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Wexford Festival Opera
23.10.2013 - 03.11.2013


Cristina, regina di Svezia

Historisches lyrisches Drama in fünf Teilen und drei Akten
Libretto von Giovanni Carlo Casanova
Musik von Jacopo Foroni

In italienischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (zwei Pausen)

Premiere im O'Reilly Theatre im Wexford Opera House am 25. Oktober 2013



 

 

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Schwedische Geschichtsstunde mit großartiger Musik

Von Thomas Molke / Fotos von Clive Barda


Als Entdeckung der diesjährigen Festspiele kann sicherlich Jacopo Foronis Cristina, regina di Svezia bezeichnet werden, die 1849 in Stockholm ihre Uraufführung erlebte und durch ihren großen Erfolg Foroni zum musikalischen Leiter der Royal Swedish Opera machte. Dass dieser aus Italien stammende Komponist samt seines Werkes heutzutage dennoch nahezu unbekannt ist, mag zwei Gründe haben. Zum einen musste er 1848 im Rahmen der politischen Unruhen Mailand verlassen und überließ das Feld in Italien und somit den größten Einflussbereich auf die Entwicklung der Oper in Europa Giuseppe Verdi. Zum anderen nahm seine Karriere in Schweden ein ziemlich abruptes Ende, da er im Alter von nur 33 Jahren an Cholera starb. So bleibt nur zu mutmaßen, ob er, wenn er länger gelebt und noch mehr Opern komponiert hätte, zu einem ernsthaften Rivalen für Verdi geworden wäre. Die musikalische Färbung in Cristina jedenfalls lässt vermuten, dass man von diesem Komponisten noch viel hätte erwarten können.

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Gabriele (John Bellemer) liebt Cristinas Kusine Maria (Lucia Cirillo).

Cristina, regina di Svezia handelt von der schwedischen Königin, die 1654 abdankte, um zum Katholizismus zu konvertieren und den Rest ihres Lebens als Privatperson in Rom zu verbringen. Mit dieser Geschichte schuf Foroni mit seinem Librettisten Giovanni Carlo Casanova eine Verbindung zwischen Schweden, dem Land in dem Foroni seine berufliche Zukunft sah, und seiner Heimat Italien. Das Libretto ist aber weniger an historischen Hintergründen interessiert und konzipiert aus Cristinas Verzicht auf den Thron einen eher operntauglichen Mythos, der auch in der Verfilmung von 1933 mit Greta Garbo seinen Niederschlag gefunden haben dürfte. Cristinas Handlung wird hier von ihrer unerfüllten Liebe zu Gabriele motiviert, der allerdings ihre Kusine Maria liebt. Dass Cristina Maria mit Erik Oxenstjerna, dem Sohn des Kanzlers, verheiraten möchte, führt dazu, dass Gabriele sich den Rebellen um Arnold und Johan Messenius anschließt und einen Umsturz plant, der allerdings von Carlo Gustavo, der Cristina verehrt, verhindert wird. Da Cristina als Königin keine Möglichkeit sieht, Gabriele zu begnadigen, übergibt sie Carlo Gustavo die Herrschaft, um fortan abgeschieden in Italien zu leben. Als letzte Amtshandlung begnadigt sie die Verschwörer und stimmt sogar einer Hochzeit zwischen Maria und Gabriele zu.

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Doch Cristina (Helen Dix) hegt selbst tiefe Gefühle für Gabriele.

Stephen Medcalf verlegt in seiner Inszenierung die Handlung in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts, als König Edward VIII. aus Liebe zu Wallis Simpson abdankte und den britischen Thron seinem jüngeren Bruders, George VI., überließ, was sich allerdings lediglich in den Kostümen von Jamie Vartan und einigen Filmeinspielungen äußert, die auf eine große Leinwand projiziert werden. Das Bühnenbild, für das ebenfalls Vartan verantwortlich zeichnet, zeigt hinter einer riesigen Holzwand, die in den Schnürboden gezogen werden kann, einen relativ zeitlosen Saal, von dem aus Regierungsgeschäfte jedweder Art geführt werden könnten. Bereits zur Ouvertüre lässt Medcalf die Figuren auftreten und auf der Bühne vor der Holzwand wie zu einer Filmvorführung Platz nehmen. Bereits an dieser Stelle werden die Figurenkonstellationen sorgsam herausgearbeitet, Maria und Gabriele, die einander lieben, Axel Oxenstjerna und sein Sohn Erik, der ebenfalls großes Interesse an Maria zeigt, und schließlich auch Arnold und Johan Messenius, die mit ihrem verschwörerischen Verhalten bereits andeuten, dass sie nichts Gutes im Schilde führen. Cristina wirkt in dieser Gesellschaft seltsam isoliert, was auch im weiteren Verlauf des Stückes immer wieder deutlich wird.

Sind die Filmsequenzen größtenteils für den eigentlichen Handlungsverlauf eher überflüssig, gelingt eine Projektion zu Beginn des zweiten Aktes sehr überzeugend. Während Cristina auf der rechten Seite an ihrem Schreibtisch sitzt, sieht man eine Einspielung mehrerer Fallschirmspringer. Als dann die Holzwand in den Schnürboden emporgezogen wird, landet Carlo Gustavo gewissermaßen mit einem dieser Fallschirme auf der abgelegenen Insel, auf der die Messenius-Brüder ein Treffen der Verschwörer organisiert haben. Auch der am Ende des zweiten Aktes auf die Wand projizierte Brand des Palastes, mit dem die Rebellion beginnt, die aber von Carlo Gustavo sehr schnell niedergeschlagen werden kann, ist szenisch gut umgesetzt. Warum allerdings im dritten Akt Cristinas Gedanken über ihre Abdankung als Radiosendung übertragen werden, bleibt unklar und ist widersprüchlich zu der Tatsache, dass sie ihren Verzicht auf den Thron erst später bei der Begnadigung der Verschwörer verkündet. Dass Medcalf dem glücklichen Ende misstraut und nach Cristinas Abgang die Verschwörer doch von Carlo Gustavo töten lässt, steht zwar sicherlich nicht so im Libretto, lässt sich inhaltlich allerdings durchaus nachvollziehen.

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Axel Oxenstjerna (David Stout) bittet Cristina (Helena Dix), nicht abzudanken.

Faszinierend ist, welche musikalische Vielfalt in diesem Werk steckt, das zum einen stark an den frühen Verdi erinnert, allerdings auch Melodienbögen erklingen lässt, die von Verdi erst in den 50er Jahren, also nach Cristina, komponiert wurden. Dies gilt zum einen für die orchestrale Färbung, die die Emotionen der Figuren sehr bildhaft einfängt und die Handlung stets seriös untermalt, zum anderen für die herausragenden Arien und Chöre, die diese Oper zu einem Juwel machen, das unbedingt dem Vergessen entrissen werden sollte. Erwähnenswert sind hier zum Beispiel die großartige Arie des Gabriele mit dem anschließenden Duett mit Maria, in dem Gabriele und Maria ihre Verzweiflung über die von Cristina angeordnete Vermählung Marias mit Erik Oxenstjerna beklagen. John Bellemer begeistert als Gabriele hier mit kräftigem Tenor, der auch in den Höhen über eine enorme Strahlkraft verfügt. Lucia Cirillo macht als Maria nicht nur optisch nachvollziehbar, wieso die Männerherzen ihr zu Füßen liegen, sondern glänzt auch mit einem warm-timbrierten Mezzo und einer herrlichen weichen Mittellage, die wunderbar mit Marias Charakter korrespondiert. David Stout vefügt als Kanzler Axel Oxenstjerna über einen kraftvollen Bariton, der auch in den Höhen punkten kann. Patrick Hyland präsentiert seinen Sohn Erik mit jugendlichem Tenor. Thomas Faulkner wirkt als Arnold Messenius absolut bedrohlich, was auch in seinen markanten Tiefen zum Ausdruck kommt.

Die beiden wohl anspruchsvollsten Partien meistern Igor Golovatenko und Helen Dix auf absolutem Festspiel-Niveau. Golovatenko stattet Carlo Gustavo mit einem absolut variablen Bariton aus, der problemlos zwischen den enormen Tiefen dieser Partie und den dramatischen Ausbrüchen changiert. Einen musikalischen Höhepunkt stellt sicherlich seine Auftrittsarie im zweiten Akt dar, wenn er sich mit den Verschwörern auf der einsamen Insel trifft, um so die Rebellion gegen seine geliebte Cristina zu zerschlagen. Helen Dix punktet in der Titelpartie mit einem Sopran, der sich scheinbar ohne jegliche Anstrengung in schwindelerregende Höhen emporschraubt. Dabei klingen die hohen Töne niemals schrill, sondern sind wunderbar sauber angesetzt. Auch in der Mittellage verfügt Dix über gewaltiges stimmliches Volumen. Ihre große Szene zu Beginn des dritten Aktes, in der sie über den Verzicht auf den Thron nachdenkt, wird in Dix' Interpretation genauso wie das anschließende Duett mit Golovatenko zu einer weiteren Sternstunde des Abends. Der von Errol Girdlestone großartig einstudierte Chor, der hier mit gewaltigen Ensemble-Szenen auftrumpfen kann, und das unter der Leitung von Andrew Greenwood fantastisch aufspielende Orchester runden den großartigen Abend zu einem regelrechten Gesamtkunstwerk ab.

FAZIT

Wer diese Produktion in Wexford nicht erleben kann, sollte sich unbedingt die CD-Einspielung der Göteborg Opera besorgen, um sich von den Meriten dieses zu Unrecht vernachlässigten Werkes zu überzeugen. Es bleibt zu wünschen, dass auch weitere Opernhäuser dieses Juwel für ihren Spielplan entdecken.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andrew Greenwood

Regie
Stephen Medcalf

Bühne und Kostüme
Jamie Vartan

Licht
Paul Keogan

Chorleitung
Errol Girdlestone



Orchester des
Wexford Festival Opera

Chor des
Wexford Festival Opera


Solisten

Cristina
Helena Dix

Maria Eufrosina
Lucia Cirillo

Axel Oxenstjerna
David Stout

Erik Oxenstjerna
Patrick Hyland

Magnus Gabriel de la Gardie (Gabriele)
John Bellemer

Carlo Gustavo
Igor Golovatenko

Arnold Messenius
Thomas Faulkner

Johan Messenius
Daniel Szeili

Un Pescatore
Joe Morgan

Voce Interna
Hannah Sawle

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