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Salzburger Pfingstfestspiele
17.05.2013 - 20.05.2013

Norma

Tragedia lirica in zwei Akten
Libretto von Felice Romani nach der Tragödie Norma von Alexandre Soumet (1788 - 1845)
Musik von Vincenzo Bellini

in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere im Haus für Mozart am 17. Mai 2013
(rezensierte Aufführung am 19.05.2013)

 

 

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Gallische Druidin in der französischen Résistance

Von Thomas Molke / Fotos von Hans Jörg Michel

Am Anfang habe der Wunsch gestanden, Bellinis Norma szenisch auf die Bühne zu bringen. Erst dann sei das Motto "Opfer" für die diesjährigen Pfingstfestspiele entstanden, um der Selbstopferung der Titelfigur auf dem Scheiterhaufen einen passenden Rahmen zu geben. So äußerte sich die künstlerische Leiterin Cecilia Bartoli in einem Gespräch über die diesjährige Opernproduktion. Da Bartoli es sich zur Aufgabe gemacht hat, in den Produktionen der Salzburger Pfingstfestspiele selbst jeweils eine weibliche Hauptrolle zu übernehmen, rekonstruiert man in Salzburg mit der kritischen Neuausgabe der Partitur die Besetzung der Uraufführung. Auch wenn die Partie der Norma heutzutage eher mit einem dramatischen Sopran als mit einem Mezzosopran in Verbindung gebracht wird, hatte nämlich Giuditta Pasta, für die Bellini diese anspruchsvolle Partie komponiert hatte, auch Rossinis Tancredi, Cenerentola und Bellinis Romeo im Repertoire, also Rollen die eher dem Mezzo-Fach zuzuordnen sind, und auch die berühmte Mezzosopranistin Maria Malibran feierte später riesige Erfolge als Norma, so dass die heutige Aufführungstradition mit der Verschiebung des Stimmfaches die Sicht auf Bellinis ursprüngliches Werk eigentlich verfälscht. Zurück zu den Ursprüngen heißt also die Devise in Salzburg.

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Das Volk (Chor) wartet darauf, dass Norma (Cecilia Bartoli) endlich das Zeichen zum Kampf gegen die römischen Besatzer gibt.

Dies beschränkt sich allerdings nur auf die musikalische Seite der Produktion. Moshe Leiser und Patrice Caurier sind weit davon entfernt, gallische Druiden zum Zeitpunkt der römischen Besatzung auf die Bühne zu stellen, und verlagern die Handlung in die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Die Gallier sind hier Widerstandskämpfer im besetzten Frankreich und planen in einer verwaisten Schule, die als Geheimquartier der Résistance dient, den Befreiungsschlag gegen die Besatzer. Christian Fenouillat hat dafür einen hohen Bühnenraum entwickelt, der an eine Pausenhalle einer Schule erinnert. Vor Beginn der Ouvertüre sieht man durch große Fenster und Türen im Hintergrund Kinder ausgelassen auf dem Hof spielen, bis sie von einer Lehrerin mit einer Glocke angehalten werden, nun endlich zum Unterricht zu erscheinen. Norma sitzt in der Halle mit dem Rücken zum Publikum und beobachtet, die Szenerie. Kurz vor Beginn der Musik erscheinen Soldaten auf dem hinter der Halle angedeuteten Schulhof und kündigen den Beginn der Besetzung an. Im Verlauf der Ouvertüre entwickelt sich diese Halle dann zunächst zu einem Unterschlupf für Flüchtlinge, was ein Bett auf der linken Seite und diverse Matratzen im Hintergrund andeuten. Am Ende der Ouvertüre sind die Fenster verbarrikadiert, und die Schule dient nun als Schaltzentrale für den organisierten Widerstand. Eine schwarze Wand, die aus dem Schnürboden herabgelassen werden kann, teilt die Halle und markiert im vorderen Bereich Normas Wohnung. Hinter einem Schrank auf der rechten Seite befindet sich ein geheimer Eingang in ein Zimmer, in dem Norma ihre beiden Kinder vor ihrem Vater und ihrem Volk versteckt.

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Adalgisa (Rebeca Olvera, links) vertraut sich Norma (Cecilia Bartoli) an.

Gerade zu Beginn hat die Inszenierung mit einigen Widersprüchen zu kämpfen. Völlig unklar bleibt, wieso Polliones Vertrauter Flavio, anders als im Libretto vorgesehen, den Galliern in die Hände fällt, auf offener Bühne zu Tode geprügelt und anschließend in einem Loch verscharrt wird. Was will uns das Regie-Team mit diesem absolut überflüssigen Einfall sagen? Dass die Gallier ihre Gewaltbereitschaft kaum zurückhalten können und, wie der Text sagt, sehnsüchtig darauf warten, dass Norma endlich das Zeichen für den Kampf gibt? In dieser Szenerie wirkt es dann schon nahezu albern, wenn Norma anschließend zum berühmten Gebet "Casta diva" mit einem schwarzen Tuch bei den Galliern die geschnittenen Misteln einsammelt und als Opfer ins Feuer wirft. Je mehr sich allerdings die Geschichte auf den Konflikt der drei Hauptfiguren Norma, Pollione und Adalgisa fokussiert, desto dichter wird die Inszenierung, was sowohl einer stimmigen Personenregie als auch den drei herausragenden Sängerdarstellern zu verdanken ist. Rebeca Olvera gibt mit leuchtendem Sopran und mädchenhaftem Spiel eine Adalgisa, die man in dieser jugendlichen Frische sicherlich selten erlebt hat. Gerade in dieser Partie wirft der helle Sopran der rekonstruierten Originalfassung ein ganz anderes Licht auf die Figur, als dies ein in heutiger Aufführungspraxis geläufigerer Mezzo vermag. Dass Pollione, den John Osborn mit einem lyrischen Tenor ausstattet, der auch die Höhen ohne starkes Forcieren meistert, sich von Norma ab- und dieser faszinierenden jungen Frau zuwendet, wird damit auch stimmlich nachvollziehbarer.

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Oroveso (Michele Pertusi, vorne links) hat Pollione (John Osborn, vorne Mitte) gefangen genommen (im Hintergrund: der Chor).

Spätestens im zweiten Akt ist man dann trotz einiger Unstimmigkeiten in der Inszenierung in vollem Maße in der Geschichte angekommen. Mit einer unglaublichen szenischen Präsenz gestaltet Cecilia Bartoli die innere Zerrissenheit der Titelfigur, wenn sie während des Vorspiels mit dem Gedanken spielt, ihre Kinder zu töten. Verzweifelt lehnt sie an der schwarzen Rückwand und bahnt sich schweren Herzens den Weg zum Tisch, in dem sich das Messer befindet, um sich mit der Opferung der Kinder an dem ungetreuen Geliebten zu rächen. Mit innigem Mezzo macht Bartoli auch stimmlich deutlich, dass die Partie weit mehr als die viel zitierte Bravourarie "Casta diva" zu bieten hat. Großartig gelingt auch das anschließende Duett mit Olvera "Sì, fine all' ore estreme", in dem sich Adalgisa und Norma ewige Freundschaft schwören. Dass Norma hierbei als Mezzo den tieferen Part hat, passt inhaltlich wesentlich besser zu den beiden Charakteren, da Norma die reifere Figur darstellt. Stimmig ist auch die Idee, Norma gegen die schwarze Rückwand schlagen zu lassen, die in diesem Moment für den  Schild des gallischen Gottes Irminsul steht, mit dem die Druidin das Zeichen zum Kampf geben will, als sie glaubt, von Adalgisa verraten worden zu sein. Hinter dieser Wand sitzen nämlich die Gallier und warten darauf, endlich angreifen zu können. Fulminant präsentiert der Coro della Radiotelevisione Svizzera unter der Leitung von Diego Fasolis und Gianluca Capuano das berühmte "Guerra, guerra!", das sich bei einer Aufführung in der Scala 1859 zu einer politischen Demonstration gegen die Habsburger Besetzer entwickelte.

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Gemeinsamer Tod auf dem Scheiterhaufen: Norma (Cecilia Bartoli) und Pollione (John Osborn)

Der Schluss wird dann großartig in Szene gesetzt. Wenn Norma nach kurzem inneren Kampf beschließt, sich selbst als die meineidige Priesterin zu offenbaren, die mit ihrem Verhältnis zu dem römischen Prokonsul ihr Gelübde gebrochen und damit ihr eigenes Volk betrogen hat, hält das Orchester nach Bartolis Ausruf "Son io" einen langen Moment inne, um das Entsetzen Orovesos und der Gallier über diese unglaubliche Wendung widerzuspiegeln. Verzweifelt kämpft Michele Pertusi als Normas Vater Oroveso mit goßem Bass gegen die Behauptungen seiner Tochter an. Doch Norma bleibt so standhaft, dass selbst Pollione in der Stunde seines Todes seine wahren Gefühle für diese Frau wiederentdeckt. Gemeinsam werden die beiden an zwei Stühlen gefesselt und im Haus zurückgelassen, das die Gallier dann von außen anzünden. So endet die Oper in einem riesigen Feuermeer, was frenetischen Applaus beim Publikum hervorruft. Auch das Orchestra La Scintilla unter der Leitung von Giovanni Antonini erntet für seine vielschichtige, farbenreiche Ausgestaltung der Partitur und das Klangerlebnis, das diese bis jetzt selten gehörte Originalfassung beschert, großen Beifall. In die Bravorufe für das Regie-Team mischen sich auch einige Unmutsbekundungen, die allerdings im großen Jubel untergehen. Stehende Ovationen erhält Cecilia Bartoli, nicht nur, weil sie ein darstellerisch absolut bewegendes und stimmlich in jedem Ton überwältigendes Rollenportrait liefert, sondern wahrscheinlich auch, weil der Weg, den sie als künstlerische Leiterin der Salzburger Pfingstfestspiele eingeschlagen hat, beim Publikum auf große Begeisterung stößt.

FAZIT

Musikalisch lässt diese Produktion keine Wünsche offen und bietet außerdem ein in vieler Beziehung neues und faszinierendes Hörerlebnis für ein Werk des Belcanto, das man aus der gängigen Aufführungspraxis anders gewohnt ist. Über die kleinen szenischen Unstimmigkeiten gerade zu Beginn der Aufführung sieht man dabei gerne hinweg. Diese Inszenierung wird im Sommer erneut in Salzburg zu erleben sein.

Weitere Rezensionen zu den Salzburger Pfingstfestspielen 2013

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giovanni Antonini

Inszenierung
Moshe Leiser / Patrice Caurier

Bühnenbild
Christian Fenouillat

Kostüme
Agostino Cavalca

Licht
Christophe Forey

Choreinstudierung
Diego Fasolis / Gianluca Capuano

Dramaturgie
Konrad Kuhn


 

Coro della Radiotelevisione Svizzera

Orchestra La Scintilla

 

Solisten

Norma
Cecilia Bartoli

Adalgisa
Rebeca Olvera

Pollione
John Osborn

Oroveso
Michele Pertusi

Clotilde
Liliana Nikiteanu

Flavio
Reinaldo Macias

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Salzburger Pfingstfestspiele
(Homepage)



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