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Tiroler Festspiele Erl Sommer

10.07.2014 - 03.08.2014

Siegfried

Zweiter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Musik und Dichtung von Richard Wagner

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 4h 40' (zwei Pausen)

Premiere im Passionsspielhaus am 25. Juli 2014

(rezensierte Aufführung im Rahmen des HPH-24-Stunden-Rings: 02.08.2014)

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Tiroler Festspiele Erl
(Homepage)
Siegfried zur Mitternacht

Von Thomas Molke / Fotos von Franz Neumayr

23.00 Uhr ist normalerweise eine Uhrzeit, zu der man das Theater verlässt oder bereits verlassen hat und sich vielleicht noch einen kleinen Umtrunk gönnt. Doch beim 24-Stunden-Ring in Erl geht es um diese Zeit erst mit dem zweiten Tag, Siegfried, los, nachdem man vorher knapp 90 Minuten Zeit gehabt hat, sich mit Speis und Trank zu stärken. Und wieder gibt es ein interessantes und zum Stück passendes Rahmenprogramm. Zwischen Festspielhaus und Passionsspielhaus ist eine Schmiede aufgebaut, in der vor Beginn des Siegfried begonnen wird, ein Schwert zu schmieden, das dann auch rechtzeitig zur ersten Pause so wie Nothung fertig wird. Mit großer Faszination beobachten vor dem Beginn des ersten Aktes und in der Pause zahlreiche Zuschauer den Vorgang und spenden dem Schmied nach getaner Arbeit großen Applaus.

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Siegfried (Michael Baba) schmiedet das Schwert.

Szenisch bleibt dieser Siegfried in allen drei Aufzügen stringent. Dass dennoch einzelne Plätze nach den Pausen frei bleiben, liegt eher daran, dass ein Teil der Zuschauer einfach nicht mehr die Kraft zu haben scheint, diese Aufführung bis in die frühen Morgenstunden zu genießen, wenn es doch bereits ab 11.00 Uhr am nächsten Morgen mit der Götterdämmerung weitergeht. Schon im ersten Aufzug begeistert Jan Hax Halamas Bühnenbild, das auf der rechten Seite eine große Schmiede, und auf der linken Seite einen Herd und eine Arbeitsplatte mit diversen Flaschen und Gläsern zeigt. Hier könnte sich Mime szenisch wunderbar austoben, zunächst bei dem Versuch, ein Schwert für Siegfried zu schmieden, dann beim Brauen des giftigen Trankes. Doch Wolfram Wittekind nutzt darstellerisch als Mime diese Möglichkeiten nicht vollends aus. Vielleicht ist er um diese Uhrzeit bereits ein wenig zu müde. Auf jeden Fall wirkt sein Spiel ein wenig träge. Stimmlich überzeugt er mit kräftigem Tenor. Michael Baba legt die Titelpartie recht tief an, was gut nachvollziehbar ist, da er in den tenoralen Höhen an seine Grenzen stößt. In der Mittellage besitzt seine Stimme viel Substanz. Das Heldenhafte fehlt ihm stimmlich allerdings. Darstellerisch gelingt ihm die Schmiedeszene aber sehr gut. Einen großartigen Auftritt hat auch Thomas Gazheli, der nach dem Alberich im Rheingold nun die Seiten gewechselt hat und den Wanderer singt. Mit markantem Bassbariton fordert er Mime zur Fragerunde heraus und macht deutlich, dass der Zwerg keine Chance hat, sich den Ring zu erwerben.

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Siegfried (Michael Baba) trifft auf Fafner (Andrea Silvestrelli) als Riesenwurm.

Im zweiten Aufzug liefert sich Gazheli stimmlich und darstellerisch einen wunderbaren Schlagabtausch mit Oskar Hillebrandt als Alberich, der den Nachtalben ebenfalls mit einem fundierten Bassbariton ausstattet. Andrea Silvestrelli reiht sich mit seinem sonoren Bass als Fafner hervorragend in diese "dunkle" Männerriege ein. Mit einem Sprechrohr verleiht er dem Riesenwurm noch mehr Hall, der nur mit einem großen Kopf auf der Bühne positioniert ist, hinter dem Silvestrelli als Sänger steht. Das Waldvögelchen schwebt als kleiner Pappvogel über der Szene, wobei Bianca Tognocchi mit leichtem und absolut textverständlichen Sopran aus dem Off singt. Auch die Komik des zweiten Aktes wird vom Orchester wunderbar herausgearbeitet. Wenn Siegfried versucht, die Stimme des Waldvogels zu imitieren, sind den schiefen Tönen wirklich keine Grenzen gesetzt. Ansonsten ist es absolut beeindruckend, wie die Musiker des Orchesters der Tiroler Festspiele selbst nachts um zwei noch mit absoluter Präzision und zartem Klang das Waldweben herausarbeiten, bevor Siegfried auf den Drachen trifft. Schade ist nur, dass diese wunderbare Musik leicht schläfrig macht.

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Der Wanderer (Thomas Gazheli) weckt Erda (Elena Suvorova).

Der Wunsch nach Schlaf wird dann auch unterstützt, wenn man nach der zweiten Pause wieder ins Passionsspielhaus kommt und auf der Bühne die kreisrunde Scheibe sieht, auf der Brünnhilde am Ende der Walküre in den jahrelangen Schlaf versetzt worden ist. Jetzt ist diese Scheibe mit zahlreichen weichen Kissen ausgestattet, so dass bei manchem Zuschauer das Bedürfnis entstehen dürfte, sich einfach auf der Bühne in dieses Bett zu legen. Aber Kuhn dreht szenisch im dritten Aufzug noch einmal richtig auf und mobilisiert alle Kräfte. Elena Suvorova interpretiert wie schon im Rheingold die Erda und begeistert mit ihrem samtweichen Mezzosopran und voluminösen Tiefen. Ihre Szene mit Gazheli als Wotan stellt einen weiteren musikalischen Höhepunkt der Nacht dar. Wenn Wotan dann anschließend auf Siegfried trifft, hängt der Speer, der in den meisten Szenen immer waagerecht von der Decke herabhing, nun senkrecht und zerspringt wie von Geisterhand in zwei Stücke, wenn Siegfried sich den Weg zum Walkürenfelsen bahnt. Hier hätte man Wotan vielleicht den Speer in die Hand geben können und ihn dort brechen lassen.

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Brünnhilde (Nancy Weißbach) ist erwacht (im Hintergrund: Siegfried (Michael Baba)).

Dann traut man seinen Augen nicht, als plötzlich mitten in der Nacht die Erler Kinder mit Fackeln durch den Zuschauerraum auftreten und einen Feuerkreis um die schlafende Brünnhilde bilden. Hier sind auch Altersstufen vertreten, die um diese Zeit sicherlich ins Bett gehören. Aber diese Kinder wirken munterer als ein Teil des Publikums. In einem großartigen Bild durchbricht Siegfried dann diesen Feuerkreis, und es folgt Brünnhildes Erweckung, bei der der Held aber auch bereits sehr müde wirkt. Nancy Weißbach hingegen scheint sich als Brünnhilde zu diesem Zeitpunkt richtig ausgeschlafen zu haben. Mit glasklaren Höhen und enormer Textverständlichkeit präsentiert sie die Partie, die trotz ihrer Kürze von zahlreichen Interpretinnen als die anspruchsvollste Brünnhilde-Partie im ganzen Ring betrachtet wird. Weißbach begeistert bei "Heil dir Sonne" mit einer Frische, die bis zu "leuchtende Liebe, lachender Tod" in keinem Moment nachlässt oder schrill wird. Leider kann Baba da stimmlich nicht mehr ganz mithalten. Er entschuldigt es beim Schlussapplaus mit einem Hinweis auf die Uhrzeit, obwohl es dafür eigentlich gar keinen Anlass gibt, da er vom Publikum für seine Interpretation großen Zuspruch bekommt. Das Orchester unter der Leitung von Gustav Kuhn kann man an dieser Stelle gar nicht genug loben, da es unvorstellbar ist, wie die Musiker von 17.00 Uhr bis 3.40 Uhr in der Frühe diese musikalische Präzision durchhalten können.

FAZIT

Gustav Kuhns Inszenierung lässt keine Wünsche offen und überzeugt auch musikalisch, aber nach spätestens einem Aufzug ist man als Zuschauer so kaputt, dass es schwer fällt, diese Leistung angemessen zu würdigen. Zwei Wagner-Opern dieser Länge am Stück sind auch für den größten Anhänger zu viel.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung, Regie und Licht
Gustav Kuhn

Bühnenbild
Jan Hax Halama

Kostüme
Lenka Radecky

 

Orchester der
Tiroler Festspiele Erl

Hornruf
Andrea Cesari

Die Erler Kinder

Leitung
Maria Neuschmid

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Siegfried
*Michael Baba /
George Vincent Humphrey
Gianluca Zampieri

Mime
Giorgio Valente /
*Wolfram Wittekind

Der Wanderer
Thomas Gazheli

Alberich
Joachim Fuchs /
*Oskar Hillebrandt

Fafner
*Andrea Silvestrelli /
Christoph Stegemann

Waldvogel
*Bianca Tognocchi /
Yvonne Steiner

Erda
Alexandra Sherman /
*Elena Suvorova

Brünnhilde
Bettine Kampp /
Monika Riedler /
Mona Somm /
*Nancy Weißbach

 


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