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Musikfestspiele
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Winter in Schwetzingen

Das Barock-Fest im Rokokotheater des Schlosses
05.12.2015 - 05.02.2016

Didone abbandonata

Oper in drei Akten
Libretto von Pietro Metastasio
Musik von Leonardo Vinci und Georg Friedrich Händel


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 40' (eine Pause)

Premiere im Rokokotheater am 5. Dezember 2015

 

 


 

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Sängerfest in abstraktem Ambiente

Von Thomas Molke / Fotos: Annemone Taake

Nachdem in den vergangenen vier Jahren beim Barock-Festival Winter in Schwetzingen ein Längsschnitt durch die bedeutendsten Repräsentanten der Neapolitanischen Schule von Alessandro Scarlattis Marco Attilio Regolo bis hin zu Niccolò Jommellis Fetonte gemacht worden ist, sollen nun in den folgenden drei Spielzeiten des auf sieben Jahre angelegten Zyklus die Auswirkungen dieser heutzutage auf den Opernbühnen zu Unrecht vernachlässigten Epoche auf die übrigen großen Musikzentren der damaligen Zeit vorgestellt werden. Den Anfang macht dabei ein Werk von Leonardo Vinci, das Georg Friedrich Händel 11 Jahre später für London bearbeitete. Seit der erfolgreichen Europa-Tournee mit Artaserse vor drei Jahren (siehe auch unsere Rezension) wird Vinci auf den Opernbühnen wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt. So war bei den diesjährigen Internationalen Maifestspielen in Wiesbaden sein Catone in Utica zu erleben (siehe auch unsere Rezension). In Schwetzingen hat man nun ein Werk ausgewählt, dessen Libretto über 50 Mal vertont worden ist: Didone abbandonata. Dabei stellt Vincis Oper eine relativ frühe Vertonung dieses Librettos dar, da die Komposition bereits zwei Jahre, nachdem Metastasio den Text verfasst hatte, erfolgte. Händel bearbeitete Vincis Fassung, indem er die Rezitative teilweise kürzte, teilweise neu komponierte und ca. 1/3 der Arien Vincis durch Arien anderer Komponisten ersetzte, so dass ein Werk entstand, das man heute als "Pasticcio" bezeichnet. Eigene Arien hat Händel allerdings weder eingefügt noch komponiert, so dass an diesem Abend zum größten Teil Vinci zu hören ist.

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Enea (Kangmin Justin Kim) zwischen Didone (Rinnat Moriah, links) und Selene (Elisabeth Auerbach, rechts)

Metastasios Libretto folgt in weiten Zügen dem Mythos um die phönizische Königin Dido, die in Afrika Karthago gegründet und aus unerfüllter Liebe zu dem Trojaner Aeneas den Freitod gewählt haben soll, wie es in Vergils Aeneis überliefert ist. Dabei beginnt die Geschichte allerdings erst zu dem Zeitpunkt, als Aeneas bereits beschließt, Dido zu verlassen, um seiner eigentlichen Bestimmung zu folgen und in Italien ein neues Reich zu gründen. Des Weiteren werden einige weitere Verwicklungen eingeführt, wie sie für die Barockoper typisch sind. So liebt Didos Schwester, die bei Metastasio Selene heißt, ebenfalls den Trojanerfürsten und hat damit ein ganz anderes Interesse daran, dass Aeneas in Karthago bleibt. Im Gegenzug wird sie von Araspe, einem Vertrauten des Jarbas, des Königs der Gaetuler, geliebt, der ihr zu Liebe Dido und auch Aeneas vor Jarbas, der Dido und Karthago erobern und Aeneas vernicht will, in Schutz nimmt. Didos Vertraute Osmida wiederum macht sich selbst Hoffnungen auf den Thron, weshalb sie Jarbas unterstützt. Der Ausgang der Geschichte folgt dann wieder der Überlieferung. Aeneas verlässt Dido und Karthago, und die Königin begeht Selbstmord. Dabei nimmt sie sich allerdings nicht auf einem Scheiterhaufen das Leben, sondern stürzt sich in die Flammen des brennenden Palastes, den Jarbas bei seiner Eroberung Karthagos in Brand gesetzt hat. Damit ist das Ende für die Barockoper relativ untypisch und entspricht weder in Vincis Oper noch in Händels Bearbeitung dem für die Opera seria obligatorischen lieto fine.

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Selene (Elisabeth Auerbach) tröstet Enea (Kangmin Justin Kim, Mitte), sehr zum Missfallen von Araspe (Namwon Huh, rechts).

Das Regie-Team um Yona Kim wählt einen relativ abstrakten Ansatz und legt sich nicht fest, wann die Geschichte spielen soll. Die Kostüme von Hugo Holger Schneider und Margrit Flagner lassen sich nicht einer bestimmten Epoche zuordnen und wirken eher uninspiriert. So wird nicht klar, wieso Jarbas mal einen barocken Reifrock trägt und dann wieder mit zahlreichen Seilen um den Hals einen barbarischen Anstrich erhält. Didos rückenfreies Kleid wirkt keinesfalls majestätisch, sondern erinnert im Schnitt eher an das Gewand einer Nymphe. Soll das bedeuten, dass sie nur noch an die Liebe denken kann und nicht mehr fähig ist, zu regieren? Das Bühnenbild, für das ebenfalls Schneider und Flagner verantwortlich zeichnen, ist ein abgeschlossener Raum, der von hohen sandfarbenen Wänden umgeben ist, die vielleicht für die afrikanische Wüste stehen. Requisiten werden äußerst spärlich verwendet. So gibt es lediglich einen Tisch mit drei Stühlen, an dem Dido mal mit ihrer Schwester Selene Tee trinkt, dann wieder als Schaltzentrale für ihre politischen Entscheidungen dient. Bis zur Pause befindet sich auch ein Bild mit einem gezeichneten Leoparden an der Rückwand, was vielleicht andeuten mag, dass Dido zunächst noch die Kraft und den Willen hat, ihr Reich vor Jarbas zu verteidigen. Wenn sie nach der Pause immer schwächer ist, fehlt auch das Bild.

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Araspe (Namwon Huh) warnt Didone (Rinnat Moriah, Mitte) und Selene (Elisabeth Auerbach, links), dass die Stadt in Flammen steht.

Kim lässt die Protagonisten teilweise auch dann auf der Bühne agieren, wenn sie nicht in der Szene sind. Damit unterstreicht sie zwar die Beziehungen der Figuren untereinander, weitere Einblicke gibt dieser Regie-Einfall allerdings nicht. Wenn am Ende berichtet wird, dass Jarbas die Stadt in Brand gesteckt hat, sieht man zunächst durch eine geschickte Lichtregie die sandfarbenen Bühnenwände in blassen Rottönen scheinen, bevor Selene, Araspe, Osmida und ein Dido-Double eine Vielzahl von roten Friedhofskerzen auf der Bühne verteilen, in deren Mitte Dido am Ende den Freitod wählt. Auch wenn das Dido-Double optisch so gut getroffen ist, dass das Publikum beim Schlussapplaus die Statistin zunächst mit der Sängerin verwechselt und sie deshalb mit einem für den kurzen Auftritt unverhältnismäßig frenetischem Applaus feiert, wird nicht klar, was Kim mit diesem Double eigentlich beabsichtigt. Soll es Dido selbst sein, die nach Aeneas' Abreise den Untergang ihrer Stadt vorantreibt? Welche Funktion hat dann Selene dabei? Schließlich legt sie das Feuer mit den Kerzen genauso wie Osmida und Araspe, die auf Jarbas' Seite stehen. So lässt die Regie trotz eindrucksvoller Bilder einige Fragen offen.

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Didone (Rinnat Moriah, Mitte) geht ihrem Ende entgegen (hinten von links: Selene (Elisabeth Auerbach), Araspe (Namwon Huh), Enea (Kangmin Justin Kim), Dido-Double, Osmida (Polina Artsis)).

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau und weckt das Bedürfnis, mehr von Vinci zu hören. Rinnat Moriah begeistert in der Titelpartie mit strahlenden Höhen und intensivem Spiel. Hervorzuheben ist ihre große Arie vor der Pause, "Se vuoi ch'io mora", in der sie Aeneas noch einmal klar macht, dass er mit seinem Entschluss, Karthago zu verlassen, ihr Todesurteil unterschreibt. Moriah punktet hierbei mit majestätischer Tragik, nachdem sie zuvor ihren Zorn über seine Untreue in halsbrecherischen Koloraturen zum Ausdruck gebracht hat. Großartig interpretiert Moriah auch den Schluss der Oper, wenn sie sich in kurzen Rezitativen in den Selbstmord stürzt. Hier hat die Königin keine Kraft mehr zu sorgfältig ausgefeilten Arien. Auch der Countertenor Kangmin Justin Kim, der in dieser Spielzeit (noch) zum Heidelberger Ensemble gehört, ist als Enea ein absoluter Glücksgriff. Mit kräftigen sauber angesetzten Höhen begeistert er vor allem in den Gleichnis-Arien, wenn er seine Gefühle mit einem Sturm auf hoher See vergleicht, und verfügt auch in der Mittellage über ein enormes Volumen. Weiterer Höhepunkt des Abends ist seine grandiose Schlussarie "A trionfar mi chiama", wenn er Dido verlässt, um in Italien ein neues Reich zu gründen, auch wenn diese Arie nicht von Vinci sondern aus Hasses Euristeo stammt. Terry Wey ist mittlerweile beim Winter in Schwetzingen schon ein "alter Bekannter". Den Jarba präsentiert er gewohnt souverän und glänzt vor allem in seiner großen Schlussarie "Cadrà frà poco in cenere", wenn er Karthago in Schutt und Asche legt, mit stupenden Höhen und beweglichen Koloraturen. Auch diese Arie stammt von Johann Adolf Hasse, dieses Mal aus der Oper Caio Fabricio.

Die kleineren Partien sind ebenfalls gut besetzt. Elisabeth Auerbach stattet Didos Schwester Selene mit warmem Mezzo aus und stellt Selenes Liebe zu Aeneas glaubhaft dar. Polina Artsis überzeugt als intrigante Osmida durch weichen Mezzo und intensives Spiel. Namwon Huh gefällt als Adraspe mit lyrischem Tenor und bewegendem Spiel. Wolfgang Katschner erweist sich am Pult des Philharmonischen Orchesters Heidelberg als absoluter Barock-Spezialist und rundet den Abend aus dem Graben mit präzisem Spiel hervorragend ab, so dass es für alle Beteiligten lang anhaltenden und begeisterten Applaus gibt.

FAZIT

Auch diese Oper von Leonardo Vinci sollte man sich als Barock-Fan keinesfalls entgehen lassen. Wer keine Gelegenheit mehr hat, in diesem Winter nach Schwetzingen zu kommen, hat die Möglichkeit, die Produktion bei den Händel-Festspielen im Sommer 2016 im Goethe-Theater Bad Lauchstädt am 28. und 29. Mai 2016 zu erleben. Der Kartenvorverkauf hat bereits begonnen.

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Produktionsteam  

Musikalische Leitung
*Wolfgang Katschner /
Gerd Amelung

Regie
Yona Kim

Bühne und Kostüme
Hugo Holger Schneider
Margrit Flagner

Dramaturgie
Heribert Germeshausen
Julia Hochstenbach



Philharmonisches Orchester
Heidelberg

Statisterie des Theaters und
Orchesters Heidelberg

 

Solisten 

Didone
Rinnat Moriah

Enea
Kangmin Justin Kim

Jarba
Terry Wey

Selene
Elisabeth Auerbach

Araspe
Namwon Huh

Osmida
Polina Artsis



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