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Richard Wagner Festival Wels
17.05.2015 -
24.05.2015

Tannhäuser und der
Sängerkrieg auf Wartburg

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner

Aufführungsdauer: ca. 4 Stunden 10 Minuten (zwei Pausen)

Wiederaufnahme am 20. Mai 2015 (Premiere der Inszenierung: 17. Mai 2013)
(rezensierte Aufführung: 22.05.2015)

 

 

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Mit Venusgrotte und Bischofsstab

Von Bernd Stopka / Fotos von Christian Herzenberger (Szenenfotos) und Stephanie Starz

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Festivalleiterin Renate Doppler und Dirigent Ralf Weikert

„Alles was ist, endet“ –  dieser weise Mahnruf der Urmutter Erda aus Wagners Rheingold prangt auf dem Programmheft des Richard Wagner Festivals 2015 im österreichischen Wels. 26 Jahre lang war dieses Festival für Freunde der Werke des Dichterkomponisten aus aller Welt ein Kleinod, eine Oase. Heuer fand es zum letzten Mal statt, nicht weil der Zuspruch geringer wurde – ganz im Gegenteil –, sondern weil die Finanzierung nicht mehr möglich ist. Eine Hiobsbotschaft für die familiäre und auch ein bisschen besondere Gemeinde der regelmäßigen Besucher dieser ganz besonderen Wagner-Festspiele, die sich mit naturalistischen Inszenierungen vom allgemeinen Opernbetrieb abheben konnten und eine Erholung vom so genannten „modernen Regietheater“ darstellten. Wobei Festivalleiterin Renate Doppler bewusst von „werkgerechten“ szenischen Umsetzungen spricht und sich damit sehr sympathisch den andernorts reichlich strapazierten Interpretationen des Begriffes „Werktreue“ entzieht.

Hier war der Besucher selbst gefordert, die Bilder für sich zu interpretieren und seinen eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen. Hier durfte und musste (!) der Zuschauer noch selbst denken, interpretieren und/oder einfach nur genießen. Und Letztgenanntes hat – so wenig intellektuell es erscheinen mag – ganz einfach auch seine Daseinsberechtigung. Das schmeckt nicht jedem, aber jeder musste ja auch nicht nach Wels fahren. Mit dem Sterben des Richard Wagner Festivals Wels geht ein Teil der Vielfalt, ja eine ganz besondere, außergewöhnliche Möglichkeit der Rezeption wagnerscher Werke, obendrein mit hochkarätigen Sängerbesetzungen, verloren. Das ist auf jeden Fall schade.

Regisseur Herbert Adler, seit 2002 der Hausregisseur, hatte 2013 in der Ausstattung von Dietmar Solt den Tannhäuser neu inszeniert, der zusammen mit Tristan und Isolde bei diesem letzten Wagner Festival in Wels jeweils zweimal auf der kleinen Bühne des Stadttheaters stand.

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1.Akt; Venus (Judith Németh), Tannhäuser (hier: Peter Seiffert)

"Traditioneller“ Aufführungsstil in ästhetisch naturalistischen Bühnenbildern, ohne Brüche, ohne divergierende Denkansätze, ohne neue Sichtweisen, aber eben auch ohne die Einengungen, die entstehen, wenn man einen bestimmten Aspekt überdeutlich hervorhebt – diesen Ruf genießen die Inszenierungen in Wels. Doch ist das wirklich so? Eindeutig nein. Denn weder Regisseur noch Bühnenbildner hielten sich sklavisch genau an die doch sehr eindeutigen und ausführlichen Regie- und Bühnenbildanweisungen Wagners. Dabei wäre es sicher spannend zu erleben, wie insbesondere die theatralischen Effekte mit heutigen technischen Mitteln visualisiert werden könnten.

Der Gedanke war aber eher, mit naturalistischer Ästhetik und historisierenden Elementen in den Szenenbildern und Kostümen  (und mit einigen Grenzerfahrungen zum Kitsch, wie dem Wasserfall im ersten Akt) die Geschichte so zu erzählen, wie sie Wagner in Libretto und Partitur beschrieben hat. Das ist nun gerade beim Tannhäuser mit seinen vielen Fassungen und Varianten nicht ganz so einfach, aber man bemühte sich mit viel Engagement und Leidenschaft für die Sache. Viel wurde mit Projektionen gearbeitet, aber nicht wie so oft als Selbstzweck oder zur Darstellung einer weiteren Bedeutungsebene, sondern als Mittel z. B. der naturalistischen Darstellung von fließendem Wasser, von in einer Endlosschleife vorüberziehenden Wolken, von der Morgenröte zur Venusröte im dritten Akt oder der Verwandlung im ersten Akt, die zeigte, was diese Technik so alles kann. Baumstämme erglühten im Venusberg wie geädert in rot, während sie sich im Wald ganz gesittet zeigten.

Grotte und Wald erschienen ebenso naturalistisch wie der freie Ausblick aus der Sängerhalle, deren Bögen ein Motiv des Originalschauplatzes andeuteten. Der Bühnenboden war stufenartig in Podeste aufgeteilt, die verschiedene Spiel- oder auch nur Stehebenen boten. Das hebt das Bühnengeschehen in eine Bühnenhöhe, die einem die Sicht auf die handelnden Personen auch gestattet, wenn ein Riese vor einem sitzt. Die farblichen Gestaltungen des Bodens erinnerten zuweilen an die Projektionen Neu-Bayreuths (wobei zu vermuten, wenn nicht gleich zu bemerken ist, dass man in Wels erst als Insider gelten konnte, wenn man über Bayreuth geflissentlich die Nase rümpft).

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2. Akt; Sängerhalle

Leidenschaft im wollüstigen Sinne versprühte das Bacchanal  im Venusberg nicht und zeigte sich als recht braves Ballett. Da ist Wagner in seinen Regieanweisungen doch sehr viel weiter gegangen. Auch die im Laufe des Abends immer wieder zu sehenden flachen Operngesten, gegen die der Musikdramatiker selbst schon so vehement ankämpfte, ermüdeten eher, als dass sie Spannung aufkommen ließen. So plätscherte die Aufführung zunächst in Schönheit dahin, bis dann eben doch einige Details der Personenregie aufmerksam machten. Wenn Biterolf erst  skeptisch zurückblieb,  bevor er den anderen am Ende des ersten Aktes folgte, wenn erst Elisabeth den Landgrafen dazu überredete, Tannhäuser nicht zu verdammen, sondern gen Rom zu schicken, wenn Tannhäuser die Begrüßungs- und Verneigungsrituale in der Sängerhalle nicht beherrschte und im Venusberg offensichtlich verlernt hatte… um nur einige Bespiele zu nennen, die nicht in Wagners Regieanweisungen zu finden sind. Gegen Wagners Regieanweisung sprang Elisabeth nach Tannhäusers  erstem Lied auf und applaudierte lautstark – und hielt sich nicht „schüchtern zurück“. Sehr eigenmächtig gestaltete der Regisseur den Beginn des dritten Aktes, in dem er der so wundervoll intimen Situation zwischen Wolfram und Elisabeth durch die Anwesenheit des jungen Hirten die Zweisamkeit nahm. Wolfram sprach nicht zu sich selbst, sondern zum Hirten. Der half Elisabeth bei der Suche nach Tannhäuser unter den Pilgern und schenkte ihr Trost. Aber dieser Auftritt nahm der Szene mehr, als er ihr gab. Dass Elisabeth sowohl Wolframs als auch des Hirten Hilfe ablehnte, wankte, schwankte, dann tot neben dem steinernen Marienbild zusammenbrach und dass Wolfram ihr – vom Hirten auf ihr Ableben hingewiesen – die Augen zudrückte und sie mit seinem Mantel bedeckte, konterkariert Elisabeths einsames Sterben im Bitten um Vergebung für Tannhäuser und zeigt eine andere Sicht auf die Situation. Der ergrünte Bischofsstab und der Auftritt aller Beteiligten zum Schlusschor beendete die Aufführung dagegen ganz klassisch und selten so gesehen.

So zeigt sich, dass auch in naturalistischen „schönen“ Bühnenbildern gute Personenregie machbar ist – und dass auch in solchen Bildern regielich Zweifelhaftes gemacht werden kann. Und da sich auch beim Schlussapplaus für Regie und Bühnenbild keinerlei Protest, sondern nur großer Jubel erhob, zeigt es auch, dass man auch das konservativste Publikum mit anderen, neuen Ideen durchaus fesseln oder überzeugen kann – wenn es sich im Rahmen hält. Wobei die Weite des Rahmens durchaus zu diskutieren ist.

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3. Akt; Wolfram (Martin Achrainer), Hirt (Iva Schell),  Elisabeth (liegend)

Aus Krankheitsgründen mussten Peter Seiffert und seine Frau Petra Maria Schnitzer die zweite Tannhäuser-Aufführung absagen, womit gleich beide Hauptpartien umbesetzt werden mussten. Glücklicherweise konnte Astrid Weber, die die Rolle hier bereits im Premierenjahr 2013 verkörpert hatte, kurzfristig als Elisabeth einspringen und betörte stimmlich vor allem in der Mittellage und mit ihrem himmlisch schwebenden Piano. Mit viel Leidenschaft warf sie sich in die Rolle, einsprungsbedingt nicht unfallfrei, aber doch sehr überzeugend. Stig Andersen, der 5 Tage vorher hier den Tristan gesungen hat und ihn zwei Tage später wieder singen sollte, sprang in der Titelpartie ein und rettete die Aufführung. Der Tannhäuser gehört neben dem Tristan und dem jungen Siegfried sicher zu den anstrengendsten und kräfteraubendsten Wagner-Partien. Stig Andersen konzentrierte sich auf die prägnanten Passagen und schonte sich, wo es möglich war, wobei er stellenweise lediglich markierte und die Schlusstöne häufig nicht aussang. Grandios gelang ihm dann am Schluss die fulminant gespielte Romerzählung. Das Publikum war ihm besonders dankbar.

Es ist kaum möglich, als Wolfram nicht der Publikumsliebling zu sein. Martin Achrainer sang ihn mit schön timbriertem, aber technisch noch nicht ganz ausgereiftem Bariton. Reinhard Hagen beeindruckte mit seinem hochkultivierten Bass, indem er fein gestaltete und nicht protzig dröhnte. Judith Németh bringt als Venus viel Erfahrung mit, wirkte und klang aber doch etwas wie eine Matrone, die zur Furie wird, nicht wie eine betörende Verführerin. Mit ihrem Auftritt im dritten Akt wurde sie von der Regie aber auch allzu sehr allein gelassen: Trat von hinten auf, sang ihre Töne und ging recht unmotiviert links wieder ab. Die Minnesänger waren stimmlich individuell geprägt, harmonierten in den Ensembles aber miteinander. Reizend aber nicht zu lieblich, sondern auch ein bisschen keck klang Iva Schell als junger Hirt, der sein Schalmeispiel wundervoll musikalisch detailgetreu auch nach seinem Liedchen weiterführt.

Ralf Weikert begann das Vorspiel mit klarer Zeichengebung recht bedächtig und konzentriert, zog dann aber große Bögen zu den zentralen Stellen der Partitur, die grandios klangen und verzauberte mit einem betörend intensiven Vorspiel zum dritten Akt.  Die Slowakische Philharmonie folgte dem Dirigenten willig und ließ die Partitur mit ebensoviel technischer Sicherheit wie Engagement erklingen. Grandios, satt und ausgewogen klangen die  Männerstimmen des Slowakisch Philharmonischen Chores, dessen Sängerinnen sich mit nur 18 Frauenstimmen eindrucksvoll kultiviert Gehör verschaffen konnten.

FAZIT

Mit dem Richard Wagner Festival in Wels geht eine ganz besondere und ungewöhnliche Möglichkeit verloren, die Werke des Dichterkomponisten auf der Bühne zu erleben. Gar nicht ganz so puristisch, konservativ und glaubenstreu wie ihr Ruf bildeten diese Wagner-Festspiele einen Gegenpol zum so genannten "modernen Regietheater". Mit ihnen geht ein Stück der Vielfalt verloren, die Wagners Werke durch unterschiedliche Rezeptionsmöglichkeiten auf verschiedenen Wegen lebendig erhält.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ralf Weikert

Inszenierung und Lichtgestaltung
Herbert Adler

Ausstattung und Licht
Dietmar Solt

Video
Alfred Loch

Chor
Josef Chabron

 

Slowakische Philharmonie

Slowakischer Philharmonischer Chor

Festivalballett

Choreographie
Daniel Moralez Pérez

 

Solisten

Landgraf Herrmann
Reinhard Hagen

Tannhäuser
Peter Seiffert (20.05.15)
Stig Andersen (22.05.15)

Wolfram von Eschenbach
Martin Achrainer

Walther von der Vogelweide
Christian Sturm

Biterolf
Nicolas Legoux

Heinrich der Schreiber
Franz Gürtelschmied

Reinmar von Zweter
Marco di Sapia

Elisabeth, Nichte des Landgrafen
Petra Maria Schnitzer (20.05.15)
Astrid Weber (22.05.15)

Venus
Judith Németh

Ein junger Hirt
Iva Schell

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Richard Wagner Festival Wels
(Homepage)



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