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Tiroler Festspiele Erl Sommer

10.07.2014 - 03.08.2014

Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Musik und Dichtung von Richard Wagner

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Premiere im Passionsspielhaus am 26. Juli 2014

(rezensierte Aufführung im Rahmen des HPH-24-Stunden-Rings: 03.08.2014)

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Tiroler Festspiele Erl
(Homepage)
Bewegender Weltenbrand im Passionsspielhaus

Von Thomas Molke / Fotos von Franz Neumayr

Nach knappen fünf Stunden Schlaf ging es in Erl dann zum Endspurt mit der Götterdämmerung, wobei vielleicht die Zuschauer, die nach dem Siegfried nicht zurück ins Hotel gefahren, sondern im Festspielhaus geblieben sind, noch den meisten Schlaf bekommen haben. Schließlich waren überall grüne Liegen mit dem Festspiel-Logo aufgestellt worden, auf denen man sich auch in den Vorraum des Festspielhauses zurückziehen konnte. Aber ob man dadurch frischer für den letzten Teil war, ist sicherlich fraglich. Wie die Musiker dieses Pensum bewältigen konnten, nach so kurzer Nachtruhe konzentriert auch noch den letzten Teil der Tetralogie über die Bühne zu bringen, grenzt an ein Wunder. Vielleicht ist es wirklich Wagners Musik, die diese Kräfte freisetzt. Dass aber Thomas Gazheli und Andrea Silvestrelli nach ihrem nächtlichen Auftritt als Wanderer und Fafner am nächsten Morgen schon wieder am Start waren, dieses Mal als Alberich und Hagen, kann schon eher als Unvernunft bezeichnet werden, wobei ihnen stimmlich keinerlei Müdigkeit anzumerken war.

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Die drei Nornen (von links: Svetlana Kotina, Rena Kleifeld und Anna Princeva)

Für das Nornenvorspiel sind drei Podeste mit aufragenden Holzstämmen auf der Bühne aufgestellt, an denen die Nornen ihr Seil spannen können. Dass dabei jede Norn einen eigenen Faden spannt, stört nicht weiter. Rena Kleifeld, Svetlana Kotina und Anna Princeva überzeugen mit harmonischem Gesang und gefallen optisch durch die fantasievollen Kostüme von Lenka Radecky. Dass die Nornen das Seil selbst abreißen, bleibt das einzige Manko der Szene, da es auch nicht zum gesungenen Text passt. Von da aus geht es zum ersten Aufzug auf den Walkürefelsen. Rechts und links von der kreisrunden Scheibe sind zwei Podeste aufgebaut, die an einen Felsen mit einem Steinsitz erinnern. Auf diesem thronen Brünnhilde und Siegfried auch zu Beginn der Szene. Gianluca Zampieri nimmt man allerdings weder stimmlich noch optisch den Helden Siegfried ab. Seinem Tenor fehlt das Heldenhafte. Zwar singt er die Töne sauber und auch textverständlich aus, tenoralen Glanz entfaltet seine Stimme dabei allerdings nicht. Vielleicht ist es dazu morgens noch zu früh. Mit seiner Frisur erinnert er eher an Prinz Eisenherz als an einen germanischen Helden. Mona Somm hingegen glänzt als Brünnhilde mit strahlendem Sopran, die ihren Helden zu neuen Taten antreibt.

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"Schläfst du, Hagen mein Sohn?": Alberich (Thomas Gazheli, oben) und Hagen (Andrea Silvestrelli, unten)

Für die Gibichungenhalle wird dann ein großer heller Teppich ausgerollt, auf den moderne Sessel und Sofas aufgestellt werden. Andrea Silvestrelli verleiht dem Hagen mit seinem sonoren Bass die diabolische Tiefe, die diese Figur auszeichnet, und wirkt auch im Spiel absolut bedrohlich. Michael Kupfer punktet als Gunther mit kräftigem Bariton, und Susanne Geb stattet die Gutrune mit lieblichem Sopran aus, der die Naivität der Figur passend unterstreicht. Siegfrieds Auftritt bei den Gibichungen wird dann ebenfalls wirksam in Szene gesetzt. Die Erler Kinder rahmen Siegfried als Boot gewissermaßen ein und geleiten ihn durch den Mittelgang des Passionsspielhauses zur Bühne. Auch Anne Schuldt hat als Waltraute ihren Auftritt durch den Mittelgang. Mit wehendem roten Tuch rennt sie die Treppen herab um zu Brünnhildes Felsen zu gelangen. Man hat dabei schon etwas Sorge, dass sie mit ihren hochhackigen Schuhen stolpern könnte, aber Schuldt meistert den Weg souverän. Ebenso überzeugend präsentiert sie Waltrautes Erzählung mit wohl-timbriertem Mezzo. Als Brünnhilde ihr anschließend den Ring verweigert, zieht sie verärgert von dannen und rennt erneut durch den Zuschauerraum.

Der anschließende Auftritt Siegfrieds am Felsen ist von Kuhn eigentlich szenisch beeindruckend gedacht, wird von Zampieri allerdings ein bisschen verspielt. Kuhn hat erneut die Erler Kinder mit Fackeln auftreten lassen, die sich auf der rechten Seite der kreisrunden Scheibe positionieren. Wenn Siegfried als Gunther getarnt auftritt - zur Tarnung dient hier nur Gunthers Sonnenbrille, nicht etwa der Helm -, holt Siegfried mit dem Schwert aus, woraufhin die Fackeln alle erlöschen. Das hätte ein großartiger Effekt werden können, wenn Zampieri das Schwert ein wenig entscheidender geschwungen hätte. So nimmt man ihm in keinem Moment ab, dass sich Brünnhilde von diesem "Helden" besiegen und auch noch den Ring abnehmen lässt, zumal Somm auch in dieser Szene darstellerisch hervorragend Widerstand leistet und sich auch stimmlich gegen den Eindringling gut zur Wehr setzt.

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Brünnhilde (Mona Somm), Hagen (Andrea Silvestrelli, Mitte) und Gunther (Michael Kupfer, rechts) schwören Rache an Siegfried.

Ein szenischer und musikalischer Höhepunkt des Mittags ist die Szene zwischen Hagen und seinem Vater Alberich zu Beginn des zweiten Aufzugs. Thomas Gazheli wird als Alberich in der Pause zur Decke emporgezogen. Wenn dann Hagen zur Wacht sitzt und auf Gunthers und Siegfrieds Rückkehr wartet, erscheint Alberich somit von oben und erinnert seinen Sohn an seine Aufgabe. Gazheli begeistert mit markantem Bass und kämpft verzweifelt dagegen an, den Einfluss auf seinen Sohn zu verlieren. Silvestrelli macht stimmlich und darstellerisch deutlich, dass Hagen zwar den Auftrag seines Vaters ausführt, dabei aber seine eigenen Interessen verfolgt. Es ist folglich fraglich, ob er den Ring an seinen Vater übergäbe, wenn er ihn tatsächlich bekäme. Mit fulminantem Klang begeistert im Anschluss auch die Chorakademie der Tiroler Festspiele Erl. Ein musikalischer Genuss ist auch die Szene zwischen Hagen, Brünnhilde und Gunther. Gunther wird hierbei ein wenig als Schwächling dargestellt, der Drogen zu sich nehmen muss, um für den folgenden Racheplan überhaupt stark genug zu sein. Somm, Silvestrelli und Kupfer runden stimmlich den zweiten Aufzug mit einem Schwur ab, der unter die Haut geht. Beim Auftritt der beiden Brautpaare zum Abschluss des zweiten Aufzugs stehen sich dann allerdings nur Brünnhilde und Gutrune gegenüber.

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"Starke Scheite schichtet mir auf": Brünnhilde (Mona Somm) vor dem toten Siegfried (Gianluca Zampieri)

Für die Rheintöchter werden im dritten Aufzug erneut die Leitern aus dem Rheingold von der Decke herabgelassen. Wie schon im Rheingold interpretieren Yukiko Aragaki, Michiko Watanabe und Misaki Ono die Rheintöchter Woglinde, Wellgunde und Floßhilde mit wunderbar aufeinander abgestimmten Stimmen und beweglichem Spiel. In der anschließenden Waldvogelerzählung überzeugt Zampieri als Siegfried mehr als in den beiden vorausgegangenen Aufzügen. "Siegfrieds Tod" ist musikalisch dann wieder ein Kabinettstückchen des Orchesters und geht absolut unter die Haut. Währenddessen wird ein Podest mit einer Treppe hinter dem aufgebahrten Siegfried aufgestellt, aus dessen Vorderseite Holzstücke zu erkennen sind, die wohl die aufgeschichteten Scheite darstellen sollen. Wieso anschließend ein kleines Mädchen die Luke im Boden öffnet, und den Ring auf einem Kissen samt einem kleinen Pferd (Grane?) vor den aufgebahrten Siegfried stellt, erklärt sich nicht. Auch ist es dieses kleine Mädchen, das verhindert, dass Hagen den Ring an sich nehmen kann. Absolut beeindruckend wird dann der Weltenbrand inszeniert. Von beiden Seiten der Bühne werden brennende Platten auf die Bühne getragen, die Brünnhilde in gleißendem Licht erstrahlen lassen, bevor sie sich dann unter ein Tuch wirft, was andeuten soll, dass sie sich ins Feuer gestürzt hat. Im Anschluss senkt sich dann der schwarze Gaze-Vorhang im Hintergrund, der das Orchester von der Bühne getrennt hat, so dass Bühne und Orchester in den grandiosen Schlussklängen nahezu verschmelzen. Die Rheintöchter erscheinen und ziehen Hagen mit in die Tiefe, indem sie ihn mit einem Tuch bedecken. Die aufkeimende Hoffnung am Ende wird dann durch vier Kinder symbolisiert, die die Bodenklappe öffnen und sich mit einem friedlichen Spiel auf der Bühne beschäftigen.

Mit diesen Bildern schafft es Kuhn, dass das Publikum nach dem letzten Ton wirklich einen Moment gerührt innehält, bevor es in frenetischen Applaus ausbricht. Nachdem sich dann alle Protagonisten samt Kuhn auf der Bühne versammelt haben, eilen die Rheintöchter ins Publikum, um Hans Peter Haselsteiner auf die Bühne zu holen, der dann einen Kniefall vor dem Orchester macht, bevor er und Kuhn sich in die Arme fallen.

FAZIT

Gustav Kuhn gelingt szenisch und musikalisch ein fulminanter Abschluss der Tetralogie. Eine angemessene Würdigung der Leistung ist aber dann doch eher möglich, wenn jeder Teil an einem eigenen Tag stattfindet. Bei den Festspielen 2015 wird dieser Zyklus erneut zu erleben sein, dann allerdings an vier aufeinander folgenden Tagen. Wer ein Fan des Rings ist, sollte diese Inszenierung auf keinen Fall verpassen. Wer den Ring noch nicht kennt, hat in Erl die beste Möglichkeit zum Fan zu werden. (Termin: 30.07.2015 - 02.08.2015)

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Produktionsteam

Musikalische Leitung, Regie und Licht
Gustav Kuhn

Bühnenbild
Jan Hax Halama

Kostüme
Lenka Radecky

 

Orchester der
Tiroler Festspiele Erl

Chorakademie der
Tiroler Festspiele Erl

Die Erler Kinder

Leitung
Maria Neuschmid

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Siegfried
George Vincent Humphrey /
*Gianluca Zampieri

Gunther
*Michael Kupfer /
James Roser /
Frederik Baldus

Hagen
*Andrea Silvestrelli /
Igor Storozhenko /
Christoph Stegemann

Alberich
Joachim Fuchs /
*Thomas Gazheli

Brünnhilde
Elena Comotti d'Adda /
Bernadette Flaitz /
Bettine Kampp /
*Mona Somm

Gutrune
*Susanne Geb /
Leonora del Rio

Waltraute
Rita-Lucia Schneider /
*Anne Schuldt

Erste Norn
*Rena Kleifeld /
Elena Suvorova

Zweite Norn
Michaela Bregantin /
*Svetlana Kotina

Dritte Norn
Manuela Dumfart /
*Anna Princeva /
Joo-Anne Bitter

Woglinde
*Yukiko Aragaki /
Atsuko Koyama

Wellgunde
Junko Saito /
*Michiko Watanabe

Floßhilde
Taeka Hino /
*Misaki Ono

Leitermänner
Andreas Gugglberger
Roland Schmid
Klaus Steindl
Georg Wimmer

 


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