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Opernfestspiele Heidenheim

08.06.2016 - 07.08.2016

Oberto conte di San Bonifacio

Oper in zwei Akten
Libretto von Antonio Piazza und Temistocle Solera
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 20' (eine Pause)

Premiere im Festspielhaus Congress Centrum in Heidenheim am 4. August 2016

 


 

 

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Rausch der Gefühle in Verdis erster Oper

Von Thomas Molke / Fotos: © Oliver Vogel

Obwohl Giuseppe Verdi mit seinem Opernerstling Oberto conte di San Bonifacio bei der Uraufführung am 17. November 1839 in Mailand einen beachtlichen Erfolg erzielen konnte, dem nicht nur 13 Vorstellungen in Mailand sondern auch weitere Inszenierungen in Turin, Neapel, Genua und Barcelona folgten, war der Weg dorthin alles andere als einfach. Bereits sieben Jahre zuvor war Verdi im Alter von 18 Jahren von Busseto nach Mailand aufgebrochen, um hier als Komponist Karriere zu machen, und fand in Pietro Massini einen Theaterdirektor, der Verdis Talent durchaus erkannte. Doch bei aller Begabung fehlte Verdi eine Existenzgrundlage, um in der angesehenen Musikmetropole bleiben zu können, so dass er nach Busseto zurückkehren musste. Als er dann 1836 seine erste Oper vollendet hatte, war Massini nicht mehr Theaterdirektor, um eine Uraufführung zu protegieren. Dennoch brach er mit seiner Familie erneut nach Mailand auf und schaffte es, dass der renommierte Impressario der Scala, Bartolomeo Merelli, das Werk für eine Benefiz-Gala im Pio Istituto Filarmonico annahm. Eine Anpassung an die verfügbare Sängerbesetzung - unter anderem Verdis spätere Ehefrau Giuseppina Strepponi - und eine Überarbeitung des Librettos durch Temistocle Solera erfolgten zwar zügig, allerdings erkrankte der Sänger des Riccardo während der Proben, so dass die Uraufführung zunächst nicht stattfinden konnte. Merelli setzte die Oper für die kommende Spielzeit erneut auf den Plan, wobei nun die ursprünglich vorgesehenen Sänger nicht mehr zur Verfügung standen und die Titelpartie für den Bass Ignazio Marini transponiert werden musste. Heutzutage ist das Werk auf den Bühnen kaum noch zu erleben, was vielleicht an der Dominanz von Verdis späteren Meisterwerken liegt. Bei den Opernfestspielen Heidenheim hat sich der künstlerische Leiter Marcus Bosch nun vorgenommen, auch Verdis frühe Werke in chronologischer Reihenfolge aufzuführen.

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Leonora (Anna Princeva) träumt von einer Hochzeit mit Riccardo.

Die Handlung ist eine reichlich verworrene Dreiecksgeschichte. Riccardo, der Graf von Salinguerra, hatte einst Leonora, der Tochter Obertos, des Grafen von San Bonifacio, die Ehe versprochen. Bei kriegerischen Auseinandersetzungen Obertos mit dem Grafen Ezzelino kämpfte Riccardo aber für letzteren, der Oberto besiegte und in die Flucht schlagen konnte, und beabsichtigt nun, Ezzelinos Schwester Cuniza zu heiraten, um seine Macht auszuweiten. Leonora kommt zur bevorstehenden Hochzeit, um sich an Riccardo für das gebrochene Versprechen zu rächen. Auch Oberto begibt sich zum Schloss und fordert von Leonora, ihre befleckte Ehre wiederherzustellen. Cuniza stellt Riccardo wegen des Eheversprechens zur Rede, doch dieser bezichtigt Leonora der Untreue, woraufhin Oberto ihn zum Duell fordert. Cuniza glaubt Leonora und ist bereit, auf Riccardo zu verzichten. Der Versuch, das Duell zu verhindern, scheitert, und Riccardo verwundet Oberto tödlich. Leonora gibt sich die Schuld am Tod ihres Vaters und beschließt, ins Kloster zu gehen, während Riccardo sie in einem Brief um Vergebung bittet, ihr sein gesamtes Vermögen hinterlässt und ins Exil geht.

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Cuniza (Katerina Hebelkova) macht Riccardo (Adrian Dumitru) schwere Vorwürfe.

Tobias Heyder verzichtet in seinem Regie-Konzept fast vollständig auf ein Bühnenbild und konzentriert sich ganz auf das Innenleben der vier Hauptcharaktere. So stehen auf der Bühne lediglich zahlreiche Stühle, die am Anfang wohl den Raum andeuten, in dem die Hochzeit zwischen Riccardo und Cuniza stattfinden soll. Schon während der Ouvertüre tritt Leonora mit einem weißen Kleid über dem Arm und einem Schleier in der Hand auf, den sie sich wie ein verliebtes junges Mädchen aufsetzt. Doch der in schwarzer Kleidung auftretende Chor, der an ihr vorbeigeht und auf den Stühlen Platz nimmt, ohne sie zu bemerken, macht ihr deutlich, dass hier eine andere Hochzeit gefeiert wird. Stimmgewaltig feiert der Tschechische Philharmonische Chor Brünn unter der Leitung von Jan Ocetek die Ankunft Riccardos, der dem Volk in einer großen Szene seine weiteren Pläne nach der Hochzeit mit Cuniza verkündet. Adrian Dumitru punktet in der Auftrittsszene mit kräftigem Tenor, muss in den Höhen allerdings ein wenig forcieren. Heyder lässt Leonora im Hintergrund diese ganze Szene miterleben, so dass ihre nun folgende Arie, in der sie plant, sich an Riccardo zu rächen, gut motiviert wird. Anna Princeva begeistert als Leonora mit dramatischen Höhen und sauber ausgesungenen Bögen. Mit ihrem Vater Oberto tritt dann ein Charakter auf, der stimmlich bereits Figuren wie Rigoletto, Alfredos Vater aus La traviata und König Philipp aus Don Carlo erahnen lässt. Wong-jo Choi stattet die Titelpartie mit profundem Bass aus und zeigt die Vater-Figur ähnlich unerbittlich und dominant, wie man sie aus zahlreichen späteren Werken Verdis kennt.

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Cuniza (Katerina Hebelkova, Mitte links) und Leonora (Anna Princeva, Mitte rechts) versuchen, das Duell zwischen Oberto (Woong-jo Choi, rechts) und Riccardo (Adrian Dumitru, links) zu verhindern (im Hintergrund: der Tschechische Philharmonische Chor Brünn).

Auch die Partie der Cuniza wird im zweiten Bild des ersten Aktes mit einer musikalisch dramatischen Szene eingeleitet. Cuniza berichtet darin von dunklen Vorahnungen hinsichtlich der bevorstehenden Hochzeit mit Riccardo. Katerina Hebelkova begeistert als Cuniza mit vollem Mezzo in der Mittellage und großen dramatischen Ausbrüchen in der Höhe. Hier wird musikalisch bereits einiges angedeutet, was Verdi später in Aidas Gegenspielerin Amneris zur Vollkommenheit gebracht hat, wobei Cuniza allerdings bereit ist, auf den Verlobten für Leonora zu verzichten. Auch in den Ensembles des ersten Aktes schimmert bereits Verdis Genie durch, und selbst wenn man die Oper vorher noch nie gehört hat, kommen einem die Melodien irgendwie vertraut vor. Wieso die Stühle während der beiden Akte auf der Bühne in neue Konstellationen gebracht werden, erschließt sich zwar nicht, stört allerdings auch nicht weiter. Immerhin bieten sie den Figuren die Möglichkeit, ihren Emotionen freien Lauf zu geben, wenn sie in großer Erregung den einen oder anderen Stuhl auf der Bühne umwerfen. Das Lichtdesign von Hartmut Litzinger und die aufwändig gestalteten Kostüme von Janine Werthmann lenken die Konzentration wie von Heyder beabsichtigt auf die Hauptpartien. Marcus Bosch untermalt mit der 2011 für die Festspiele gegründeten Cappella Aquileia die ganze Szene mit einem sorgfältig gewobenen Klangteppich, der die Emotionen der Figuren nachvollziehbar herausarbeitet.

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Leonora (Anna Princeva) gibt sich die Schuld am Tod ihres Vaters Oberto (Woong-jo Choi).

Auch der zweite Akt hält für die vier Hauptcharaktere noch einmal großartige Arien und fulminante Ensembles bereit. Den Anfang macht Cuniza, die in einer emotionsgeladenen Arie ihrer Enttäuschung über Riccardo freien Lauf lässt. Hebelkova begeistert erneut mit großer Dramatik, auch wenn man sich fragt, was die beiden Frauen eigentlich an Riccardo finden. Aber er ist halt der Tenor, das muss wohl reichen. Immerhin erfährt Riccardo am Schluss dann doch noch eine Läuterung, leider erst, nachdem er Oberto im Duell getötet hat. Mit tenoralem Schmelz macht Dumitru die Reue, die Riccardo nach dem Zweikampf empfindet, deutlich und verlässt als gebrochener Mann die Bühne. Anders als in späteren Verdi-Opern erhält der sterbende Oberto keine Arie, die seinen Tod hinauszögert, sondern wird am Ende leblos auf einer Bahre auf die Bühne getragen. Dafür darf Princeva am Schluss noch einmal mit einer fulminanten Arie ihre gefühlte Schuld am Tod des Vaters zum Ausdruck bringen. Am Ende trägt sie dann auch das Hochzeitskleid, obwohl es nun nicht mehr zu einer Eheschließung kommen wird. In der kleineren Rolle der Imelda gefällt Daniela Baňasová mit sauberem Mezzo, wobei man ihr ein leiseres Schuhwerk gewünscht hätte. Die musikalische und stimmliche Leistung wird vom Publikum mit großem Applaus belohnt, in den sich auch das Regie-Team einreiht.

FAZIT

Marcus Bosch gelingt es, mit der Cappella Aquileia die Schönheiten von Verdis Erstling freizulegen und macht schon Lust auf die Fortsetzung im nächsten Jahr mit Un giorno di regno. Bedauerlich ist, dass es insgesamt nur zwei Aufführungen gibt. Andererseits war selbst die Premiere nicht ausverkauft.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marcus Bosch

Regie und Raum
Tobias Heyder

Kostüme
Janine Werthmann

Lichtdesign
Hartmut Litzinger

Chor
Jan Ocetek

Dramaturgie
Lena Normann

 

Cappella Aquileia

Tschechischer
Philharmonischer Chor Brünn


Solisten

Oberto, Graf von San Bonifacio
Woong-jo Choi

Leonora, Obertos Tochter
Anna Princeva

Cuniza, Schwester des Ezzelino
Katerina Hebelkova

Riccardo, Graf von Salinguerra
Adrian Dumitru

Imelda, Vertraute Cunizas
Daniela Ba
ňasová

 
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