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Musikfestspiele
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41. Tage Alter Musik in Herne

10.11.2016 - 13.11.2016

Werther

Melodram in zwei Teilen für Schauspieler und Orchester
über Johann Wolfgang von Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers
Musik von Giuseppe Pugnani

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 5' (eine Pause)

Aufführung im Kulturzentrum in Herne am 11. November 2016

 

 

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Goethes Briefroman als musikalisches Melodram

Von Thomas Molke / Fotos: © Thomas Kost, WDR

Johann Wolfgang von Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers avancierte nicht nur kurz nach seinem Erscheinen zu einem absoluten Bestseller, sondern galt auch zahlreichen Komponisten als Inspirationsquelle. Am bekanntesten dürfte wohl Jules Massenets 1892 uraufgeführte Oper Werther sein, die auch heute noch zum erweiterten Standardrepertoire zählt. Da das Motto der diesjährigen Tage der Alten Musik "Hommage" lautet, soll natürlich auch dem deutschen Dichterfürsten und seinem berühmten Roman eine Widmung zuteil werden. Dazu hat man allerdings nicht die erste Oper zu dem Thema, Charlotte et Werther von Rodolphe Kreutzer, ausgewählt, sondern geht noch zwei Jahre weiter zurück. Am 29. April 1790 hörte Gaetano Pugnani, Komponist von Instrumentalwerken und etlichen Opern am Hof von Savoyen, im Rahmen einer literarischen Gesellschaft einen Vortrag des Theologen Giovanni Battista Concone über den 16 Jahre zuvor erschienenen Roman und ließ sich direkt inspirieren, ein Instrumentalwerk auf die Musik zu komponieren. Ob die Uraufführung 1790 in Pugnanis Haus als programmmusikalische Suite rein instrumental dargeboten wurde oder mit Texten aus dem Roman zu einem Melodram kombiniert wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Für die Aufführung 1796 im Wiener Burgtheater ist jedenfalls ein Szenarium erhalten, dass die musikalischen Nummern den entsprechenden Roman-Passagen zuordnet.

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Werther (Nils Beckmann, rechts) mit Michael Hofstetter (Mitte) und dem Main-Barockorchester Frankfurt

Uwe Schareck, Sabine Radermacher und Tilman Schärf haben aufgrund der 1985 in Mailand rekonstruierten Partitur von Alberto Basso und dem Szenarium der Wiener Uraufführung von 1796 eine Fassung für drei Schauspieler und Orchester erstellt. Neben Werther und Lotte tritt Wilhelm, an den die meisten Briefe Werthers im Roman adressiert sind, als eine Art Erzähler auf. Die gesprochenen Passagen erfolgen teilweise zwischen den musikalischen Sätzen und werden teilweise auch vom Orchester untermalt. Der erste Teil bis zur Pause handelt von Werthers Ankunft in Wahlheim und seiner aufflammenden Liebe zu Lotte, die er dort auf einem ländlichen Ball kennenlernt. Da sie allerdings bereits Albert versprochen ist, der Werther ebenfalls freundschaftlich verbunden ist, beschließt Werther, das Dorf zu verlassen. Im zweiten Teil kommt Werther nach längerer Zeit nach Wahlheim zurück und trifft Lotte als Alberts Ehefrau wieder. Seine Gefühle für sie werden immer stärker. Als er ihr eines Abends eine Übersetzung aus dem Ossian vorliest, kommt es beinahe zum Ehebruch, dem sich Lotte allerdings durch Flucht ins Nebenzimmer entzieht. Werther beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen, und bittet Albert, ihm für eine Reise eine seiner Pistolen zu leihen. Lotte kommt die fatale Aufgabe zu, Werther die Pistole zu überbringen. Um Mitternacht erschießt sich Werther.

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Lotte (Greta Schareck) und Werther (Nils Beckmann)

Schareck hat sich entschieden, die musikalische und sprachliche Ebene durch Illustrationen von Daniel Nicolaus Chodowiecki zu erweitern, die an der Rückwand auf der Bühne hinter dem Orchester eingeblendet werden. Auf der rechten Seite steht ein antiker Sekretär, an dem Werther Platz nimmt und seine zahlreichen Monologe in Form von Briefen rezitiert. Wilhelm tritt zu Beginn des Abends auf der linken Seite auf und ist wie die Orchestermusiker schwarz gekleidet, so dass er wie die Musik zum Kommentator der Geschichte wird. Während Werthers Kostüm der Illustration ansatzweise nachempfunden ist, hat Lotte keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem Bild. Die strenge Frisur unterstreicht ihre Reinheit, wobei der rote Rock im Gegensatz dazu für das Begehren steht, das Lotte mit ihrer Erscheinung in Werther weckt. Michael Hofstetter arbeitet mit dem Main-Barockorchester Frankfurt Pugnanis Musik, die von romantischen Bögen durchzogen ist und stellenweise an Beethoven erinnert, differenziert heraus, auch wenn man Pugnanis Musiksprache nicht an jeder Stelle Nähe zum vertonten Text bescheinigen kann. So klingt sie gerade zu Beginn des zweiten Teils viel zu fröhlich und bildet Werthers Schwermut darüber, dass Lotte Albert geheiratet hat, in keiner Weise ab.

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Werther (Nils Beckmann) beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen.

Doch es gibt auch musikalisch bewegende Momente, die den Zuhörer in Werthers Gefühlswelt eintauchen lassen. Zu nennen ist hier ein träumerisches Motiv, das Lotte durch das ganze Stück begleitet. Zunächst wird es von der Flöte gespielt und im weiteren Verlauf von anderen Instrumenten übernommen, um so Werthers wachsendes Verlangen nach Lotte zu beschreiben. Wenn Lotte sich dann im zweiten Teil ans Klavier setzt, um dieses Thema aufzugreifen, ist es eine Solovioline - immerhin war Pugnani ein berühmter Geiger -, die Akzente setzt und durch bewegendes Spiel für den Zuschauer Werthers Gefühle illustriert. Lotte nimmt für diese Szene unter den Orchestermusikern Platz und wird somit Teil der Musik. Das Gewitter auf dem Ball, auf dem sich Werther und Lotte erstmals näher kommen, wird lautmalerisch vom Main-Barockorchester mit fulminantem Klang umgesetzt. Ebenso bewegend gelingt die große Szene im zweiten Teil, wenn Werther Lotte eine Übersetzung aus dem Ossian vorliest. An dieser Stelle wird in der Musik das Knistern, das zwischen Werther und Lotte in der Luft liegt, durch flirrende Bögen herausgearbeitet.

Nachdem sich Lotte allerdings Werthers Begehren entzogen hat, gibt es musikalisch für den jungen Mann kein Halten mehr. Die tödliche Ausweglosigkeit wird durch ein düsteres Largo untermalt, in dem die Streicher die Saiten mit den Fingern zupfen und ein Bild des durch nächtlichen Regen und Schnee hetzenden Werthers zeichnen. Das Holzbläser-Solo deutet bereits das Todessignal an. Auf die mitternächtliche Glocke folgt der Todesschuss als platzender Luftballon aus dem Off. Der musikalische Epilog erfolgt dann noch einmal ganz im Sinne des Sturm und Drang als bewegter Nachruf auf den unglücklichen Helden. Nils Beckmann gelingt es als Werther, in seinen langen Monologen die Leiden des jungen Mannes glaubhaft darzustellen. Mit bewegender Intonation zeichnet er überzeugend Werthers Entwicklung bis hin zur Katastrophe. Sein Bruder Till Beckmann legt die Figur des Wilhelm eher distanziert an und wirkt daher wie eine Art Fremdkörper in der Geschichte. Greta Schareck tritt als Lotte ohne Text auf und trägt ihre Passagen auswendig vor, bleibt allerdings in der Intonation größten Teils etwas seelenlos. Nur in der kurzen dramatischen Szene im zweiten Teil, wenn sie beinahe Werthers Werben nachgibt, blitzt einen kurzen Moment so etwas wie Leidenschaft in ihrem Spiel auf. Das Publikum zeigt sich begeistert, auch wenn nach der Pause in den Seitenblöcken noch ein paar Plätze mehr frei bleiben.

FAZIT

Die Tage der Alten Musik sind ein geeigneter Ort, Pugnanis heutzutage größtenteils vergessenem Melodram eine Bühne zu bieten, und das Werk hat auch musikalisch seine schönen Momente. Ein ganz großer Wurf ist das Stück allerdings nicht.

Weitere Rezensionen zu den Tagen der Alten Musik in Herne 2016

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michael Hofstetter

Regie
Uwe Schareck

Dramaturgie
Sabine Radermacher



Main-Barockorchester Frankfurt

 

Solisten

Werther
Nils Beckmann

Lotte
Greta Schareck

Wilhelm
Till Beckmann

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Tage Alter Musik in Herne
(Homepage)



Da capo al Fine

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