Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum



Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
17.07.2014 - 27.07.2014


Il viaggio a Reims ossia
L'albergo del Giglio d'Oro

Cantata scenica in einem Akt
Libretto von Luigi Balochi
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit deutschen und italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung im Königlichen Kurtheater am 10. Juli 2014
(rezensierte Aufführung: am 12.07.2014)

 

 

 

Homepage

Reise ins wiedereröffnete Kurtheater

Von Thomas Molke / Foto von Elias Glatzle


Das 25-jährige Jubiläum des Belcanto Opera Festivals Rossini in Wildbad ist gerade ein Jahr vorbei, da steht in Bad Wildbad schon das nächste Jubiläum an: Das königliche Kurtheater feiert seinen 150. Geburtstag und konnte dank finanzkräftiger Sponsoren zu diesem Zweck rechtzeitig restauriert und wiedereröffnet werden. Nun steht in Bad Wildbad neben der Trinkhalle endlich wieder eine weitere Bühne zur Verfügung, die mit leichtem Anstieg im Zuschauerraum endlich auch so bestuhlt ist, dass man von jedem Platz aus etwas sehen kann. Für diesen Anlass musste natürlich etwas Festliches her, und was bietet sich da besser an als Rossinis Il viaggio a Reims, eine Cantata scenica, die Rossini zur Krönung von Karl X. als erstes Werk nach seiner Übersiedlung nach Paris komponiert hatte. Obwohl dieses Werk mit den insgesamt 18 teilweise sehr anspruchsvollen Solisten-Partien nicht gerade repertoirefähig scheint, hat es in den letzten 30 Jahren seit seiner legendären Wiederentdeckung 1984 beim Rossini Opera Festival in Pesaro gut 150 Produktionen mit weit über 600 Aufführungen gegeben. Nachdem man im letzten Jahr in Bad Wildbad den kompletten Guillaume Tell als Jubiläumsproduktion herausgebracht hat, wird auch bei dieser Festaufführung das Stück ungekürzt, das heißt inklusive der sonst häufig fehlenden Balletteinlagen und den kompletten fünf Strophen von Corinnas Improvisationsgesang im Finale, präsentiert und dabei gleichzeitig auf CD eingespielt.

Die Handlung spielt im Badehotel "Zur Goldenen Lilie" in Plombières, wo aus ganz Europa eine illustre Gesellschaft zusammengekommen ist, um den Krönungsfeierlichkeiten von Karl X. zum neuen König von Frankreich am 29. Mai 1825 in Reims beizuwohnen. Während das Personal unter der Leitung der Hotelbesitzerin Madama Cortese alles zur Abreise vorbereitet, kämpfen die leicht exaltierten Gäste mit ihren eigenen Problemen. Die modeverrückte Contessa di Folleville ist verzweifelt, weil die Kutsche mit ihrer Garderobe verunglückt ist und sie sich ohne neue Kleidung keinesfalls zu den Feierlichkeiten begeben kann. Der russische General Conte di Libenskof ist eifersüchtig auf den spanischen Grande Don Alvaro, der mit der polnischen Marchesa Melibea flirtet, und will ihn zum Duell fordern. Der schüchterne Lord Sidney ist unsterblich in Corinna, eine berühmte römische Improvisatorin verliebt, bringt es aber nicht über sich, ihr offen seine Liebe zu gestehen, ganz im Gegenteil zu dem französischen Offizier Cavalier Belfiore, der, obwohl er eigentlich mit der Contessa di Folleville liiert ist, Corinna unverhohlen den Hof macht. In all diese Verwirrungen platzt die Nachricht herein, dass für eine Reise nach Reims keine Pferde mehr aufzutreiben seien und man somit in Plombières bleiben müsse. Nach anfänglicher Enttäuschung machen die Gäste aus der Not eine Tugend und feiern im Garten des Hotels ihr eigenes Fest.

Bild zum Vergrößern

Ensemble: von links: Don Luigino (Carlos Cardoso), Antonio (Lucas Somoza Osterc), Don Prudenzio (Baurzhan Anderzhanov, dahinter Don Alvaro (Gezim Myshketa), Madama Cortese (Alessandra Marianelli), dahinter Modestina (Annalisa d'Agosto), Marchesa Melibea (Marianna Pizzolato), Conte di Libenskof (Maxim Mironov), Cavalier Belfiore (Bogdan Mihai), Don Profondo (Bruno De Simone), dahinter Antonino Fogliani, Contessa di Folleville (Sofia Mchedlishvili), Lord Sidney (Mirco Palazzi), Corinna (Laura Giordano), Barone di Trombonok (Bruno Praticò), Maddalena (Olesya Chuprinova), Zefirino (Artavazd Sargsyan), Delia (Guiomar Cantó), Gelsomino (Yasushi Watanabe), dahinter Virtuoses Brunenses und der Camerata Bach Chor Posen

Festival-Intendant Jochen Schönleber hat für diese konzertante Aufführung im wiedereröffneten Königlichen Kurtheater ein erstklassiges Ensemble junger Belcanto-Größen zusammengestellt, die den Mythos der Unaufführbarkeit dieses Werkes deutlich zu widerlegen verstehen. Den Anfang macht dabei Alessandra Marianelli als Madama Cortese, die bereits im letzten Jahr als Zoraide in der konzertanten Aufführung Ricciardo e Zoraide begeisterte. Mit perlenden Koloraturen und glockenklarem Sopran fasziniert sie bereits in ihrem Auftrittsgesang "Di vaghi raggi adorno", wenn sie beklagt, dass sie die Gäste leider nicht zu den Krönungsfeierlichkeiten begleiten könne. Wenn sie dann bei den letzten Anweisungen an das Personal in einen geschäftigen, an Tempo kaum zu übertreffenden Parlando-Stil wechselt und sich dabei absolut textverständlich gegen das Orchester durchsetzt, tobt der Saal bereits zum ersten Mal vor Begeisterung. Doch diesem Höhepunkt folgt direkt der nächste. Sofia Mchedlishvili tritt als exaltierte Contessa di Folleville auf und glänzt neben ihrer stimmlichen Präsentation auch darstellerisch. Da sie in der szenischen Produktion, die nächste Woche im Rahmen des Festivals folgend wird, die Partie ebenfalls übernimmt, verzichtet sie schon bei der konzertanten Variante auf das Textbuch und gestaltet ihre große Arie "Partir, oh ciel! desio", in der sie verkündet, dass sie ohne ihre Garderobe die Reise nach Reims nicht antreten könne, auch darstellerisch überzeugend. Mit reinen sauberen Koloraturen und einer unglaublichen Beweglichkeit in den Höhen empfiehlt sie sich bereits für die Partie der Königin der Nacht, die sie 2015 am Teatro Filarmonico in Verona interpretieren wird, zumal sie im großen Ensemble zu vierzehn Stimmen am Ende des ersten Teils genau diese Partie kurz anklingen lässt.

Ein großartiges Paar geben sowohl stimmlich als auch darstellerisch Marianna Pizzolato und Maxim Mironov als Marchesa Melibea und Conte di Libenskof ab. Pizzolato, die in den letzten Jahren bereits mehrfach in Wildbad in großen Partien zu erleben war, punktet mit kräftigem Mezzo und entwickelt vor allem in den Tiefen ein warmes Timbre. Großartig ist dabei auch ihr wunderbar kokettes Spiel. Mironov, der neben Marianelli im letzten Jahr als Ricciardo in Ricciardo e Zoraide Erfolge feierte, glänzt als eifersüchtiger russischer General mit sauber geführten Spitzentönen und leidet mit tenoralem Schmelz. Großartig gelingt auch das große Versöhnungsduett im Teil nach der Pause, das in einem leidenschaftlichen Kuss auf der Bühne endet. Da verwundert es nicht, dass Gezim Myshketa als spanischer Grande Don Alvaro den Kürzeren ziehen muss, auch wenn er mit durchschlagendem Bass zu punkten weiß. Mit zartem Sopran zu den sanften Klängen der Harfe entschärft Laura Giordano als Corinna die aufgeheizte Situation zwischen dem Spanier und dem Russen und versteht es, mit ihrer sanften Stimme die beiden Streithähne regelrecht einzulullen. Auch ihre Abschlussimprovisation über Karl X. präsentiert Giordano aus dem Hintergrund der Bühne, wahrscheinlich um zu einem besseren Einklang mit der Harfe zu gelangen, da diese wohl nicht so gut zur Geltung gekommen wäre, wenn Giordano bei diesem Gesang an der Rampe gestanden hätte. Auch Giordano verfügt über große darstellerische Präsenz, die vor allem in ihrem Duett mit Bogdan Mihai als Cavalier Belfiore zur Geltung kommt. Während Mihai sie mit hellem Tenor und sauber geführten Höhen zu verführen versucht, macht Giordano in ihrer Mimik und Gestik mehr als deutlich, dass Corinna für derartiges Werben unempfindlich ist. Da bevorzugt sie schon eher den zurückhaltenden Stil eines Lord Sidney, den Mirco Palazzi mit dunklem Bassbariton gestaltet. Seine schmachtende Arie "Invan strappar dal core", in der er seine unglückliche Liebe zu Corinna beklagt, wird zu einem weiteren Höhepunkt des Abends.

Neben den zahlreichen jungen Belcanto-Größen konnten auch zwei "alte Hasen" verpflichtet werden, die beide das Festival in Bad Wildbad schon seit vielen Jahren mitgeprägt haben. Bruno De Simone, der unter anderem 2007 für seine Arbeit als Spezialist des Rossini-Repertoires mit dem Rossini d'Oro ausgezeichnet wurde und in Bad Wildbad noch als Taddeo in L'Italiana in Algeri in bester Erinnerung sein dürfte, ist für die Partie des Don Profondo verpflichtet wurden und ruft beim Publikum mit seiner großen Arie "Medaglie incomparabile", in der er eine exakte Aufstellung über die Wertgegenstände der einzelnen Gäste macht und dabei die unterschiedlichen Nationalitäten persifliert, mit seinem komödiantischen Talent wahre Begeisterungsstürme aus. Gleiches gilt für Bruno Praticò, der als Barone di Trombonok auch in einer konzertanten Aufführung sein großes komödiantisches Talent unter Beweis stellen kann. So bringt er beim Rezitativ vor dem Finale, wenn er die einzelnen Darbietungen der unterschiedlichen Nationen ankündigt, mit seiner gespielten Unschlüssigkeit den musikalischen Leiter Antonino Fogliani scheinbar regelrecht zur Weißglut. Witzig ist auch, wie er gemeinsam mit Fogliani die Darbietung Palazzis "Dell' aurea pianta " auf die Melodie "God Save the King" mit einem entscheidenden "Basta, basta" unterbricht, als Palazzi als Lord Sidney mit seinem patriotischen Gesang kein Ende zu finden scheint. Ein weiterer Höhepunkt für deutsche Zuhörer dürfte auch immer wieder sein, dass Rossini im Rahmen der traditionellen Melodien, die die einzelnen Gäste bei der Feier am Ende des Stückes auf ihre Heimat anstimmen, mit der Verwendung der Kaiserhymne, die Haydn Ende des 18. Jahrhundert komponierte, bereits die Melodie der deutschen Nationalhymne vorweggenommen hat.

Auch wenn man bei dieser Aufführung schon viel von Höhepunkten gesprochen hat, darf das große Ensemble zu 14 Stimmen am Ende des ersten Teils keineswegs ausgelassen werden. Was die Solisten hier nach dem anfänglich traurigen "Ah! A tal colpo inaspettato" gemeinsam mit den Virtuosi Brunenses für ein Feuerwerk zünden, nachdem Madama Cortese die glückliche Nachricht gebracht hat, dass man zwar nicht nach Reims, aber dafür am nächsten Tag nach Paris fahren könne, um da die Feierlichkeiten nachzuholen, und die Contessa di Folleville zu diesem Zweck ihr Haus zur Verfügung gestellt hat, lässt kaum einen Zuschauer ruhig auf dem Stuhl sitzen. Fast hätte man sich gewünscht, dass dieses Ensemble am Ende des Abends noch einmal als Zugabe wieder aufgenommen worden wäre. Doch nach mehr als drei Stunden ist Schluss, und das Publikum wird beschwingt und gut gelaunt aus dem im neuen Glanz erstrahlenden Königlichen Kurtheater entlassen.

FAZIT

Diese Vorstellung wird musikalisch der Bezeichnung "Festaufführung" in jeder Hinsicht gerecht. Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wie Jochen Schönleber dieses Stück in der nächsten Woche im Rahmen des offiziellen Festivals szenisch umsetzen wird.

Weitere Rezensionen zu Rossini in Wildbad 2014



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonino Fogliani

Chor
Ania Michalak

 

Camerata Bach Chor Posen

Virtuosi Brunenses


Solisten

Corinna
Laura Giordano

Marchesa Melibea
Marianna Pizzolato

Contessa di Folleville
Sofia Mchedlishvili

Madama Cortese
Alessandra Marianelli

Il Cavalier Belfiore
Bogdan Mihai

Conte di Libenskof
Maxim Mironov

Lord Sidney
Mirco Palazzi

Don Profondo
Bruno De Simone

Il Barone di Trombonok
Bruno Praticò

Don Alvaro
Gezim Myshketa

Don Prudenzio
Baurzhan Anderzhanov

Don Luigino
Carlos Cardoso

Delia
Guiomar Cantó

Maddalena
Olesya Chuprinova

Modestina
Annalisa d'Agosto

Zefirino
Artavazd Sargsyan

Antonio
Lucas Somoza Osterc

Gelsomino
Yasushi Watanabe

 


Zur Homepage vom
Rossini in Wildbad




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Zur Festspiel-Startseite E-Mail Impressum

© 2014 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de

- Fine -