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In Absentia

Ein Ciné-Concert mit Werken von Quay Brothers, Stockhausen, Berg und Lutoslawski

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Aufführung in der Gebläsehalle, Landschaftspark Duisburg-Nord, am 22. September 2013

Logo: Ruhrtriennale 2013

Bild und Ton im Kontrapunkt

von Ursula Decker-Bönniger

Normalerweise erhöht, verdoppelt Musik im Film die Wirkung der Bilder, untermalt und kommentiert Handlung und Dialoge oder vertieft sie psychologisch. Wenn eigenständige  Bilder – wie in den Kurzfilmen der Quay Brothers - zu bereits komponierter Musik entstehen, mischt sich das Verhältnis, befruchten sich die Künste gegenseitig.

Im Ciné-Concert in der Gebläsehalle im Landschaftspark Duisburg-Nord wird zunächst der im Jahre 2000 entstandene, preisgekrönte Kurzfilm In Absentia gezeigt. Kreiert zu  Karl-Heinz Stockhausens expressiver elektronischer Geräuschkomposition Two Couples (1992/99) - die der Komponist ursprünglich für die Oper Freitag aus Licht schuf -, zeigt In Absentia  aneinandergereihte, mal ruhige, mal abrupt wechselnde Kunstbilder, die erst gegen Ende die psychische Tragik einer Frau erkennen lassen, die unablässig Blätter mit unverständlichen Zeichen füllt. Der 19-minütige Kurzfilm ist E.H. gewidmet, „die aus einer psychiatrischen Anstalt an ihren Mann schrieb: ‚Herzenschatzi komm’“. Man sieht überwiegend disparate Gegenstände, die in verzerrenden Nahaufnahmen zu mysteriösen Bilderwelten zusammen gestellt sind: z.B. schwarze Fingernägel; zwei Hände, die krampfhaft einen Bleistift umklammern; Anspitzer; abgebrochene Bleistiftspitzen, die zuweilen ein Angst einflößendes Eigenleben führen.

Vergrößerung in neuem Fenster Foto © Michael Kneffel für die Ruhrtriennale 2013

Spannungs- und kontrastreich im Ausdruck spielt das auf die Darbietung Neuer Musik spezialisierte Arditti Quartet anschließend Alban Bergs 1926 vollendete Lyrische Suite für Streichquartett. Thema der sechs Sätze ist nach Bergs eigenen Angaben seine leidenschaftliche Liebe zu Hanna Fuchs-Robettin. Nach einem kraftvollen Einleitungssatz folgt ein poetisch leichtes, fast tänzerisch anmutendes Andante amoroso. Während der dritte Satz mit Dämpfer, col legno-Spielweise und Springbogen die leisen, geräuschhaft geheimnisvollen Klangwelten in den Vordergrund rückt,  erscheinen im lyrischen vierten Satz Zitate aus früheren Sätzen. Auf das Presto delirando mit Tempo- und dynamisch differenzierter Ausdruckssteigerung folgt im letzten Satz ein ebenso spannungsreich dargebotenes Auf und Ab tragischer Leidenschaften und geräuschvoller Tremoli. Schließlich verstummen die Instrumente, klingen einzeln aus. Der letzte Ton gehört der Bratsche.

Nach der Pause spielt das Arditti live Witold Lutoslawskis 1964 komponiertes Streichquartett. Und erstmalig präsentieren die Quay Brothers dazu ihren zum 100. Geburtstag Lutoslawskis komponierten Kurzfilm Kwartet Smyczkovy . Laut Untertitel ist der 2013 entstandene Film eine Paraphrase auf Peter Handkes Die Stunde da wir nichts voneinander wussten. Straßenbahn-Oberleitungen, Stuhllehnen, bröckelnde und sich zusammenfügende Erdbewegungen – in einem Netz aus Versatzstücken geben die Bilder erst auf den zweiten, dritten oder vierten Blick ihre Gegenständlichkeit preis. Kurze, harte Schnitte, ständig wechselnde Perspektiven, surreal anmutende Bühnen- bzw. Naturbilder, schemenhafte Umrisse unterbinden geradezu eine Identifikation. Mal bleibt die Leinwand schwarz, mal flackert das gesamte Bild unruhig auf, mal scheinen fahrende Scheinwerfer wie von Geisterhand die neblig trüben, immer neue Perspektiven einnehmenden konstruierten Bilder anzuleuchten. Statt der elektronischen Klangwelten erklingt nun Streichquartettmusik mit eigenen Gesetzen und Formverläufen. Lutoslawskis Quartett lebt von genau notierter Werksubstanz und spontaner Interpretationsfreiheit, d.h. die Motive sind zwar festgelegt, aber der Stimmverlauf, das vielstimmige, imitatorische Ineinandergreifen bleibt den Instrumentalisten überlassen. Stärker als vorher wird die Eigengesetzlichkeit der Musik deutlich, kontrapunktieren bspw. Motivflächen aus gezupften Tönen oder aus Gissando-Klängen zum Bild.


FAZIT

Eine spannende Begegnung von Ton und Bild




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Produktionsteam

Quay Brothers

Arditti Quartet


Programm:

Film
Quay Brothers
In Absentia (2000)
Musik
Karlheinz Stockhausen
Two Couples, Nr. 63  2/3 (1992/99)


Alban Berg
Lyrische Suite für Streichquartett (1925/26)


Film
Quay Brothers
Kwartet Smyczkovy (2013)

Musik
Witold Lutoslawski
Streichquartett (1964)





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