durchdachten Inszenierung von Domenico Cimarosas Oper Il matrimonio segreto (1792) beschreiben, die gackernd im Zentrum der diesjährigen Innsbrucker Festwochen der Alten Musik im Tiroler Landestheater steht. Cimarosas zeitlos schöne Opera buffa basiert auf der 1766 von George Colman dem Älteren und David Garrick verfassten Komödie The Clandestine Marriage, die wiederum auf William Hogarths Bilderreihe Marriage à la Mode (1743 - 1745) zurückgeht, in denen die Geldheiraten der Oberschicht scharfzüngig aufs Korn genommen werden. Giovanni Bertatis Libretto für Cimarosas Oper verzichtet hingegen größtenteils auf die bissige Satire und bietet stattdessen eine kurzweilige, witzige Opera buffa mit einer typischen Geschichte, in der die jungen Liebenden zueinander finden und nicht das schöne junge Mädchen an einen älteren reichen Adeligen verschachert wird.

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Geronimo (Donato Di Stefano) hat es nicht leicht mit seinen beiden Töchtern Elisetta (Klara Ek, links) und Carolina (Giulia Semenzato, Mitte).

Der alte Geronimo, ein reicher Kaufmann aus Bologna, hat zwei Töchter, Elisetta und Carolina, während sein Haushalt von seiner verwitweten Schwester Fidalma geführt wird. Geronimo plant, seine ältere Tochter mit dem Grafen Robinson, seinem Patron, zu verheiraten, und auch der Graf ist diesem Vorhaben nicht abgeneigt, da mit der Hochzeit eine beträchtliche Mitgift einhergeht. Auch für Geronimos jüngere Tochter Carolina wäre diese Ehe von Vorteil, weil sie nämlich mittlerweile heimlich Paolino, den Sekretär ihres Vaters, geheiratet hat, was allerdings erst hearuskommen darf, wenn Elisetta ebenfalls unter der Haube ist. Als der Graf eintrifft, verliebt er sich jedoch unglücklicherweise in die hübsche Carolina und zeigt keinerlei Interesse an der weniger attraktiven Elisetta. Hinzu kommt auch noch, dass Fidalma ein Auge auf Paolino geworfen hat, da man - so ihre Überlegung - als Frau mit einem Mann einfach besser dastehe. So kommt es zu allerlei turbulenten Verwicklungen. Am Ende werden Carolina und Paolino gemeinsam im Schlafzimmer erwischt. Doch der Graf erweist sich als "Mann von Welt", unterstützt die beiden Liebenden und ist schließlich bereit, Elisetta zu heiraten und dabei ganz nebenbei eine saftige Mitgift zu kassieren (in der Inszenierung ein großes goldenes Ei), und auch für Fidalma wird in der Inszenierung mit einer Taube als Liebhaber (Statist) gesorgt.

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Carolina (Giulia Semenzato) und Elisetta (Klara Ek, rechts) haben Streit (in der Mitte: Fidalma (Loriana Castellano)).

Die Inszenierung von Regisseur Renaud Doucet und Bühnen- und Kostümbildner André Barbe verlegt die Geschichte in eine alte Scheune mit überdimensionalen ausgemusterten Büchern und einem riesigen kaputten Stuhl, wobei die Dimensionen den Zuschauer alles aus der Hühner-Perspektive betrachten lassen. Auf der linken Seite befindet sich der Hühnerstall, auf der rechten Seite auf der Sitzfläche des Stuhls der Korb, in den die Hennen ihre Eier legen. Dabei ist die Bühne samt Ausstattung in Schwarz, Weiß und Sepiatönen mit Comic-Anklängen gehalten. Barbe gestaltet die Kostüme als Crossover-Mix aus Roben des 18. Jahrhunderts und Gefieder, wobei der Busen und der Bausch übertrieben angelegt sind und die farbenfroh gehaltenen Kleider verschiedene Arten von Federvieh darstellen. Die Männer sind natürlich Hähne, bei denen helle Federn in die aufwändig ausgestatten Anzüge eingewoben sind. Selbst die Perücken stellen eine Mischung zwischen Perücken der Zeit und einem Hahnenkamm dar. Graf Robinson trägt zum Beispiel als Hahn aus Schottland einen Kilt mit Schottenkaro, der um lange Schwanzfedern ergänzt wird. Wahrscheinlich sollen die Figuren verschiedene Arten von Hühnern und Hähnen repräsentieren, aber um diese zu klassifizieren, bedürfte es wohl eher eines Ornithologen als eines Opernrezensenten.

Graf Robinson (Renato Girolami, links) wird sich mit Geronimo (Donato Di Stefano, rechts) schnell handelseinig.

Doucet übernimmt die Hühner-Idee auch in die Personenregie und lässt die einzelnen Figuren im Gang wie Hühner stolzieren und dabei sogar den Kopf und Hals in Hühnermanier nach vorne und hinten bewegen. Außerdem scharren sie mit den bunten Schuhen, die an Hühnerfüße erinnern, wie aufgeregte Hühner auf dem Boden, schütteln ihre Federn und krähen sogar ab und zu. Des Weiteren gibt es Statisten, wahrscheinlich als Tauben gedacht, von denen einige bemerkenswerte gymnastische Sprünge und Drehungen ausführen. Dabei geht das Konzept geschickt auf und harmoniert mit der Musik. Fast gewinnt man den Eindruck, Cimarosa habe das Stück bereits so konzipiert, zumal ja auch die Idee, menschliches Verhalten durch Tiere zu karikieren bis in die Antike zurückreicht, wie beispielsweise die Fabeln des Aesop zeigen. Es lässt sich auch nicht leugnen, dass es durchaus etwas Reizvolles hat, Primadonnen als gackernde Hühner und Tenöre als selbstverliebte Gockel zu parodieren.

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von links nach rechts: Paolino (Jesús Álvarez), Elisetta (Klara Ek), Geronimo (Donato Di Stefano), Carolina (Giulia Semenzato), Fidalma (Loriana Castellano), Robinson's valet (Statist) und Count Robinson (Renato Girolami)

Die musikalische Besetzung ist Alles in Allem gut. Stars des Abends sind die beiden Buffo-Bässe Renato Girolami als Graf Robinson und Donato Di Stefano als Geronimo. Beide haben in Innsbruck schon in zahlreichen Buffo-Partien begeistert und stellen auch an diesem Abend ihren großen Spielwitz unter Beweis, den sie um ein höchst amüsantes Gockel-Gehabe ergänzen, was die Komik der beiden Figuren noch unterstreicht. Giulia Semenzato gibt als Carolina ein kesses und hübsches "Hühnchen" ab. Dabei überzeugt sie mit einem klar strömenden und silbrig glänzenden Sopran, der problemlos über das Orchester kommt. Nach dem großen Quintett im zweiten Akt ("Deh, lasciate ch' io respiri") zeigt sie allerdings leichte Ermüdungserscheinungen. Klara Ek legt die Partie ihrer älteren Schwester Elisetta darstellerisch etwas arrogant an und macht dabei glaubhaft, dass Elisetta um jeden Preis Gräfin werden will. Stimmlich verfügt sie in den Koloraturen über große Beweglichkeit, wirkt aber in ihrer großen Rachearie im zweiten Akt ("Se son vendicata") ein wenig angestrengt. Für die Partie der Fidalma war eigentlich die Mezzosopranistin Vesselina Kasarova vorgesehen, die allerdings krankheitsbedingt die Vorstellungen absagen musste. Ihre Partie übernimmt Loriana Castellano, eine junge Sängerin aus Altamura in Apulien, die sich problemlos in die Produktion und die Rolle hineinfindet und mit sattem Mezzo punktet. Einziger Schwachpunkt der Inszenierung ist der Tenor Jesús Álvarez als Paolino, dessen Stimme für das Haus ein bisschen zu dünn ist. In seiner großen Liebesarie im zweiten Akten ("Pria che spunti in ciel l'aurora") hat er in den Höhen einige Probleme.

Ein weiterer Glanzpunkt des Abends ist die wunderbar aufspielende Academia Montis Regalis unter der Leitung von Alessandro De Marchi. Das Orchester spielt auf historischen Instrumenten, und De Marchi arbeitet die Klangvielfalt der Partitur differenziert heraus. Die teilweise recht langen Secco-Rezitative werden von Mariangiola Martello am Cembalo einfühlsam begleitet. Eine Besonderheit der Aufführung dürfte sein, dass die Oper ungekürzt, also mit allen Rezitativen und Wiederholungen, aufgeführt wird. Dabei wären vielleicht doch einige Striche sinnvoll gewesen. So werden aus den ursprünglich angekündigten dreieinhalb Stunden nämlich satte vier Stunden mit einigen Längen. Man kann sich kaum vorstellen, dass Kaiser Leopold II bei der Uraufführung in Wien aufgrund seiner großen Begeisterung eine komplette Wiederholung des Stückes gefordert haben soll. Das lässt dann selbst die Länge einer Wagner-Oper kurz erscheinen.

FAZIT

Renaud Doucet gelingt mit dem Hühner-Konzept ein unterhaltsamer Ansatz, der mit dem spielfreudigen Ensemble und einer wunderbaren musikalischen Umsetzung über die eine oder andere Länge hinwegsehen und -hören lässt.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alessandro De Marchi

Regie
Renaud Doucet

Bühnenbild und Kostüme
André Barbe

Licht
Ralph Kopp



Orchester der
Academia Montis Regalis


Solisten

Graf Robinson
Renato Girolami

Geronimo
Donato Di Stefano

Fidalma
Loriana Castellano

Elisetta
Klara Ek

Carolina
Giulia Semenzato

Paolino
Jesús Álvarez


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