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Musikfestspiele
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Salzburger Festspiele 2013

Don Carlo
Französisches Original-Libretto von Joseph Méry und Camille Du Locle
nach dem Drama Don Karlos, Infant von Spanien von Friedrich Schiller
Italienische Textfassung von Achille de Lauzières und Angelo Zanardini
Musik von Giuseppe Verdi


In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5 h' (zwei Pausen)


Premiere am 13. August 2013 im Großen Festspielhaus

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Salzburger Festspiele
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Ein Triumph der Musik

Von Joachim Lange / Fotos von den Salzburger Festspielen, © Monika Rittershaus

Es war die letzte große Opernpremiere dieser Festspiele. Nach dem heiter bildopulenten Falstaff im Altersheim jetzt noch einmal Verdi. Mit allem drum und dran. Also dem großen Auffahrt-Spektakel im Festspielbezirk. Hoffnungslos ausverkauft. Mit Starüberschuss auf dem Besetzungszettel. Und mit Wiener Philharmonikern, die als Hausorchester der Festspiele im Graben des Großen Festspielhauses ihren besten Opernabend ablieferten.

Was wohl auch an Antonio Pappano lag. Jedenfalls war das um Klassen besser als Daniele Gattis Meistersinger-Versuch vor zwei Wochen. Und das, obwohl just am Premierentag das Unbehagen der Philharmoniker mit der Expansionssucht des vorzeitig an die Mailänder Scala wechselnden Festspielintendanten Alexander Pereira, groß aufgemacht in der regionalen Presse, nachzulesen war. Es passiert auch nicht alle Tage, dass ein Spitzenorchester, das sich für noch besser hält, als es tatsächlich ist, seine Belastungsgrenzen und Unmut so deutlich zu Protokoll gibt. Aber diesmal machten sie ihrem Namen alle Ehre.

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Prinzessin Eboli

Die Musik gehört ohnehin zu den guten Gründen, warum man gerade den Don Carlo unter den Verdi-Opern besonders mögen kann. Es ist Verdi in meisterlicher Hochform. Große Oper mit grandioser Musik. Die eingängig ist und ans Herz greift. Dabei eine Mischung aus Haupt- und Staatsaktion und tragischer Liebesgeschichte. Aus der Vorlage schimmert Schillers Pathos durch, ist kongenial in die Sprache und Geste der großen Oper übersetzt. Obendrein kann man sich eine von vielen Fassungen aussuchen. Verdi selbst lieferte eine französische Grand opera als Fünfakter mit Ballettmusik, eine spielpraktischere, italienische Version in vier Akten und alle möglichen Varianten dazwischen. Festspielpassend gab es jetzt in Salzburg eine aufgerüstete italienische Fassung des Fünfakters. Ohne Ballettmusik, dafür aber mit dem Fontainbleau-Akt.


Vergrößerung in neuem Fenster Autodafé

Da begegnen sich der spanische Infant Don Carlo und die französische Prinzessin Elisabetta als Brautleute. Samt der berühmten Liebe auf den ersten Blick, gegen die sie bis zum Ende des Fünfstunden-Abends vergeblich ankämpfen. Denn Spaniens König, Carlos Vater, heiratet die Braut des Sohnes selbst. Eine Staatshochzeit für Frieden. Das Volk atmet auf, die Betroffenen werden nicht gefragt. (Die heutigen Königskinder wissen gar nicht wie gut sie es haben!) Aber es geht um mehr.

So wird das Orchester zum wahren Abgrund, wenn der Großinquisitor (grandios: Eric Halfvarson) dem allmächtigen König die Grenzen seiner Macht aufzeigt, eiskalt den Tod des Infanten als Strafe für seinen Einsatz für die abtrünnigen Niederländer abnickt, um dann auch noch den Kopf des Marquis Posa zu fordern, den der König als einzigen Menschen - auf seine Art - lieben gelernt hat. Es gibt die Prinzessin Eboli, eine Mezzo-Intrigantin auf eigene Rechnung, mit kurzen, aber effektvollen Auftritten. Eine Ketzerverbrennung als Volksfest und der im Kloster spukende und den Enkel am Ende in einer irrational verklärenden Volte rettende Großvater Karl V. komplettieren den Plott, bei dem man von einer hinreißenden, ergreifenden Nummer zur nächsten getragen wird.

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Großinquisitor und König Philipp II.

Wobei in dieser Produktion das Orchester und die Sängercrew das nahezu allein machen müssen. Denn die Regie von Peter Stein bewegt sich im hochbezahlten Niemandsland zwischen Verweigerung und Frechheit. Es ist tatsächlich jener Peter Stein, dem in seinen Schaubühnenjahren nicht nur ganz Theater-West-Berlin bewundernd zu Füssen lag. Doch diesmal verschafft er dem Wort „ver-Stein-ern“ einen unseligen Beigeschmack. Es ist nicht nur die Abwesenheit jeder Ambition, etwas zu erzählen, was mitschwingt oder mit uns zu tun hat. Auch der handwerkliche Dilettantismus verblüfft. Zur Symmetrie tendierende Tableaus. Hingeschluderte Auf- und Abmärsche des Chores. Eine an Peinlichkeit nicht zu überbietende Ketzerverbrennung mit Spitzhüten, Dampf und Videoflammen, und einem Aufmarsch von exotischen Kostümträgern, die gar nicht schnell genug auf ihre Plätze kommen, da brennt es im Hintergrund schon. Bei den Passionsfestspielen in Oberammergau kommen ähnliche Szenen jedenfalls professioneller herüber. Und wenn dann 'mal was passiert zwischen den Akteuren, dann müssen sich Carlo und Elisabetta gleich am Boden wälzen oder die Hofdamen zum Schleierlied der Eboli die Röcke lüften. Dass Karl V. leibhaftig wie sein Denkmal in goldener Rüstung daher gestapft kommt, ist da noch das geringste Übel.


Vergrößerung in neuem Fenster Elisabetta und Don Carlo

Es ist, trotz des Kostümaufwandes von Annamaria Heinreich, nicht einmal ein gut gemachter Kostümschinken, was da zwischen dem kargen Bühnenarchitekturgrau von Ferdinand Wögerbauer abläuft. Nur einmal, bei Filippos „Sie hat mich nie geliebt“, da ist die Szene glaubwürdig. Was aber auch mehr an Matti Salminen liegt, der hier die Verzweiflung eines alten Mannes, szenisch noch mehr als stimmlich, beglaubigt. Sein König ist Ehrfurcht gebietend, weil er seine jahrzehntelange Erfahrung mit den einschlägigen Opernmonarchen aufbieten kann. Thomas Hampson erntete für seinen etwas reifen Rodrigo gleichwohl viel Jubel. Die Eboli von Ekaterina Semenchuk sang schön und routiniert. Um die Abgründe der Figur, die Stein uns vorenthält, vokal auszugleichen, fehlte ihr freilich der finstere Charakter.

Ganz anders das tragische Liebespaar. Jonas Kaufmann ist ein mühelos strahlender, leidenschaftlicher Don Carlo, der die Nichtregie mit seinem verunsicherten, jugendlich wankenden Spiel unterläuft. Und Anja Harteros: Jeder Zoll und jeder Ton eine Königin im Zwiespalt zwischen Leidenschaft und Staatsraison. Ein Traumpaar, wie es im Buche steht. Die beiden sind der Verdi-Glücksfall schlechthin. Einer, der auch in Salzburg nur selten vorkommt.


FAZIT

Der Premierenreigen der Salzburger Festspiele schließt mit Verdis Don Carlo als Triumph der Musik und Versagen der Szene.






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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonio Pappano

Inszenierung
Peter Stein

Bühne
Ferdinand Wögerbauer

Kostüme
Annamaria Heinreich

Licht
Joachim Barth

Choreographie
Lia Tsolaki

Chor
Jörn Hinnerk Andresen



Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor

Wiener Philharmoniker

Bühnenmusik: Mitglieder der
Angelika-Prokopp-Sommerakademie
der Wiener Philharmoniker


Solisten

Filippo II.
Matti Salminen

Don Carlo
Jonas Kaufmann

Elisabetta di Valois
Anja Harteros

Rodrigo, Marchese di Posa
Thomas Hampson

Eboli
Ekaterina Semenchuk

Der Großinquisitor
Eric Halfvarson

Ein Mönch
Robert Lloyd

Tebaldo
Maria Celeng

Stimme vom Himmel
Sen Guo

Conte di Lerma / Ein Herold
Benjamin Bernheim

Flandrische Deputierte
Antonio Di Matteo
Peter Kellner
Domen Križaj
Roberto Lorenzi
Iurii Samoilov
Christoph Seidl


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