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Rossini Opera Festival

Pesaro
10.08.2013 - 23.08.2013


L'occasione fa il ladro

Burletta per musica in einem Akt
Libretto von Luigi Prividali
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1 h 40' (keine Pause)

Premiere der Wiederaufnahme im Teatro Rossini in Pesaro am 12. August 2013
(rezensierte Aufführung: 15.08.2013)


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Rossini Opera Festival

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Ein Koffer voll Musik

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival (studio amati bacciardi)


Neben den zwei Neuinszenierungen gibt es beim Rossini Opera Festival jedes Jahr eine Wiederaufnahme aus früheren Jahren. Dabei wählt man in der Regel eine Inszenierung aus, die beim Publikum besonders gut angekommen ist, wie beispielsweise im letzten Jahr Matilde di Shabran, die 2004 in der Regie von Mario Martone eine umjubelte Premiere feierte. In diesem Jahr hat man noch viel weiter zurückgegriffen und nicht nur eine Inszenierung wieder aufgenommen, die bereits 1987 einen großen Erfolg verbuchen konnte, sondern auch 1989 und 1996 als Wiederaufnahme auf dem Spielplan stand. Die Rede ist von L'occasione fa il ladro in der Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle, einem der bedeutendsten Musiktheaterregisseure des letzten Jahrhunderts, der sich in seinen Arbeiten im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen vehement einer vordergründigen Aktualisierung widersetzte und stets an der Musik orientierte. Von 1968 bis zu seinem Tod 1988 prägte er unter anderem mit seinen zahlreichen Inszenierungen die Salzburger Festspiele nachhaltig. Auch in Pesaro wären sicherlich noch weitere Produktionen gefolgt, wenn er nicht kurz nach einem Sturz in den Orchestergraben während der Proben in Tel Aviv an Herzversagen gestorben wäre. So bleibt dem Rossini Opera Festival nur die Möglichkeit, die L'occasione von Zeit zu Zeit wieder aufzunehmen, um die Erinnerung an dieses Ausnahmetalent wachzuhalten.

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Berenice (Elena Tsallagova, links) und Ernestina (Viktoria Yarovaya, rechts) planen, die Rollen zu tauschen (im Hintergrund: Berenices Onkel Don Eusebio (Giorgio Misseri)).

Ausgangspunkt der Handlung sind zwei Koffer, die bei einem Aufenthalt in einem Landgasthaus nach einer Gewitternacht versehentlich vertauscht werden. Da Don Parmenione allerdings in dem Koffer des anderen Gastes, Conte Alberto, dessen Pass und ein Portrait einer wunderschönen Frau findet, die Don Parmenione für Albertos zukünftige Braut hält, die diesen, wie Alberto erzählt hat, noch nie gesehen hat, beschließt er kurzerhand, sich selbst als Alberto auszugeben und die junge Dame zu ehelichen. Um die Verwirrung komplett zu machen, hat diese junge Dame, Berenice, allerdings beschlossen, mit ihrer engen Vertrauten und Dienerin Ernestina die Rollen zu tauschen, damit sie als scheinbares Dienstmädchen den zukünftigen Gemahl zunächst einmal in Augenschein nehmen kann. So wirbt Don Parmenione um die Falsche und muss sich gleichzeitig noch mit Alberto herumstreiten, der natürlich auch im Haus der Braut erscheint, sich aber verrückter Weise mehr zu dem Dienstmädchen als zu der vermeintlichen zukünftigen Braut hingezogen fühlt. Nach zahlreichen Verwicklungen stellt sich heraus, dass Ernestina die Schwester eines Freundes von Don Parmenione ist, die mit einem Verführer durchgebrannt ist und nun von Don Parmenione zurückgeholt werden soll. Berenice ist froh, dass der wahre Alberto sie auch als Dienstmädchen geliebt hätte, und so gibt es am Ende zwei glückliche Paare.

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Berenice (Elena Tsallagova) ist verwirrt. Don Parmenione (Roberto de Candia, links) und Alberto (Enea Scala, rechts) behaupten beide, der zukünftige Bräutigam zu sein. Martino (Paolo Bordogna, im Hintergrund) blickt beschämt zur Seite.

In der Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle nimmt Don Parmeniones Diener Martino eine Schlüsselrolle ein. Gemäß Libretto ist es nämlich der Diener, der Don Parmenione überredet, den falschen Koffer zu öffnen und damit die ganzen Verwicklungen eigentlich erst in Gang setzt. So betritt er in der Inszenierung mit einem riesigen Koffer vor Beginn des Stückes den Zuschauerraum und reicht der Dirigentin Yi-Chen Lin aus dem Koffer zunächst einmal die Partitur. Dann schleppt er den Koffer auf die bis dahin noch leere Bühne und lässt ihm während der Ouvertüre die Figuren des Stückes entsteigen, denen er die Rollenbücher reicht. Anschließend zaubert er auch noch die Kostüme und Requisiten aus dem Koffer, mit denen vor bemalten Vorhängen auf relativ einfache Art zunächst das Gasthaus auf der Bühne entsteht, das sich später durch leichte Veränderungen auf der Rückseite in einen Saal im Hause Don Eusebios, des Onkels der Braut, verwandelt. So viel bühnenbildnerisches Geschick mit einfachen Mitteln löst beim Publikum große Begeisterung aus, und es gibt spontanen Szenenapplaus nach dem Umbau. Vielleicht sollte sich das eine oder andere Regie-Team eine solche Reaktion für die Planung der Bühnenbilder einmal zu Herzen nehmen.

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Die richtigen Paare finden sich: Don Parmenione (Roberto de Candia, links) und Ernestina (Viktoria Yarovaya, links) auf der einen Seite und Berenice (Elena Tsallagova, rechts) und Alberto (Enea Scala, rechts) auf der anderen Seite. Don Eusebio (Giorgio Misseri, Mitte) ist zufrieden.

Auch wenn Anhänger des modernen Regietheaters das nun folgende Szenario in einer dem Stück angepassten Kulisse und mit wunderschönen Kostümen als altbacken verteufeln mögen, lässt sich nicht leugnen, dass hier eine sauber geführte Personenregie vorliegt, die sich genauestens an die Musik hält. Da sitzt jede Bewegung, sei es ob die beiden Frauen verwirrt zum Takt der Musik auf die Chaiselongue zurücksinken oder Don Parmenione und Alberto sogar die Waffen zücken, um den Streit um die Braut im Duell zu entscheiden. Dabei hört Martino während des ganzen Stückes nicht auf, die Fäden zu ziehen. So ist es beispielsweise Deutung der Regie, dass er die Koffer bewusst vertauscht, um damit die richtigen Paare zusammenzuführen. Vielleicht wäre Alberto sonst doch an die falsche Braut geraten. Am Ende lässt Martino dann wieder die Requisiten größtenteils im Koffer verschwinden und taucht, nachdem er seine Mission erfüllt hat, selbst im Koffer ab.

Dieses herrlich inszenierte Verwechslungsspiel wird von den Solisten darstellerisch und stimmlich großartig umgesetzt. Paolo Bordogna, der sich seit einigen Jahren hier in Pesaro als Buffo-Liebling etabliert hat, gestaltet die Partie des Martino mit unglaublicher Bühnenpräsenz und enormem Spielwitz. Faszinierend sind dabei auch immer wieder seine Beweglichkeit, wenn er beispielsweise von der Bühne in den Orchestergraben springt und blitzschnell wieder auftaucht. Hinzu kommt ein großartiger Bariton, den er vor allem in seiner Arie "Il mio padrone è un uomo" unter Beweis stellen kann, wenn er von Don Eusebio und Ernestina angetrieben wird, endlich die wahre Identität seines Herrn preiszugeben. Ihm zur Seite steht mit Roberto de Candia als Don Parmenione ein ebenso großer Buffo-Bariton, der mit markanten Tiefen und komödiantischem Talent den leicht hinterhältigen Edelmann mimt, der für eine schöne Frau auch mal bereit ist, eine andere Identität anzunehmen. Enea Scala hält als Alberto mit strahlendem Tenor und leuchtenden Spitzentönen sehr gut dagegen. Auch Victoria Yarovaya als Ernestina und Giorgio Misseri als Don Eusebio überzeugen darstellerisch und stimmlich.

Einen weiteren Höhepunkt des Abends stellt Elena Tsallagova in der Rolle der Berenice dar. Mit beweglichem Sopran changiert sie zwischen perlenden Koloraturen in ihren Arien und schnatterndem Parlando in den Ensembles. Ihr komisches Talent kann sie vor allem im Duett mit Roberto de Candia "Voi la sposa!" unter Beweis stellen, in der Don Parmenione sich ihr als vermeintlichem Dienstmädchen gegenüber recht anzüglich benimmt und sie ihm mitteilt, dass sie die eigentliche Braut in der Verkleidung eines Dienstmädchens sei. Begleitet wird die hochkarätige Solisten-Riege von dem souverän aufspielenden Orchestra Sinfonica G. Rossini unter der Leitung von Yi-Chen Lin, die die ihr von Bordogna zu Beginn gereichte Partitur nicht einmal öffnet, sondern das komplette Stück in äußerster Präzision auswendig dirigiert. So gibt es am Ende frenetischen Applaus für alle Beteiligten und für eine Inszenierung, die trotz der Jahre immer noch keinen Staub angesetzt hat.

FAZIT

Musikalisch bewegen sich die diesjährigen drei Opernproduktionen des Festivals alle auf gleich hohem Niveau, szenisch muss man allerdings festhalten, dass diese Wiederaufnahme der L'occasione die beiden Neuproduktion an Klasse übertrifft.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Yi-Chen Lin

Regie, Bühnenbild und Kostüme
Jean-Pierre Ponnelle

Wiederaufnahmeregie
Sonja Frisell



Orchestra Sinfonica G. Rossini


Solisten

Don Eusebio
Giorgio Misseri

Berenice
Elena Tsallagova

Conte Alberto
Enea Scala

Don Parmenione
Roberto de Candia

Ernestina
Viktoria Yarovaya

Martino
Paolo Bordogna

 


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