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Wexford Festival Opera
23.10.2013 - 03.11.2013


Losers

Zweiter Akt der Oper Ballymore
Libretto von Richard Wargo basierend auf dem Theaterstück Lovers von Brian Friel
Musik von Richard Wargo

In englischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 5' (keine Pause)

Premiere im Auditorium der Presentation Secondary School in Wexford am 27. Oktober 2013



 

 

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Wer ist der Verlierer?

Von Thomas Molke / Fotos von Paula Malone-Carty


Während im Rahmen der "Short Works" in der Regel einstündige Kurzopern oder gekürzte Kammerfassungen gängiger Repertoire-Stücke präsentiert werden, ist mit Richard Wargos Losers der zweite Teil der Oper Ballymore zu erleben, die Wargo 1999 basierend auf dem 1967 erschienenen Theaterstück Lovers komponierte, das in den beiden Teilen Winners und Losers von zwei Paaren handelt, deren Liebe jeweils vom gesellschaftlichen Umfeld erschwert wird. Da in den beiden Teilen allerdings eigenständige Geschichten mit völlig unterschiedlichen Charakteren erzählt werden, können die beiden Teile auch einzeln zur Aufführung gebracht werden, ohne dass dem Erzählstrang etwas verloren geht. In Wexford kommt allerdings hinzu, dass der erste Teil Winners bereits 2010 im Rahmen der "Short Works" die irische Erstaufführung erlebte, so dass man die diesjährige Produktion gewissermaßen als Fortsetzung oder Vervollständigung des Werkes betrachten kann.

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Hanna (Cátia Moreso) und Andy (Nicholas Morris) wünschen sich Momente der Zweisamkeit.

Losers erzählt die Geschichte von Hanna, die mit Ende 30 noch mit ihrer kränklichen Mutter zusammenlebt und darauf hofft, dass ihr Freund Andy sie durch eine Heirat aus diesem Leben befreit. Andy will aber erst das Geld für ein kleines Häuschen in Riverview sparen, da er sich ein Leben mit Hannas religiös fanatischer Mutter, die in ihrer Verehrung für die Heilige Philomena noch von der Nachbarin Kate Cassidy und deren Tochter Cissy unterstützt wird, nicht vorstellen kann. Als er Hannas Drängen doch nachgibt und um ihre Hand anhält, stellt sich das erhoffte Glück nicht ein, da Hanna nicht die Kraft besitzt, ihre Mutter zu verlassen. Nach einer Gewitternacht kommt es dann zum Eklat, wenn Andy betrunken nach Hause kommt und freudestrahlend verkündet, dass der Vatikan Philomena die Heiligkeit abgesprochen habe. Das mittlerweile von Andy in Riverview erworbene Häuschen wird untervermietet, während Andy und Hanna unter dem Diktat der Mutter nebeneinander her leben. Andy unternimmt einen letzten Versuch, Hanna zurückzugewinnen, indem er sich dem religiösen Wahn der Mutter unterordnet.

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Doch Mrs. Wilson (Eleanor Lyons, rechts) beherrscht das Leben ihrer Tochter Hanna (Cátia Moreso).

Vergleicht man den Titel des Stückes Losers mit dem Titel des ersten Teils Winners, in dem das Liebespaar, Mag und Joe, am Ende des Stückes eine Bootsfahrt unternimmt, die tödlich endet, kann man sich der Frage nicht erwehren, ob es in diesen Stücken überhaupt jeweils Gewinner oder Verlierer gibt. Ist es ein Gewinn für Mag und Joe, dass sie am Ende des Stückes sterben, da es für sie auf Erden mit einem unehelichen Kind keine glückliche Zukunft gäbe? Sind Andy und Hanna in Losers wirklich die größeren Verlierer, da sie zwar als Ehepaar zusammenbleiben, sich aber völlig voneinander entfremden und den religiösen Vorstellungen der Mutter unterordnen, auf jegliche Zweisamkeit also verzichten? Conor Hanratty scheint in seiner Inszenierung keine eindeutige Antwort auf diese Frage geben zu wollen. Wenn Andy sich nämlich am Ende des Stückes dem gemeinsamen Gebet und Choral mit der Mutter und der Nachbarin anschließt, streckt Hanna versöhnlich die Hand nach ihm aus. Kann dies als Signal gedeutet werden, dass es doch noch Hoffnung für diese Beziehung gibt?

Im Bühnenbild von Sarah Bacon wird in der spießigen Muffigkeit des Mobiliars die Hölle, in der sich Hanna befindet, mehr als deutlich. Auf der rechten Seite ist leicht erhöht das Schlafzimmer von Hannas Mutter zu sehen, von dem aus sie das Leben ihrer Tochter mit einer Glocke im Bett regiert. Die Heiligenbilder setzen sich auch in dem tiefer angelegten Wohnzimmer auf der linken Bühnenseite fort, um die Allgegenwärtigkeit der Mutter zu manifestieren. Da hilft es auch nichts, wenn die Statue der heiligen Philomena entfernt wird. Wenn sich am Ende alle um das Bett der Mutter zu einem Gebet versammeln, leuchtet über ihrem Bett eine Lichterkette, die sie gewissermaßen selbst zu einer Art Heiligen stilisiert. Besonders treffend wird in den Kostümen, für die Bacon ebenfalls verantwortlich zeichnet, die Entwicklung von Cissy Cassidy gezeigt, die sich von einer absolut gehorsamen Tochter mit braven Zöpfen zu einer jungen mit offenen Haaren und einem ihre weiblichen Formen betonenden Pullover entwickelt, die allmählich beginnt, gegen ihre Mutter zu rebellieren. Es bleibt offen, ob sie sich im Gegensatz zu Hanna von ihrer Mutter lösen und ihr eigenes Leben führen kann.

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Hanna (Cátia Moreso, 2. von links) betet mit ihrer Mutter (Eleanor Lyons, 2. von rechts), Kate Cassidy (Kristin Finnegan, rechts) und deren Tochter Cissy (Chloe Morgan, links) für Andy, der noch nicht nach Hause gekommen ist.

Richard Wargos Musik versteht es, die Emotionen der Figuren sehr plastisch einzufangen, sei es mit einem leichten Hämmern zu Beginn des ersten und dritten Teils, wenn Hanna feststellt, dass der Toast für ihre Mutter erneut angebrannt ist und sie mit einer leichten Aggressivität mit dem Messer das Schwarze vom Toast abkratzt, sei es mit dem bellenden Husten, mit dem Hannas Mutter auf den psychischen Ausbruch des angetrunkenen Andy reagiert. Auch die komischen Momente des Stückes werden von Wargos Musik passend umgesetzt. So müssen Hanna und Andy, wenn sie sich leidenschaftlich küssen, ein belangloses Gespräch weiterführen, damit die Mutter in ihrem Zimmer oben nicht misstrauisch wird. Auch die Verehrung der Heiligen Philomena wird in den choralartigen Gesängen mit einem gewissen ironischen Augenzwinkern versehen, wenn die Frauen dem Herrn dafür danken, dass er auch "dem schwachen Geschlecht die Kraft zum Märtyrertum" gegeben habe. Adam Burnette gelingt es, diese eigentlich für ein kleines Orchester komponierten Passagen mit dem Piano eindringlich umzusetzen.

Auch die Solisten gestalten ihre Partien mit großem darstellerischem Ausdruck. Eleanor Lyons mimt eine herrlich leidende Mutter, die bei aller körperlicher Schwäche dennoch die Fäden zieht und als eigentliche Siegerin aus diesem Stück hervorgeht. Besonders komisch gelingt ihre Panikattacke, in der ihr Husten wie das Kläffen eines Hundes klingt. Kristin Finnegan steht ihr als Nachbarin Kate Cassidy in Nichts nach und verkörpert diese Figur mit kräftigem Mezzo ebenfalls sehr dominant. Chloe Morgan erweist als Cissy enorme Wandlungskraft, wenn sie vom braven Mädchen zum aufmüpfigen Teenager mutiert. Dabei stattet sie die Partie mit jugendlichem Sopran aus. Cátia Moreso nimmt man die nicht mehr ganz junge Hanna, die sich einerseits wünscht, mit Andy dieser religiösen Hölle zu entfliehen, andererseits nicht die Kraft besitzt, sich von ihrer Mutter zu lösen, in jedem Moment ab. Mit warmem Mezzo macht sie die innere Zerrissenheit dieser zutiefst unglücklichen Frau regelrecht spürbar. Nicholas Morris präsentiert mit leichtem Bariton einen Andy, dessen Versuch, mit Hanna ein Leben ohne die Mutter zu führen misslingt, und der sich aus Liebe zu Hanna dann scheinbar mit den Begebenheiten abfindet, wobei ihm sein Humor dabei allerdings nicht ganz verloren geht. Am Ende gibt es für alle Beteiligten großen Applaus, in den sich auch der Komponist mit einreiht.

FAZIT

Mit Wargos Losers ist dem Wexford Festival Opera im Rahmen der "Short Works" erneut ein großer Wurf gelungen, der hoffentlich andere Bühnen auf dieses inhaltlich und musikalisch interessante Werk aufmerksam macht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Adam Burnette

Regie
Conor Hanratty

Bühne und Kostüme
Sarah Bacon

Licht
Paul Keogan


Solisten

Andy Tracy
Nicholas Morris

Hanna Wilson-Tracy
Cátia Moreso

Mrs. Wilson
Eleanor Lyons

Kate Cassidy
Kristin Finnegan

Cissy Cassidy
Chloe Morgan


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