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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
11.07.2013 - 21.07.2013


Ricciardo e Zoraide

Ernste Oper in zwei Akten
Libretto von Francesco Berio di Salsa
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit deutschen und italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 25' (eine Pause)

Konzertante Premiere in der Trinkhalle in Bad Wildbad am 17. Juli 2013
(rezensierte Aufführung: am 20.07.2013)

 

 

 

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Belcanto-Rarität in hervorragender Besetzung

Von Thomas Molke


Obwohl Rossinis ernste Oper Ricciardo e Zoraide bei der Uraufführung 1818 in Neapel einen riesigen Erfolg feierte, der sogar dazu führte, dass sich seine damaligen Kritiker mit dem neuen Musikstil des Pesaresen aussöhnten, konnte dieses Werk bei der Wiederentdeckung 1990 beim Rossini Opera Festival in Pesaro an den damaligen Erfolg in keiner Weise anknüpfen. Selbst die Wiederaufnahme 1996 in Pesaro trug nicht dazu bei, dass diese, wie einige heutige Forscher und Opernliebhaber sie bezeichnen, "kleine Schwester der großen ernsten Opern der neapolitanischen Phase Rossinis" erneut zu einer modernen Aufführung gelangte. Das Festival Rossini in Wildbad hat sich entschieden, im Jubiläumsjahr dieser Rarität eine weitere Chance zu geben. Da das diesjährige Festival allerdings ganz im Zeichen von Guillaume Tell und der Schweiz steht und eine weitere szenische Produktion mit einem weiteren Bühnenbild zu aufwändig gewesen wäre, wird dieses Werk in der Trinkhalle nur konzertant präsentiert.

Die Geschichte geht zurück auf das Gedichtepos Ricciardetto, das Nicolò Forteguerri aufgrund einer Wette in einem literarischen Zirkel als satirische Antwort auf die berühmte Tradition der bis ins Mittelalter zurückreichenden Rittergedichte verfasste. Darin berichtet Forteguerri in 30 Gesängen von Rinaldos jüngerem Bruder Ricciardetto, der sich mit den Paladinen Karls des Großen gegen eine riesige afrikanische Armee durchsetzt und am Ende Despina, die Tochter des afrikanischen Königs, gewinnt. Als Rossinis Librettist Francesco Berio di Salsa beschloss, dieses Werk als Vorlage für eine ernste Oper auszuwählen, musste er mit Blick auf die Begebenheiten in Neapel allerdings einige Änderungen vornehmen und konzentrierte sich nur auf eine Episode aus dem Epos. Aus Ricciardetto wurde Ricciardo, der Zoraide, die Tochter eines Fürsten asiatischer Herkunft liebt, die allerdings von Agorante, dem König von Nubien, gefangen gehalten wird. Bei dem Versuch, die Geliebte zu befreien, gerät er durch eine Intrige Zomiras, der eifersüchtigen Ehefrau des Königs, in eine Falle und soll gemeinsam mit Zoraides Vater Ircano, der ebenfalls unerkannt nach Nubien gekommen ist und in einem Duell um Zoraide von Ricciardo besiegt worden ist, hingerichtet werden. In letzter Sekunde können die Kreuzritter in Nubien eindringen und die Hinrichtung verhindern. Ricciardo verschont Agorantes Leben, was Ircano so beeindruckt, dass er dem Paladin die Hand seiner Tochter gewährt.

Dass direkt nach der Uraufführung der Oper im "Giornale delle Due Sicilie" ein Brief erschien, der angeblich aus dem Elysium vom verstorbenen Domenico Cimarosa stammte und in dem der anonyme Absender Rossini dafür pries, endlich die "modernen musikalischen Ausschweifungen" aufgegeben zu haben und zum wahren Stil der Opera serie zurückgekehrt zu sein, mag zum einen daran liegen, dass der Aufbau des Librettos stark an Metastasio erinnert. So dienen lediglich die zahlreichen Rezitative dazu, die verworrene Handlung zu entwickeln, während in den musikalischen Nummern die daraus entstandenen emotionalen Situationen ausgemalt werden. Zum anderen dürfte aber auch gerade diese für Rossinis Zeit antiquierte Form ihren Beitrag dazu geleistet haben, dass sich das Werk in heutiger Zeit noch nicht durchsetzen konnte, was mit Blick auf die musikalischen Perlen, die in dieser Oper zu hören sind, äußerst bedauerlich ist.

Eine Neuerung für Rossini ist in diesem Werk die Verwendung der Banda, einer Blasmusikkapelle auf bzw. hinter der Bühne, die einen weiteren Klangkörper neben dem eigentlichen Orchester vor der Bühne bildet und somit den musikalischen Raum physisch ausweitet. So scheinen die Klänge hinter der Bühne von "draußen" zu kommen und charakterisieren die vor den Toren Nubiens lagernden Paladine. Gleiche Effekte erzeugt Rossini bei der Aufteilung des Chors im ersten Akt in Soldaten und Späher. Während man auf der Bühne die Soldaten hört, die wahrscheinlich auf der Stadtmauer wachen, vernimmt man hinter der Bühne die Späher, die das Gelände vor der Mauer erkunden. Aufgrund der räumlichen Beschränkungen der Trinkhalle ist es in Bad Wildbad leider nicht möglich, diesen Effekt mit Live-Musik nachzubilden. So werden die Passagen der Banda und der Off-Chor über Lautsprecher leicht gedämpft eingespielt, erzielen im Kontrast zum Orchester und Chor auf der Bühne allerdings einen vergleichbaren Effekt.

Musikalisch weist die Oper einige Glanzlichter auf. Zu nennen ist hier das Terzett im ersten Akt "Cruda sorte! Oh amor tiranno!" zwischen Agorante, Zoraide und Zomira, das die komplizierte Konstellation zwischen den drei Figuren herausarbeitet. Während Agorante seiner Ehefrau Zomira klarzumachen versucht, dass sie Zoraide als Nebenfrau akzeptieren müsse, wenn sie Königin bleiben wolle, drückt Zoraide ihre Verzweiflung über die Situation aus, da sie den afrikanischen König nicht liebt. Zomira hingegen lässt ihrer Wut über die ihr widerfahrene Demütigung freien Lauf und schwört Rache. Bemerkenswert sind auch die beiden Duette im zweiten Akt. Im ersten Duett "Donala a questo core" zwischen Ricciardo und Agorante verspricht Ricciardo als verkleideter Afrikaner dem König, Zoraide von Ricciardos Untreue zu überzeugen, damit sie sich endlich dem König öffnet. Dabei verfolgt Ricciardo allerdings nur das Ziel, Zoraide heimlich zu treffen, um mit ihr zu fliehen. Dieser Fluchtplan wird dann auch in dem bewegenden zweiten Duett "Ricciardo!... che veggo?" zwischen Ricciardo und Zoraide liebevoll ausgeschmückt. Ebenfalls markant ist das anschließende Quartett "Contro cento e cento prodi", in dem erstmals Zoraides Vater Ircano auftritt und unerkannt für die Befreiung der Tochter kämpfen will.

Auch die Besetzung kann sich hören lassen und dürfte Belcanto-Fans auf das baldige Erscheinen des vom SWR mitgeschnittenen Konzertes auf CD hoffen lassen. Allen voran sind hier Randall Bills als Agorante und Alessandra Marianelli als Zoraide zu nennen. Bills verfügt über einen strahlenden Tenor, der in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt und die Partie des Königs regelrecht majestätisch ausfüllt. Dabei passt das stählerne Timbre hervorragend zu der Unerbittlichkeit Agorantes. Marianelli begeistert als Zoraide mit leicht perlenden Koloraturen und sauber geführten Spitzentönen. Von dieser jungen Sopranistin dürfte man in Zukunft noch einiges erwarten können. Maxim Mironov glänzt als Ricciardo mit lyrischem Tenor und weichen Bögen. Silvia Beltrami stattet die intrigante Königin Zomira mit einem voluminösem Mezzo aus und macht deutlich, dass man sich diese Person nicht zur Feindin machen sollte. Nahuel Di Pierro überzeugt als Zoraides Vater Ircano mit markantem Bass. Auch die weiteren Rollen sind mit Artavazd Sargsyan als Ernesto, Diana Mian als Fatima und Anna Brull als Elmira stimmlich gut besetzt. Der Camerata Bach Chor unter der Leitung und Begleitung von Ania Michalak begeistert durch fulminanten Klang. José Miguel Pérez-Sierra führt das Orchester Virtuosi Brunensis mit sicherer Hand durch die musikalisch abwechslungsreiche Partitur, so dass es am Ende lang anhaltenden und verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Musikalisch führt diese Oper Rossinis zu Unrecht ein Schattendasein. Hoffentlich kann die CD-Einspielung dieser Produktion davon überzeugen, diesem Werk mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
José Miguel Pérez-Sierra

Chor
Ania Michalak

Licht
Kai Luczak

 

Virtuosi Brunensis

Camerata Bach Chor


Solisten

Agorante, König Nubiens
Randall Bills

Zoraide, Tochter von Ircano
Alessandra Marianelli

Ricciardo, Paladin
Maxim Mironov

Ircano, mächtiger Herrscher in Nubien
Nahuel Di Pierro

Zomira, Agorantes Ehefrau
Silvia Beltrami

Ernesto, Ricciardos Freund
Artavazd Sargsyan

Fatima, Vertraute Zoraides
Diana Mian

Elmira, Vertraute Zomiras
Anna Brull

Zamorre, Vertrauter Agorantes
Bartek Zolubak

 


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