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Musikfestspiele
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Schwetzinger SWR Festspiele 2013

The Indian Queen

Semi-Opera in fünf Akten
Text von John Dryden und Sir Robert Howard
Dialogfassung von Joachim Schloemer
Musik von Henry Purcell


In englischer und deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)


Premiere am 26. April 2013 im Rokokotheater Schwetzingen

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Schwetzinger SWR Festspiele 2013
(Homepage)

Iris und Kevin im Alptraumwunderland

Von Joachim Lange / Fotos: Forster

Das Neue und Experimentelle hat bei den SWR-Festspielen im wunderbaren Rokokotheater des Schwetzinger Schlosses seinen festen Platz. In diesem Jahr ist es Ende Mai wieder eine neue Oper von Georg Friedrich Haas. Nach dem erfolgreichen Bluthaus vor zwei Jahren, ist diesmal mit Thomas eine Auseinandersetzung mit dem Tod angekündigt.


Vergrößerung in neuem Fenster Hier steht alles Kopf!

Im aktuellen Jahrgang dieser renommierten, vom Rundfunk im deutschen Südwesten veranstalteten Festspiele, deren Musiksparte vom (Noch-)Basler Intendanten Georges Delnon verantwortet wird, hat auch der Auftakt schon etwas Experimentelles. Und dass, obwohl der Komponist dessen Name über dem Ganzen steht, Henry Purcell (1659-1695) heißt, also schon über 300 Jahre tot ist. Neben seiner einzigen durchkomponierten Oper Dido und Aeneas schaffen es ab und an auch seine Semi-Opern wie King Arthur oder die Mittsommernachtsvariante The Fairy Queen auf die Opernbühnen. Der in letzter Zeit immer mehr als Regisseur tätige Choreograf Joachim Schloemer nimmt jetzt vor allem die Musik zu The Indian Queen, Purcells letzter Semioper, nach dem Libretto von John Dryden und Robert Howard, als Opernvorlage ernst. Dafür riskiert er einen neuen Kontext, indem er dem barocken Kraut- und Rübensujet, dessen Handlung im mexikanisch-peruanischen Urwald des 17. Jahrhunderts spielt, eine moderne psychologisierende Dialogfassung verpasst.

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Schamane und Sonne treffen aufeinander

Der Ansatz, aus einem allegorisch überhöhten Kampf exotischer Königinnen eine Exkursion auf eine imaginäre Insel zu machen, ist zunächst mal schlüssig. Iris und Kevin sind Touristen. Aus Alteuropa - wie man an den Vornamen unschwer erkennen kann. Mit dem einheimischen Reiseführer Pablo streifen sie durch einen zusammenphantasierten imaginären Urwald und fallen dabei in ein Loch. Es ist natürlich eines in der dünnen Decke aus Zivilisation über der zwar gezähmten aber noch virulenten archaischen menschlichen Natur. Der Unfall wird zu einer Abenteuer-Reise ins Ich. Iris und Kevin finden sich im Wunderland der Träume, des Unbewussten, der Obsessionen wieder.


Vergrößerung in neuem Fenster Die beiden Touristen begegnen seltsamem Personal und sich selbst

In Jens Kilians exquisitem barock anmutendem Bühnensaal steht nämlich alles auf dem Kopf: Die Tür, aber auch die Sessel und eine Tafel, die dann irgendwann auf dem Boden landet und zu einem Becken wird, in das es hineinregnet. Da laufen sogar die Doppelgänger der Reisenden tatsächlich kopfüber an der Decke umher, als wäre es das Normalste von der Welt. Dieser kunstvoll artistisch zelebrierte Kopfstand (bzw. Kopfgang) ist der Coup dieser Produktion. Die verunglückten Touristen begegnen einem Bärenfell-Schamanen, einem Sonnengott und in Orazia und mit Acacis eigenartigen Doppelgängern. Sie bestaunen rätselhafte Rituale, entdecken Wünsche, können (wie Iris vermutlich von einem Hubschrauber) gerettet werden, bleiben mit durchschnittener Kehle zurück (wie Kevin) oder sind womöglich nur da wirklich zuhause (wie Pablo). Als Idee und als fantasievoll opulente Bühnenaktion mit Musik funktioniert das, selbst ohne eine durchweg schlüssig erzählte Handlung.

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Welcher Tourist (wie Kevin - hinten) begegnet schon sich schon als Prinz?

Das Problem sind die überkandidelten Dialogtexte, mit denen die drei Schauspieler (Anna Tenta als Iris, Vincent Leittersorf als Kevin und Pascal Lalo als mexikanischer Reiseführer Pablo) obendrein, trotz oder wegen der Mikroports, nicht das Wiedergabeniveau erreichen, auf dem die Sänger ihren Part beisteuern. Für ein Festival ist das gleichwohl ein akzeptabler Versuch, mit musikalischen Kostbarkeiten aus der barocken Schatztruhe ähnlich frei und souverän umzugehen, wie es zur Zeit ihrer Entstehung üblich war. Hervé Niquet und sein vorzügliches Chor- und Instrumental-Ensemble Le Concert Spirituel machen aus Purcells Musik mit souverän lustvoller historischer Geste lauter funkelnde Schmuckstücke. Der höchst barock-souveräne Schwede Andres Dahlin (als mexikanischer Prinz Acacis) und der kraftvoll vitale Mathis Vidal (als Sonnengott) glänzen als Tenöre, die makellose Ruby Hughes (als Inka-Prinzessin Orazia), die mezzosatte Mirelle Lebel (als Zempoalla eine Doppelgängerin des Reiseleiters) und Marc Labonenette (als Schamane im Bärenfell) sorgen darüber hinaus auch für vokalen Glanz. Die musikalischen und optischen Qualitäten können freilich nicht völlig aufwiegen, dass es sich bei dieser Indian Queen um etwas Unvollendetes handelt.


FAZIT

Die Eröffnungsproduktion der Schwetzinger Festspiele ist ein Experiment, bei dem Joachim Schloemer versucht hat, aus einer Semioper eine Gesamtkunstwerk zu machen. Das ist nur zum Teil gelungen. Musikalisch und optisch hat der Abend allerdings seinen Reiz.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Hervé Niquet

Inszenierung
Joachim Schloemer

Bühne
Jens Kilian

Kostüme
Marie-Thérèse Jossen

Dramaturgie
Bettina Auer



Chor und Orchester Le Concert Spirituel


Solisten

Orazia
Ruby Hughes

Zempoalla
Mireille Lebel

Die Sonne
Mathias Vidal

Acacis
Anders Dahlin

Bärenmann, eine Schamane
Marc Labonnette

Iris, eine Touristin
Anna Tenta

Pablo, ein mexikanischer Reiseführer
Pascal Lalo

Kevin, ein Tourist
Vincent Leittersdorf

Zeremonienmeister
Markus Hofmann

Artisten
Oliver Kahl
Benedikt Ocker
Susanne Preissler
Marianne Preissler


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