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Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg

14.07.2014 - 27.07.2014

Iphigenie in Aulis

Oper in drei Akten
Libretto von François Grand-Leblanc du Roullet
Musik von Christoph Willibald Gluck (Fassung von Richard Wagner)

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (zwei Pausen)

Konzertante Aufführung im Schauspielhaus Nürnberg am 14.07.2014


 

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Ein bisschen Gluck, ein bisschen Wagner 

Von Thomas Molke / Fotos von Ludwig Olah


Auch wenn Richard Wagner sich im späteren Verlauf seines Lebens immer mehr von seinen ursprünglichen Vorbildern Mozart, Gluck und Weber distanzierte und in Glucks Reformen nur noch, wie er es selbst formulierte, "Emanzipationsversuche des Künstlers gegen die Willkür des Sängers" sah, unterbrach er 1847 während seiner Zeit als sächsisch-königlicher Hofkapellmeister seine Komposition des dritten Aktes des Lohengrin, um für die Dresdner Hofoper eine deutsche Fassung von Glucks Iphigénie en Aulide zu schaffen, jenem Werk, das 1774 in Paris den folgenschweren Opernstreit ausgelöst hatte. Diese Version hielt sich lange Zeit auf den Spielplänen, bis sie durch den Trend zur historischen Aufführungspraxis in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts zugunsten des französischen Originals wieder von den Spielplänen verschwand. Bei den Internationalen Gluck-Opern-Festspielen hat man sich nun entschieden, diese Bearbeitung in einer konzertanten Aufführung an den Beginn des diesjährigen Festivals zu stellen, um anlässlich des 300. Geburtstags Glucks daran zu erinnern, welche Auswirkungen seine Reformen auch auf überragende Komponisten des 19. Jahrhunderts gehabt haben. Auch Gisela von Wysocki, die zu Beginn der Aufführung einen ca. halbstündigen Vortrag über die Bedeutung Christoph Willibald Gluck für die Nachwelt zum Festival-Thema "ReForm und ReVision" hält, unterstreicht diesen Aspekt. Dass der Abend allerdings mit über drei Stunden für die Oper relativ lang ausfällt, ist weniger dem Vortrag als vielmehr der Tatsache geschuldet, dass nach jedem Akt eine Pause eingelegt wird. Soll dies eine Hommage an Richard Wagner sein, bei dessen Werken die zwei Pausen Usus sind? Ansonsten lassen sich bei den relativ kurzen Akten die beiden Einschnitte nämlich kaum erklären.

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Gisela von Wysocki bei ihrem Festvortrag zur Eröffnung der Internationalen Gluck-Opern-Festspiele

Die Geschichte greift zurück auf ein Drama von Euripides, das Jean Racine ins Französische übertragen hat, und steht am Beginn des Trojanischen Krieges. Die Flotte der Griechen liegt im Hafen von Aulis, um nach Troja aufzubrechen und die geraubte Helena zurückzuholen. Doch die Göttin Artemis ist verärgert und verhindert mit einer Windstille den Aufbruch der Schiffe. Zur Besänftigung verlangt sie durch den Priester Kalchas die Opferung Iphigenies, der Tochter des griechischen Heerführers. Diese ist mit ihrer Mutter Klytemnestra auf dem Weg nach Aulis, um dort mit Achilles vermählt zu werden. Agamemnon ersinnt eine List und schickt den Boten Arkas, um Iphigenie mit einem Bericht über Achilles' vermeintliche Untreue zu bewegen, nach Mykene zurückzukehren. Doch der Bote verfehlt Mutter und Tochter und überbringt die Nachricht erst, als Iphigenie bereits im Lager der Griechen angekommen ist. Achilles kann die gegen ihn formulierten Beschuldigungen von sich weisen, und beide sehen einer glücklichen Vermählung entgegen, bevor sie von der geplanten Opferung erfahren. Während Achilles den Opfertod seiner Braut durch Gewalt verhindern will und auch Agamemnon und Klytemnestra das eigene Kind retten wollen, fügt sich Iphigenie in ihr Schicksal und will dem Verlangen der Gottheit nachgeben. Da erscheint Artemis höchstpersönlich und bringt Iphigenie in ein fernes Land, auf die Insel Tauris, wo sie fortan als Priesterin dienen soll.

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Philippe Auguin mit der Prague Philharmonia und dem Philharmonischen Chor Nürnberg

Richard Wagner hat nicht nur den Auftritt der Göttin am Ende eingefügt, sondern auch die Vor-, Zwischen- und Nachspiele neu komponiert und rückt Glucks Werk damit näher an ein Musikdrama. Besonders deutlich wird dies in der Ouvertüre und im Finale. Bei dem aufbrausenden Sturm, der in der Ouvertüre anklingt, fühlt man sich bisweilen an den fliegenden Holländer erinnert, und auch im Finale, wenn Iphigenie nach Tauris entrückt wird, atmet die Musik in ihrer leitmotivischen Dramatik den Geist eines frühen Wagner. Des Weiteren rückt Wagner die Titelpartie musikalisch mehr ins Zentrum des Geschehens und macht aus ihr eine Leidensfigur, die in ihrer Aufopferungsbereitschaft einer Senta durchaus gleichkommt. Leider wird bei dieser konzertanten Aufführung auf eine Übertitelung verzichtet. Die Textverständlichkeit lässt allerdings, besonders was den Philharmonischen Chor Nürnberg betrifft, stark zu wünschen übrig. Ob dies der Akustik geschuldet ist, da der Chor weit hinten auf der Bühne im Schauspielhaus hinter dem Orchester positioniert ist, oder dadurch zu begründen ist, dass man sich als Zuhörer mittlerweile auch bei deutschen Opern an das Lesen der Übertitel gewöhnt hat, lässt sich wahrscheinlich nicht eindeutig beantworten. Für eine ungünstige Akustik spricht die Tatsache, dass der Chor stellenweise sehr leise, im Zuschauerraum ankommt, was das Textverständnis weiter erschwert.

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Schlussapplaus: von links: Julian Orlishausen (Heerführer), Thilo Dahlmann (Arkas), Wilfried Zelinka (Kalchas), Bianca Koch (Artemis), Philippe Auguin, Claudia Sorokina (Iphigenie), Florian Plock (Agamemnon), Marina Prudenskaya (Klytemnestra) und Endrik Wottrich (Achilles), dahinter Prague Philharmonia und der Philharmonische Chor Nürnberg

Doch auch die Solisten-Riege kann nicht auf ganzer Linie überzeugen. Endrik Wottrich verfügt als Achilles zwar über einen stählernen, baritonal eingefärbten Tenor, der in den Höhen allerdings sehr schnell an seine Grenzen stößt und stark belegt klingt. Besonders deutlich wird dies im zweiten Akt, wenn Achilles erfährt, dass seine geliebte Iphigenie geopfert werden soll. Die hohen Töne, mit denen Achilles seinen Zorn über diese Entscheidung zum Ausdruck bringt, klingen bei Wottrich arg gequetscht, und man hat Sorge, dass er das folgende Duett mit Agamemnon stimmlich nicht durchhält. Auch im dritten Akt, wenn Achilles seiner Braut seinen Schutz zusichert und er im Kampf die Geliebte vor der Opferung verteidigen will, sind seine Kraftreserven schnell aufgebraucht. Florian Plock verfügt als Agamemnon über einen weichen Bariton, dem stimmlich die erforderliche Autorität für den griechischen Anführer fehlt. Dagegen besitzt Wilfried Zelinkas Bass in der Partie des Priesters Kalchas wesentlich mehr Durchschlagskraft. Thilo Dahlmann überzeugt in der recht kleinen Partie des Arkas mit kräftigem Tenor.

Etwas besser verhält es sich bei den Sängerinnen. Claudia Sorokina stattet die Titelpartie mit einem größtenteils sehr textverständlichen, warmen Sopran aus, der die Leidensbereitschaft Iphigenies unterstreicht. Besonders deutlich wird dies im dritten Akt, wenn sie sowohl Achilles als auch Vater und Mutter von sich weist und sich bereitwillig in ihr Schicksal fügt. Marina Prudenskaya verfügt als Klytemnestra über einen voluminösen Mezzo, dem in den dramatischen Ausbrüchen allerdings die Textverständlichkeit verloren geht. Dennoch lassen sich ihre beiden "Rachearien" im ersten Akt, wenn sie von der vermeintlichen Untreue Achilles erfährt, und im dritten Akt, wenn sie ihren Zorn über Iphigenies Opferung zum Ausdruck bringt, als musikalische Höhepunkte der Aufführung bezeichnen, auch wenn ihnen der vom musikalischen Leiter Philippe Auguin scheinbar einkalkulierte Szenenapplaus vorenthalten bleibt. Als einzige inszeniert Bianca Koch ihren Auftritt als Artemis, indem sie am Ende zwischen den Chor tritt und aus dem Hintergrund ohne Textbuch die Entscheidung der Göttin verkündet, auf das Opfer zu verzichten und Iphigenie stattdessen nach Tauris als ihre Priesterin zu entrücken. Die Prague Philharmonia präsentiert unter der Leitung von Philippe Auguin einen sauberen, allerdings musikalisch unspektakulären Gluck, so dass sich die Begeisterung des Publikums nach den einzelnen Akten und am Ende in Grenzen hält.

FAZIT

Zum Auftakt der diesjährigen Festspiele, mit denen unter anderem der 300. Geburtstag Glucks gefeiert werden soll, hätte man sich einen musikalisch fulminanteren Einstieg gewünscht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philippe Auguin

Chor
Gordian Teupke

 


Philharmonischer Chor Nürnberg

Prague Philharmonia


Solisten

Iphigenie
Claudia Sorokina

Klytemnestra
Marina Prudenskaya

Artemis
Bianca Koch

Achilles
Endrik Wottrich

Agamemnon
Florian Plock

Kalchas
Wilfried Zelinka

Arkas
Thilo Dahlmann

Heerführer
Julian Orlishausen


Weitere
Informationen

erhalten Sie von den
Gluck-Festspielen Nürnberg
(Homepage)



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