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Musikfestspiele
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Salzburger Festspiele 2013

Lucio Silla
Opera seria in drei Akten KV 135
Libretto von Giovanni de Gamerra
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)


Koproduktion mit der Stiftung Mozarteum Salzburg in Kooperation mit dem Musikfest Bremen
Übernahme von der Salzburger Mozartwoche 2013

Premiere am 27. Juli 2013 im Haus für Mozart
(rezensierte Aufführung: 2. August 2013 - dritte Aufführung)

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Salzburger Festspiele
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Der nette Tyrann hat gerade schlechte Laune

Von Stefan Schmöe / Fotos von den Salzburger Festspielen, © Matthias Baus

Im Dezember 1769 brach der junge Wolfgang Mozart mit seinem Vater Leopold zur ersten von drei Reisen nach Italien auf, galt es doch, aus dem ungeheuren Talent des komponierenden Wunderkinds im Mutterland der Oper ökonomisches Kapital zu schlagen. In Mailand erhielt er den Auftrag zu einer Oper – Mitridate, Re di Ponto wurde zum Erfolg und brachte einen erneuten Kompositionsauftrag mit sich. Mit Lucio Silla auf ein Libretto des wegen seiner Vorliebe für schauerliche Sujets bekannten Giovanni di Gamerra entstand eine typische opera seria um den römischen Diktator Lucio Silla, der Giunia, die Tochter seines Todfeindes, liebt, ihr aber schließlich in plötzlichem und unerwartetem Sinneswandel entsagt, nachdem er beinahe Opfer eines Mordkomplotts geworden wäre. Giunia heiratet Sillas Widersacher Cecilio, Sillas Schwester Celia dessen Freund Cinna, und Silla stellt die römische Republik wieder her. Die Uraufführung am 26. Dezember 1772 war durchaus erfolgreich, weitere Aufträge oder gar eine Festanstellung Mozarts blieben aber aus. Mit den bekannten Folgen: Mozart trat in seiner ungeliebten Heimatstadt Salzburg in erzbischöfliche Dienste, wo sein furioses Jugendwerk nun erneut zu Festspielehren gelangt.

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Geschwister: Lucio Silla (Rolando Villazón) und Celia (Eva Liebau)

Die Gattung der opera seria erlebbar machen, ohne museal zu werden, dass war der Grundgedanke dieser von der Salzburger Mozartwoche 2013 übernommenen Produktion. Regisseur Marshall Pynkowki spielt mit der Gattung: Auf den ersten Blick ist das alles ganz konventionell inszeniert – in Kostümen der Entstehungszeit statt altrömischen Gewändern (Ausstattung: Antoine Fontaine). Auf den zweiten Blick erkennt man ein deutliches Augenzwinkern. Nicht nur sind die edlen Marmorsäulen gut erkennbar aus Holz gezimmert (allerdings ist das eine Meisterleistung der Werkstätten), auch die Tanzeinlagen sind eine gekonnte Spur zu niedlich, kommentieren das hehre Pathos mit zarter Rokoko-Eleganz und scheinen zu sagen: Nicht alles zu ernst nehmen, einfach die Schönheiten genießen. Das gestische Vokabular, punktgenau auf die Musik aufgesetzt, sieht mitunter so aus wie eine Demonstration des Formenrepertoires aus dem Schauspielunterricht für angehende Opernsänger. Immer wieder scheinen die Sänger aus ihrer Rolle herauszutreten, den dezidiert artifiziellen Charakter zu betonen. Es bleibt dabei viel Raum für die Musik, denn die Aktionen sind klug arrangiert und lenken nie vom musikalischen Geschehen ab.


Vergrößerung in neuem Fenster Verschwörer: Cecilio (Marianne Crebassa, links) und Lucio Cinna (Inga Kalna)

Und dann ist da Rolando Villazón in der Titelrolle. Der mexikanische Startenor imponiert mit seiner maskulin dunklen, Verdi-erfahren großen, strahlenden, immer klangschönen Stimme. Mozart, der gemäß dem Kompositionsauftrag die Arien den Sängern auf den Leib schreiben musste, hatte seinerzeit weniger Glück, der vorgesehene Sänger sagte ab, der kurzfristig eingesprungene Ersatz hatte kaum praktische Bühnenerfahrung. So komponierte er dem Silla nur zwei Arien – zu wenig für den grandiosen Villazón, und so hat man im dritten Aufzug, dramaturgisch sinnvoll, eine Arie von Johann Christian Bach eingefügt, der dasselbe Libretto vertont hatte. Villazón macht daraus großes Theater an der Rampe, zögert seinen Sinneswandel vom Rächer zum Beschützer musikalisch wie szenisch wirkungsvoll heraus. Überhaupt ist vieles auf ihn zugeschnitten. Da ist zum Beispiel die Perücke – Barocksänger tragen natürlich Perücke mit Zopf, aber diese Perücke zeigt barockuntypische schwarze Haare, wie der Sänger sie ohnehin hat. Auch das ist eine dieser kleinen Brechungen der Regie. Villazón darf (in Grenzen) sich selbst spielen, gibt den kapriziösen sonny boy (der sich, das nebenbei, sofort mit seiner Schwester Giunia einlassen würde). Umstritten war die opera seria als Form, die allzu häufig der Selbstdarstellung der Sänger diente, bereits zur Entstehungszeit des Lucio Silla. Im Spiel Villazóns wird das vielfach aufgegriffen – und das funktioniert, weil er stimmlich über alle Zweifel erhaben ist.

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Verliebte: Cecilio (Marianne Crebassa) und Giunia (Olga Peretyatko)

Ziemlich viel Mozartglück gibt es auch in den anderen Partien. Die junge Französin Marianne Crebassa gibt einen glutvollen Cecilio mit groß auftrumpfender Stimme, die zwar in sehr schnellen Passagen nicht ganz scharfe Genauigkeit besitzt, aber von großer Klangschönheit ist. Olga Peretyatko hat als Giunia eine klare, eher kleine, sehr bewegliche Stimme. Die halsbrecherischen Koloraturen (im Klang etwas zurückgenommen, da merkt man, welche Virtuosität Mozart der Uraufführungssängerin abverlangte) gelingen ihr sehr sauber, die Tonleiteraufstiege in leuchtender Klangpracht. Inga Kalna als Lucio Cinna tut sich mit eben den hochvirtuosen Anforderungen schwerer; die Intensität und Unbedingtheit des Singens nimmt für sie ein, allerdings fehlt es an der bei solcher Virtuosität eben auch erforderlichen Leichtigkeit. Die Stimme verliert in den teilweise ungenau gesungenen Koloraturen an Farbe, auch die Intonation geht mitunter eigene Wege. Wie in Mozarts Stimmdisposition vorgesehen, ist die Celia mit der hell timbrierten Eva Liebau etwas leichter besetzt, dabei tadellos sauber gesungen. Die sechste Partie, Sillas Vertrauter Aufidio ist gestrichen – trotz mancher (unbedingt sinnvoller) Kürzungen liegt die Aufführungsdauer immer noch bei dreieinhalb (nie langweiligen) Stunden.


Vergrößerung in neuem Fenster In der Musik Verbündete: Dirigent Mark Minkowski und Lucio Silla (Rolando Villazón)

Das Orchester Les Musiciens du Louvre Grenobles unter der Leitung von Mark Minkowski spielen ungemein farbig und lassen Mozarts üppig instrumentierte Partitur äußerst plastisch erklingen. Der von Alois Glassner einstudierte Salzburger Bachchor singt mit geradem, samtig vollem Klang. Die neckische Choreographie von Jeanette Lajeunesse Zingg ist hübsch anzusehen. Enthusiastischer Jubel beim Publikum.


FAZIT

Der Versuch, die opera seria mit Mozarts grandiosem Lucio Silla beinahe authentisch wiederzubeleben, gelingt, weil ein spielfreudiges Ensemble die ironische Doppelbödigkeit der Regie sehr schön umsetzt, und das musikalisch weitgehend exzellent.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Minkowski

Inszenierung
Marshall Pynkoski

Bühne und Kostüme
Antoine Fontaine

Choreographie
Jeannette Zingg

Licht
Hervé Gary

Chor
Alois Glaßner


Salzburger Bachchor

Les Musiciens du Louvre, Grenoble


Solisten

Lucio Silla
Rolando Villazón

Giunia
Olga Peretyatko

Cecilio
Marianne Crebassa

Lucio Cinna
Inga Kalna

Celia
Eva Liebau

Tänzer
Marie McDunnough
Julia Sedwick
Cynthia Smithers
Magdalena Vasko
Jones Henry
Kevin Kong
Jeremy Nasmith
Jack Rennie
Edward Tracz


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