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Tiroler Festspiele Erl Sommer

10.07.2014 - 03.08.2014

Das Rheingold

Vorabend des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Musik und Dichtung von Richard Wagner

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (keine Pause)

Premiere im Passionsspielhaus am 18. Juli 2014

(rezensierte Aufführung im Rahmen des HPH-24-Stunden-Rings: 01.08.2014)

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Tiroler Festspiele Erl
(Homepage)
Echte Ambosse beim Abstieg nach Nibelheim

Von Thomas Molke / Fotos von Franz Neumayr

Als Gustav Kuhn 2004 seinen ersten Ring-Zyklus im Rahmen der 1998 von ihm gegründeten Tiroler Festspiele Erl inszeniert hatte, kam er auf der Idee als Projekt für 2005 einen sogenannten 24-Stunden-Ring in Angriff zu nehmen, bei dem die komplette Tetralogie an einem Wochenende präsentiert wurde. Was wie ein wahnwitziges Vorhaben klang, hatte so großen Erfolg, dass es nicht nur die Oper Köln verleitete, diesem Beispiel in der Spielzeit 2006/07 zu folgen, sondern auch in Erl den Ausschlag gab, dass neben der bisherigen Spielstätte der Festspiele, dem Passionsspielhaus, ein eigenes Festspielhaus errichtet wurde. Dass dieses Haus in Zeiten knapper finanzieller Mittel überhaupt gebaut werden konnte, dürfte vor allem einem Mann zu verdanken sein, der in Folge dieses ersten 24-Stunden-Rings die Präsidentschaft der Festspiele übernahm: Dr. Hans Peter Haselsteiner. Anlässlich Haselsteiners 70. Geburtstag hat Gustav Kuhn beschlossen, diesen Ring zu überarbeiten und als HPH-24-Stunden-Ring erneut im Passionsspielhaus zu präsentieren. Dabei deutet nicht nur HPH an, dass dieses Projekt dem Geburtstagskind gewidmet ist, sondern auch das komplette Ensemble tritt gemeinsam mit Kuhn vor dem Beginn des Rheingolds mit den Worten auf: "Lieber Hans Peter, wir widmen dir diesen Ring".

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Wellgunde (Michiko Watanabe, links), Woglinde (Yukiko Aragaki, Mitte) und Floßhilde (Misaki Ono, rechts) spielen mit Alberich (Thomas Gazheli).

Im Gegensatz zu Frank Castorf, dessen Regie schon im Vorfeld der Werkstatt Bayreuth am Grünen Hügel für Unfrieden mit gewaltigem Medienecho sorgte, schlägt Kuhn in seiner Inszenierung einen eher traditionellen Weg ein, der auch ein Publikum ohne große Vorkenntnisse des Werkes verstehen lässt, worum es im Libretto eigentlich geht. Das Orchester der Tiroler Festspiele Erl ist dabei hinter einem schwarzen Gaze-Vorhang hinter der Bühne für das Publikum sichtbar untergebracht und erzeugt unter dem umsichtigen Dirigat Kuhns einen Klang, der keinerlei Wünsche offen lässt und sich für die vor dem Orchester agierenden Solisten als absolut sängerfreundlich auszeichnet. Die Rückwand hinter dem Orchester wird mit unterschiedlichen Farben angestrahlt, die die jeweilige musikalische Stimmung wunderbar einfangen. So beginnt es in den Tiefen des Rheins mit einem Blauton, der vermittelt, dass man sich in den Tiefen des Rheins befindet. Wie drei Felsen im Wasser stehen auf der Bühne drei aus Leitern geformte Pyramide, die die Rheintöchter für sich einnehmen und auf denen sie während ihres Spiels im Wasser von Leitermännern über die Bühne geschoben werden. Lenka Radecky hat für die Rheintöchter fantasievolle Kostüme in unterschiedlich schillernden Farben entworfen, die wunderbar anzusehen sind. Da stört es auch nicht weiter, dass Alberich in seinem dunklen Anzug relativ modern wirkt und der abstoßenden Beschreibung durch die Rheintöchter nicht entspricht.

Wenn das Rheingold erstrahlt, erscheint über dem Orchester ein gold schimmernde Klumpen, der anschließend, wenn Alberich die Liebe verflucht hat, in kleinerer Form auch auf der Bühne herabgelassen und von Alberich geraubt wird. Yukiko Aragaki, Michiko Watanabe und Misaki Ono begeistern als Rheintöchter Woglinde, Wellgunde und Floßhilde mit wunderbarer Textverständlichkeit und harmonischem Klang, wobei sie sich auf den Leitern auch absolut schwindelfrei präsentieren. Thomas Gazheli stattet den Alberich mit einem kräftigen Bass auf und vollzieht darstellerisch einen beeindruckenden Wandel vom scheinbar harmlosen Alben, der sich nur ein Mädchen wünscht, zum gierigen Machtmenschen, der der Liebe entsagt und mit dem Ring die Weltherrschaft anstrebt.

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Fasolt (Franz Hawlata, links) und Fafner (Andrea Silvestrelli, rechts) beanspruchen Freia (Joo-Anne Bitter) als Lohn.

Das zweite Bild auf luftigen Höhen ist dann etwas moderner gehalten. Auf der Bühne werden weiße Gartenmöbel aufgebaut, an denen die Götter in scheinbarem Luxus auf die Fertigstellung der Burg warten und sich dabei eben die Zeit vertreiben, Froh mit Golf und Donner als Hammerwerfer, wobei dieser bereits mehrere Medaillen erworben hat, die er stolz mit sich herumträgt und die für seine großen sportlichen Erfolge sprechen. Kann man dies bei den Göttern vielleicht noch einigermaßen nachvollziehen, bleibt dann doch ein wenig unklar, wieso auch die Riesen in Sporttrikots auftreten, Fasolt als Baseballer und Fafner als Eishockeyspieler. Natürlich wirken sie in diesen Kostümen mit den hohen Schuhen absolut massig und groß, aber dass sie gerade eine Burg zu Ende gebaut haben, nimmt man ihnen in diesem Outfit weniger ab. Da wirkt Loge als Strippenzieher mit Handy am Ohr und Ledermappe schon durchaus passender, zumal die feuerroten Schuhe und die rote Krawatte ihn als Feuergott kennzeichnen. Warum Kuhn ihn allerdings während seiner Erzählung einen Apfel schälen lässt, erschließt sich nicht wirklich, zumal es sich eigentlich nicht um Freias Äpfel handeln kann, da Loge ja selbst bekennt, von ihnen unabhängiger als die anderen Götter zu sein. Stimmlich können die Solisten auch in diesem Bild überzeugen. Franz Hawlata wirkt als Fasolt mit seinem Bass ein bisschen weicher als Andrea Silvestrelli in der Partie des Fafner, was wunderbar zu den beiden Rollenprofilen passt, da Fasolt wesentlich mehr für Freia empfindet und beim Kampf um das Gold am Ende von seinem Bruder erschlagen wird. Joo-Anne Bitter überzeugt als Freia mit leuchtendem Sopran, und Hermine Haselböck punktet als Fricka mit vollem Mezzo.

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Loge (Johannes Chum, links) hat Alberich (Thomas Gazheli, rechts) überlistet.

Der Abstieg nach Nibelheim ist dann musikalisch ein absoluter Genuss, wie man ihn gern häufiger erleben würde. Kuhn hat nämlich an den Seiten im Zuschauerraum insgesamt 18 Ambosse positioniert, so dass das Hämmern der Ambosse endlich einmal nicht vom Band eingespielt werden muss, sondern live aus dem Zuschauerraum erklingt. Vielleicht hätte man es sich stellenweise noch ein wenig aggressiver und heftiger gewünscht, aber der Originalklang ist von keiner Einspielung vom Band zu übertreffen. Dafür wirken Alberichs Verwandlungen allerdings ein wenig dilettantisch. In der Mitte ist zwischen zwei schräg aufgestellten Säulen ein schwarzes Tuch gespannt, hinter dem Alberich jeweils mit seinem Tarnhelm verschwindet. Die Riesenschlange ist dann eine Art Kobra, die an einer Stange hinter diesem schwarzen Vorhang auftaucht und aus dem gleichen Material zu sein scheint wie der Goldklumpen. Die Kröte ist zwar nett anzusehen, wenn sie auf dem Vorhang herumspringt, aber Wotan packt in diesem Fall nicht die Kröte, sondern zieht direkt Alberich hinter dem schwarzen Vorhang hervor. Wieso sich Alberich da mit dem Ring von Wotan und Loge überwältigen lässt, wirkt etwas unglaubwürdig.

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Einzug der Götter in Walhall: von links: Freia (Joo-Anne Bitter), Froh (Ferdinand von Bothmer), Fricka (Hermine Haselböck), Wotan (Michael Kupfer) und Loge (Johannes Chum)

Im vierten Bild wirft dann Kuhns Personenregie wieder einige Fragen auf. Das Gold, das die Erler Kinder als Nibelungen herbeischaffen, lässt sich zu einer Form zusammenstecken, die in etwa Freia nachbilden soll, wobei die obere Hälfte des Kopfes frei bleibt. Da reichen aber eigentlich auch nicht Tarnhelm und Ring, um Freia wirklich verschwinden zu lassen. Ungewöhnlich ist hierbei allerdings vielmehr, wieso die Riesen diese Form allein zusammenstecken müssen, obwohl Donner und Froh laut Libretto ja durchaus mithelfen, das Gold nach Freias Maß aufzutürmen. Großartig hingegen gelingt der Auftritt Erdas, die durch eine Klappe im Bühnenboden erscheint. Mit sattem Mezzo und wunderbaren Tiefen warnt Elena Suvorova als Erda vor dem Ring und bewegt Wotan schließlich dazu, ihn den Riesen zu überlassen. Den Einzug in Walhall inszeniert Kuhn anschließend nicht, sondern lässt die Götter einfach nur die Bühne verlassen. Wotan taucht dann zwar später noch einmal hinter dem Orchester auf, und auch die Rheintöchter bringen ihre Klage über das geraubte Gold aus den Reihen des Orchesters vor. Doch ansonsten lebt diese Szene nur von der musikalischen Umsetzung des Tiroler Festspielorchesters. Michael Kupfer überzeugt als Wotan mit sonorem Bariton und hervorragender Diktion. Johannes Chum begeistert als Loge mit hellem Tenor, der dem listigen Charakter des Feuergottes wunderbar gerecht wird. So gibt es am Ende des Vorabends großen Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Auch wenn in der szenischen Umsetzung nicht alles nachvollziehbar ist, lässt sich die Inszenierung als rundherum gelungen betrachten und bietet einen guten Einstieg in den folgenden Marathon der drei Tage innerhalb von 24 Stunden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung, Regie und Licht
Gustav Kuhn

Bühnenbild
Jan Hax Halama

Kostüme
Lenka Radecky

 

Orchester der
Tiroler Festspiele Erl

Ambossspieler

Dirigent
Erich Polz

Die Erler Kinder

Leitung
Maria Neuschmid

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Wotan
*Michael Kupfer /
James Roser

Donner
*Frederik Baldus /
Joachim Fuchs /
Nicola Ziiccardi

Fricka
*Hermine Haselböck /
Svetlana Kotina

Loge
*Johannes Chum /
Carl-Christof Gebhardt
/
Ferdinand von Bothmer

Froh
*Ferdinand von Bothmer /
Markus Herzog

Freia
Martina Bortolotti /
Anna Princeva /
*Joo-Anne Bitter

Fasolt
*Franz Hawlata /
Martin Snell /
Igor Storozhenko

Fafner
*Andrea Silvestrelli /
Michael Doumas

Alberich
Joachim Fuchs /
*Thomas Gazheli

Mime
*Giorgio Valente /
Wolfram Wittekind

Erda
Alexandra Sherman /
*Elena Suvorova

Woglinde
*Yukiko Aragaki /
Atsuko Koyama

Wellgunde
Junko Saito /
*Michiko Watanabe

Floßhilde
Taeka Hino /
*Misaki Ono

Leitermänner
Andreas Gugglberger
Roland Schmid
Klaus Steindl
Georg Wimmer

 


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Tiroler Festspiele Erl



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