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Rossini Opera Festival

Pesaro
10.08.2015 - 22.08.2015


La gazzetta

Dramma per musica in zwei Akten
Libretto von Giuseppe Palomba
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 11. August 2015
(rezensierte Aufführung: 17.08.2015)


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Rossini Opera Festival

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Happy End im Hotel Aquila

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival  

La gazzetta ist Rossinis erste komische Oper, die er für Neapel komponierte und die ihm einiges Kopfzerbrechen bereitete, da er für die zentrale Buffo-Partie des Don Pomponio den neapolitanischen Dialekt in Musik umsetzen musste, den er nach eigenem Bekunden selbst kaum verstehen konnte. Vielleicht hat er deshalb in diese Oper zahlreiche Passagen aus anderen Werken übernommen. So verwendet er beispielsweise ein großes Ensemble aus dem ersten Akt des im gleichen Jahr in Rom uraufgeführten Il barbiere di Siviglia und einige Partien aus der kurz zuvor entstandenen Opera semiseria Torvaldo e Dorliska. Auch aus seinen Frühwerken La scala di seta und L'equivoco stravagante macht er Anleihen. Die Ouvertüre hat er ein Jahr später in La Cenerentola übernommen, so dass es ihm wahrscheinlich selbst nicht daran gelegen war, La gazzetta zu verbreiten, auch wenn es bei der Uraufführung in Neapel einen großen Erfolg verbuchen konnte. So schlummerte es lange Zeit in den Archiven, bis es 2001 beim Rossini Opera Festival zur ersten modernen Aufführung kam. Zu diesem Zeitpunkt war die Partitur allerdings noch nicht komplett, und es fehlte ein groß angelegtes Quintett im ersten Akt, welches bis dahin als verschollen galt. Erst im April 2012 ist es in einer Bibliothek in Palermo wieder aufgetaucht und konnte von Philip Gossett eindeutig La gazzetta zugeordnet werden, so dass 2015 die komplettierte Fassung zur Aufführung gelangt. Das Rossini Opera Festival kann sich dabei allerdings nicht rühmen, die erste Produktion herauszubringen. Da sind Rossinis Geburtsort nämlich die Opéra Royal de Wallonie und die Oper St. Moritz bereits zuvorgekommen, die in zwei unterschiedlichen Inszenierungen diese Opernrarität bereits 2014 auf dem Spielplan hatten.

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Lisetta (Hasmik Torosyan) hat, was ihren zukünftigen Gatten betrifft, ihre eigenen Vorstellungen.

Die Handlung spielt im Hotel Aquila in Paris. Don Pomponio, ein neureicher Händler aus Neapel, hat in der Tageszeitung "La Gazzetta" eine Annonce aufgegeben, um für seine Tochter Lisetta einen finanzkräftigen Ehemann zu finden. Zu diesem Zweck hat er sich mit seiner Tochter im Hotel Aquila einquartiert, ohne jedoch zu wissen, dass Lisetta bereits heimlich mit Filippo, dem Hotelinhaber, liiert ist. Als der junge Weltenbummler Alberto auf der Suche nach einer Frau im Hotel eintrifft und sein Interesse an Lisetta bekundet, kann Filippo Albertos Aufmerksamkeit mit viel Geschick auf Doralice lenken, die ebenfalls im Hotel logiert und von ihrem Vater Anselmo mit dem wohlhabenden Monsù Traversen verkuppeln werden soll. Pomponio hingegen wäre bereit, Alberto als Schwiegersohn zu akzeptieren, da er ihn für einen Nachfahren des berühmten Macedonen-Königs Philipp hält. Folglich gibt Filippo sich als reicher Quäker aus, der für Lisetta eine noch bessere Partie darstellen würde. Lisetta, die zwar in Filippos Plan eingeweiht ist, lehnt den Quäker als Gatten aber dennoch ab, da sie glaubt, dass Filippo sie mit Madama La Rose betrogen habe. Nach einer Aussprache muss nun ein neuer Plan her. Filippo teilt Don Pomponio mit, dass der Quäker ihn zum Duell herausfordern wolle. Auch Alberto gibt vor, sich mit Pomponio duellieren zu wollen, da er ihm seine Tochter zunächst zugesagt und dann sein Versprechen gebrochen habe. Pomponio möchte daraufhin am liebsten nur noch mit seiner Tochter die Stadt verlassen. Da kündigt Filippo ihm die Ankunft einer türkischen Delegation an, die zum einen eine noch lukrativere Partie für Lisetta biete, zum anderen Pomponio die Gelegenheit gebe, dem gefürchteten Duell zu entfliehen. Bei diesem Maskenball können Filippo und Alberto mit Lisetta und Doralice heimlich verschwinden. Madama La Rose bringt die beiden Väter zur Einsicht, so dass sie schließlich zähneknirschend die Liebesheirat ihrer Töchter akzeptieren müssen.

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Komplette Verwirrung im wiederentdeckten Quintett des ersten Aktes: von links: Doralice (Raffaella Lupinacci), Alberto (Maxim Mironov), Don Pomponio (Nicola Alaimo), Filippo (Vito Priante) und Lisetta (Hasmik Torosyan)

Das Regie-Team um Marco Carniti verzichtet in der Inszenierung größtenteils auf ein konkretes Bühnenbild und setzt vielmehr farbliche Akzente, was sowohl den Hintergrund als auch die Kostüme der Protagonisten betrifft. So werden im ersten Teil die von Maria Filippi fantasievoll gestalteten Kostüme in verschiedenen Graustufen gehalten, womit eventuell auf die Annonce in der Titel gebenden "Gazzetta" angespielt werden soll. Im zweiten Teil wird allerdings jedem Protagonisten eine kräftige Farbe zugeordnet. Hier ist es nicht mehr die von Pomponio aufgegebene Anzeige, die die Aktionen der Figuren lenkt. Stattdessen haben sich die Motivationen der Protagonisten verselbstständigt. Während die im Grundton weißen Vorhänge, die die Bühne einrahmen, durch eine geschickte Lichtregie von Fabio Rossi ebenfalls in den Kostümen entsprechende kräftige Farben getaucht werden, besteht das Bühnenbild von Manuela Gasperoni aus vier beweglichen hohen Podesten, die mal als Tische oder Theke im Hotel fungieren, mal zu einem Laufsteg zusammengeschoben werden. Grauer Tüllstoff umgibt diese Podeste, der im zweiten Akt in Form von großen Wolken aus dem Schnürboden herabhängt. Wieso die Leuchtbuchstaben des Hotel Aquila in unterschiedlicher Zusammensetzung und in verschiedenen Höhen aus dem Schnürboden herabgelassen werden, kann nur gemutmaßt werden. Vielleicht sollen die "tanzenden" Buchstaben die Verwicklungen und Verwirrungen beschreiben, in die die Protagonisten im Verlauf des Stückes geraten. Beim Maskenball schöpft Filippi bei den Kostümen noch einmal aus dem Vollen, während die Quäker eher an eine asiatische Delegation erinnern.

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Lisetta (Hasmik Torosyan, vorne mit Ernesto Lama als Tommasino) setzt sich gegen die Hochzeitspläne ihres Vaters Don Pomponio (Nicola Alaimo) zur Wehr (im Hintergrund von links: Doralice (Raffaella Lupinacci) und Madama La Rose (Josè Maria Lo Monaco)).

In diesem Ambiente gelingt es einem großartigen Ensemble auf musikalisch hohem Niveau die Komik des Stückes darstellerisch hervorragend herauszuarbeiten. Allen voran ist Nicola Alaimo zu nennen, für den die Buffo-Partie des Don Pomponio eine Paraderolle ist. Mit kräftigem Bariton und enormem Spielwitz bringt er zunächst die Arroganz des neureichen Händlers zum Ausdruck, der dann beim bevorstehenden Duell aber sehr schnell deutlich macht, dass er ein absoluter Hasenfuß ist. Mit Ernesto Lama steht ihm in der stummen Partie seines Dieners Tommasino ein kongenialer Partner zur Seite, der mit hervorragenden Slapstick-Einlagen, die genau auf Rossinis sprudelnde Musik abgestimmt sind, beim Publikum große Begeisterung hervorruft. Mit großer Komik versucht er im Terzett zwischen Alaimo, Vito Priante als Filippo und Maxim Mironov als Alberto, in dem die drei Männer sich auf das bevorstehende Duell vorbereiten, seinen Herrn zu coachen, muss aber erkennen, dass es unmöglich ist, aus Pomponio einen ernstzunehmenden Duellanten zu machen. So nehmen die vier am Ende die Position von Ballettschwänen ein und tänzeln unter großem Applaus des Publikums von der Bühne. Priante stattet den Filippo mit profundem Bariton aus und macht ihn zum geschickten Drahtzieher der Geschichte. Als asiatisch angehauchter Quäker setzt er komödiantische Akzente.

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Happy End im Hotel Aquila: von links: Filippo (Vito Priante), Lisetta (Hasmik Torosyan), Madama La Rose (Josè Maria Lo Monaco), Don Pomponio (Nicola Alaimo), Monsù Traversen (Andrea Vincenzo Bonsignore), Anselmo (Dario Shikhmiri), Doralice (Raffaella Lupinacci) und Alberto (Maxim Mironov), dahinter Chor des Teatro Comunale di Bologna

Ein weiterer Star des Abends ist Maxim Mironov als Alberto. Seine große Arie im zweiten Akt, wenn er glaubt, die geliebte Doralice an Monsù Traversen verloren zu haben, avanciert zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends, der vom Publikum frenetisch bejubelt wird. Absolut sauber setzt Mironov die Spitzentöne an, ohne dabei zu forcieren, und lässt in der Arie tenoralen Glanz verströmen. Auch Hasmik Torosyan macht die Rolle der Lisetta zu einem Glanzpunkt des Abends. Mit welcher Kraft die junge Sopranistin, die im letzten Jahr noch als Corinna in der Vormittagsveranstaltung Il viaggio a Reims in der Produktion der Accademia Rossiniana begeisterte, bereits in der Kavatine im ersten Akt die Spitzentöne in den Koloraturen intoniert, wenn sie in Sorge ist, dass ihr Vater ihren Plänen mit Filippo zuvorkommen könnte, ist beeindruckend. Auch ihre Arie im zweiten Akt, in der sie wegen der Pläne des Vaters einen Ohnmachtsanfall vortäuscht und damit die Wahnsinnsarien der Opera seria karikiert, wird von Torosyan stimmlich perfekt und mit ausdrucksstarkem Spiel umgesetzt. Raffaella Lupinacci stattet die etwas kleinere Partie der Doralice mit warmem Mezzo aus und kann sich darstellerisch mit kokettem Spiel behaupten. Auch Josè Maria Lo Monaco und Andrea Vincenzo Bonsignore gefallen als Madama La Rose und Monsù Traversen mit komödiantischem Spiel.

Besondere Erwähnung soll auch noch das 2012 wiederentdeckte Quintett aus dem ersten Akt finden. Lisetta glaubt, dass ihr Vater sie mit Filippo verheiraten will, da Pomponio Albertos Nachnamen falsch verstanden hat. Alberto wiederum ist verwirrt, dass Pomponio ihm Lisetta als seine Tochter präsentiert, da er doch eigentlich gedacht hat, Pomponios Tochter sei Doralice. Diese Verwirrung lässt die fünf Protagonisten gesanglich in das Quintett übergehen, das dramaturgisch und musikalisch den Vergleich mit dem berühmten Sextett aus La Cenerentola , "Questo è un noddo avviluppato", nicht scheuen muss, zumal es auch gar nicht so unbekannt klingt, da es im großen Ensemble des ersten Aktes aus Il barbiere di Siviglia endet. Enrique Mazzola führt das Orchester des Teatro Comunale di Bologna mit sicherer Hand durch die temporeiche Partitur, so dass es am Ende frenetischen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Die einzige Neuinszenierung des diesjährigen Festivals kann sowohl in szenischer als auch in musikalischer Hinsicht als absolut gelungen bezeichnet werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Enrique Mazzola

Regie
Marco Carniti

Bühne
Manuela Gasperoni

Kostüme
Maria Filippi

Licht
Fabio Rossi

Chorleitung
Andrea Faidutti



Chor und Orchester des
Teatro Comunale di
Bologna


Solisten

Don Pomponio Storione
Nicola Alaimo

Lisetta
Hasmik Torosyan

Filippo
Vito Priante

Doralice
Raffaella Lupinacci

Anselmo
Dario Shikhmiri

Alberto
Maxim Mironov

Madama La Rose
Josè Maria Lo Monaco

Monsù Traversen
Andrea Vincenzo Bonsignore

Tommasino
Ernesto Lama

 


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