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Klangvokal
Musikfestival Dortmund
22.05.2014 - 22.06.2014

Il diluvio universale (Die Sintflut)

Oratorium (Dialogo posta in musica) in vier Teilen
Libretto von Vincenzo Giattini
Musik von Michelangelo Falvetti

in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 25' (keine Pause)

Aufführung in der St. Reinoldikirche Dortmund  am 22. Juni 2014

 

 

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Fulminante Sintflut in der Reinoldikirche

Von Thomas Molke / Fotos: © Bülent Kirschbaum

Nachdem das sechste Klangvokal Musikfestival vor genau einem Monat mit einer konzertanten Aufführung von Monteverdis L'Orfeo in der Reinoldikirche einen großartigen Auftakt erlebte (siehe auch unsere Rezension), hat man sich auch für die diesjährige Abschlussveranstaltung für diesen Aufführungsort entschieden, der durch seine wunderbare, leicht hallende Akustik besticht. Die Wahl ist dabei auf ein Oratorium gefallen, das erst vor wenigen Jahren von dem Musikwissenschaftler Nicolò Macavino in einer Bibliothek von Messina wiederentdeckt und von Leonardo García Alarcón mit seiner Cappella Mediterranea beim französischen Festival d'Ambronay 2010 erstmalig einem neuzeitlichen Publikum zu Gehör gebracht worden ist. Der Komponist Michelangelo Falvetti dürfte ebenso unbekannt wie das Werk Il diluvio universale sein, das er wahrscheinlich als "Antrittskomposition" als Senatskapellmeister im Dom von Messina 1682 zur Uraufführung brachte. Die berühmte biblische Geschichte über die Sintflut, mit der der alttestamentarische Gott die Menschen bestrafte, traf damals wahrscheinlich genau den Geschmack der damaligen spanischen Machthaber von Messina, die nach jahrelangen kämpferischen Auseinandersetzungen mit der Bevölkerung Siziliens auch in der Musikkultur ein Zeichen für ihre rechtmäßige Vormachtstellung setzen wollten.

Doch die damalige Zensur hat sich wohl von dem Thema ein wenig blenden lassen und übersehen, dass Falvetti in der Musik und Giattini im Libretto den höheren Mächten, die in Form von Allegorien auftreten, negative und zwiespältige, teilweise auch belächelnswerte Züge verleiht, die am Ende gegen menschliche Liebe im Bund mit Gott das Nachsehen haben. So dürfte das Happy End des Oratoriums, wenn die Menschen anhand eines erscheinenden Regenbogens ihre Freude über die Zukunft zum Ausdruck bringen, sicherlich nicht an das Wohlwollen der spanischen Besatzer geknüpft sein. Musikalisch entfaltet dieses Oratorium in den vier Teilen eine Dramatik, die einer szenischen Oper durchaus nahekommt. Folglich wird bei der Aufführung auch auf einen rein konzertanten Rahmen verzichtet. Solisten und Chor tragen die Partien auswendig vor und setzen den gesungenen Text im Rahmen ihrer Möglichkeiten in der Kirche beeindruckend in Szene.

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La Giustizia Divina (Evelyn Ramirez Muñoz, Mitte links) entfacht mit den Elementen (auf der rechten Seite von links: Francesca Aspromonte und Caroline Weynants) die Sintflut.

Wenn im ersten Teil La Giustizia Divina auftritt und eine Bestrafung der rebellischen Menschen fordert, erhebt sich Evelyn Ramirez Muñoz als Giustizia Divina von einem Platz aus dem Zuschauersaal und schreitet erhaben zum Orchester auf die Bühne. Auch die vier Elemente treten durch das Kirchenschiff auf und erheben sich, um die Erde in Regen, Fluten, Hagel und Stürmen untergehen zu lassen. Welche musikalische Wucht die Cappella Mediterranea unter der Leitung von Leonardo García Alarcón dabei dem Publikum entgegenschleudert, lässt beim Zuhörer den Eindruck entstehen, dass sich tatsächlich regelrechte Sturzbäche über die gesamte Kirche ergießen. Das Publikum ist so ergriffen, dass es nach diesem ersten Teil bereits frenetischen Applaus spendet. Muñoz begeistert als Giustizia Divina mit großartigen Tiefen, die vom Mezzo weit in die Altlage hineinreichen. Dabei entfaltet ihre Stimme einerseits eine Wärme, die Verständnis für ihre Klage hervorruft, und schlägt dann in eine furiose Dramatik um, die deutlich macht, dass mit dieser göttlichen Macht nicht zu spaßen ist. Francesca Aspromonte, Caroline Weynants und zwei Sänger (Tenor und Bass) des Choeur de Chambre de Namur begeistern als die vier Elemente, die angestachelt von Muñoz die Erde im Chaos versinken lassen.

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Noé (Fernando Guimarães) mit seiner Frau Rad (Mariana Flores) in inniger Zweisamkeit

Nach diesem ergreifenden Teil wechselt die Perspektive auf die Erde zu Noah (Noé) und seiner Frau (Rad). Mariana Flores und Fernando Guimarães finden nicht nur stimmlich sondern auch darstellerisch zu einer berührenden Innigkeit, Flores begeistert dabei mit einem raumfüllenden, warmen Sopran. Guimarães stattet den Noah mit einem samtweichen Tenor aus, so dass bei beiden die göttliche Ergebenheit regelrecht spürbar wird und man versteht, dass Gott diese beiden Menschen nicht dem Untergang weihen will. Musikalisch und szenisch beeindruckend gelingt auch der erste Auftritt von Gott (Dio). Matteo Bellotto wird im Seitenschiff angestrahlt und tritt zu den sakralen Klängen einer Orgel mit Noah und seiner Frau in einen Dialog. Wie Falvetti in der Orchestrierung mit der Orgel die göttliche und mit den Streichern die menschliche Seite in diesem Gespräch untermalt, ist wirklich großartig umgesetzt. Genauso bewegt die anschließende Sinfonia di tempeste, in der der Chor der Menschen in den Fluten untergeht. Falvetti lässt die Musik dabei abrupt abbrechen, so dass man das Gefühl hat, dass das Wasser nun wirklich alles Leben auf der Erde ausgelöscht hat.

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Auftritt La Morte (Fabián Schofrin)

Dann tritt der Tod (La Morte) als weiterer theatralischer Affekt auf. Nachdem die Musik abgebrochen ist, vernimmt man aus dem hinteren Teil der Kirche ein lautes Klopfen. Mit langsamen Schritten schreitet der Tod als Sensenmann in einem schwarzen Umhang und mit weiß geschminktem Gesicht bedrohlich durch den Zuschauerraum zur Bühne. Alarcón lässt Fabián Schofrin diesen dramatischen Auftritt, bevor er den Tod dann von der Bühne musikalisch zu Wort kommen lässt. Schofrin changiert bei seinem Monolog zwischen Sprechgesang und Countertenor, so dass der Registerwechsel der ganzen Szene eine surreale Färbung gibt. Schofrin wirkt dabei darstellerisch und stimmlich absolut bedrohlich. Der Chor bricht erneut in seinem Gesang ab und kann von den Wörtern "vita" und "morte" nur noch die ersten Silben erklingen lassen. Caroline Weynants tritt nun als Allegorie der Natura Humana auf und beklagt das menschliche Leid, für das der Tod allerdings kein Mitgefühl hat. Bemerkenswert ist an dieser Stelle die Perkussion von Keyvan Chemirani, der mit unterschiedlichen Schlaginstrumenten die unruhige und ängstliche Stimmung der Natura Humana einfängt.

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Leonardo García Alarcón mit (von links) Caroline Weynants, Mariana Flores und Francesca Aspromonte beim Finale in der Zugabe

Nachdem der Tod dann die ganze menschliche Natur in die Knie gezwungen hat, kommt der Moment, wo Falvetti den Tod seiner Ernsthaftigkeit beraubt. Mit einem Tamburin tritt Schofrin auf und tänzelt zu einer Tarantella über die Bühne, jubelnd, dass er nun die ganze Welt bezwungen habe und sich ihm niemand widersetzen könne. Doch das stimmt nicht ganz. Denn Noah und Rad haben auf der Arche die Sintflut überlebt und erlangen von Gott Gnade. In einer Hoffnung spendenden Melodie entwickelt sich der Regenbogen, den Flores gemeinsam mit Weynants und Aspromonte in einem bewegenden Terzett besingt, in das dann am Ende alle einstimmen. Der Friede ist auf Erden zurückgekehrt. Nicht nur das Publikum ist von diesem versöhnlichen Schluss so begeistert, dass es stehende Ovationen für alle Beteiligten gibt, sondern auch Alarcón lässt es sich nicht nehmen, dieses Finale noch einmal als Zugabe zu präsentieren, wobei er zunächst dem Publikum mit enthusiastischer Begeisterung das Motiv des Regenbogens zur Musik in die Luft zeichnet.

Als zweite Zugabe haben die Solisten dann noch das Finale aus Verdis Falstaff vorbereitet. Alarcón begründet die Wahl damit, dass auch Falvetti ein Werk namens Nabucco komponiert habe. Der eigentliche Bezug dürfte allerdings sein, dass dieses Oratorium absolut szenisch in der Reinoldikirche umgesetzt worden ist, und die Solisten damit ihre Freude an der Aufführung zum Ausdruck bringen wollen ("Tutto nel mondo è burla"), auch im Oratorium.

FAZIT

Mit diesem unbekannten Oratorium ist dem Klangvokal Musikfestival ein grandioser Abschluss gelungen.

Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2014.

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Leonardo García Alarcón

 

Cappella Mediterranea

Choeur de Chambre de Namur

 

Solisten

Rad
Mariana Flores

Noé
Fernando Guimarães

Dio
Matteo Bellotto

La Morte
Fabián Schofrin

La Giustizia Divina
Evelyn Ramirez Muñoz

L'Acqua
Francesca Aspromonte

La Natura Humana
Caroline Weynants

Perkussion
Keyvan Chemirani

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Klangvokal Dortmund
(Homepage)



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