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Rossini Opera Festival

Pesaro
10.08.2013 - 23.08.2013


L'Italiana in Algeri

Dramma giocoso per musica in zwei Akten
Libretto von Angelo Anelli
Musik von Gioachino Rossini

In italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 10. August 2013
(rezensierte Aufführung: 13.08.2013)


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Rossini Opera Festival

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Algerien im Comic-Format

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival (studio amati bacciardi)


2013 steht bei den meisten Opernhäusern ganz im Zeichen der Jubilare Giuseppe Verdi und Richard Wagner, deren 200. Geburtstag in diesem Jahr gefeiert wird. Da das Rossini Opera Festival in Pesaro sich aber nun mal auf den "Sohn der Stadt" spezialisiert hat, feiert man im Rahmen der diesjährigen Festspiele ein anderes 200-jähriges Jubiläum, das im weitesten Sinne zumindest mit Richard Wagner in Verbindung gebracht werden kann. L'Italiana in Algeri, Rossinis elfte Oper, erlebte an Wagner Geburtstag, dem 22. Mai 1813, ihre umjubelte Uraufführung in Venedig. Dabei war das Werk eigentlich nur als Lückenbüßer gedacht, da Carlo Coccias La donna selvaggia nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte. In knapp vier Wochen vertonte Rossini ein Libretto neu, das Luigi Mosca bereits fünf Jahre zuvor für Mailand verwendet hatte (Rossini in Wildbad präsentierte übrigens 2003 diese Variante im Rahmen der alljährlichen Ausgrabungen und brachte auch eine Einspielung auf CD heraus) und das inhaltlich ganz im Trend der damaligen Begeisterung für orientalische Themen stand. Nachdem Rossinis L'Italiana lange Jahre von den Opernspielplänen verschwunden war, ist das Werk in den letzten Jahren nicht allein wegen der schmissigen Ouvertüre wieder häufiger im Repertoire der Opernhäuser zu finden.

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Mustafà (Alex Esposito, Mitte) schwimmt dank seiner Ölquellen im Geld (auf der linken Seite von links: Zulma (Raffaella Lupinacci) und Elvira (Mariangela Sicilia), auf der rechten Seite: Statisterie).

Die Handlung soll auf der wahren Geschichte der Mailänderin Antonietta Frappoli basieren, die 1808 Berühmtheit erlangte, als es ihr aus nicht genau geklärten Gründen gelang, aus der Gefangenschaft im Harem des Beys von Algier über Venedig in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Der Bey in der Oper, Mustafà, wahrscheinlich eine Anspielung auf Mustafa II., der von 1798 bis 1805 als osmanischer Statthalter über die Provinz Algier herrschte, ist seiner Frau Elvira überdrüssig und glaubt, dass nur eine Italienerin seinen Bedürfnissen nach der "idealen Frau" entsprechen kann. Diese erscheint in Gestalt der schönen Isabella, die in Begleitung ihres ältlichen Verehrers Taddeo von Livorno aufgebrochen ist, um ihren Geliebten Lindoro zu suchen, der als Sklave in Algier gefangen gehalten wird. Mit List und Charme gelingt es ihr, sich den Bey gefügig zu machen. So ernennt sie ihn beispielsweise zu einem Pappataci, dessen einzige Beschäftigung darin besteht, zu essen, zu trinken und zu schweigen, und bricht währenddessen mit Lindoro und Taddeo zurück nach Italien auf. Zu spät erkennt Mustafà den Betrug und bittet seine Gattin Elvira demütig um Verzeihung.

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Isabella (Anna Goryachova, Mitte) bezirzt in aufreizendem Outfit den Bey von Algier (rechts und links: Statistinnen).

Davide Livermore verlegt die Handlung in die späten 60er Jahre des letzten Jahrhunderts und kreiert mit dem Videodesigner-Team D-Wok Bilder, die an trashige Cartoons dieser Zeit erinnern. Das Bühnenbild von Nicolas Bovey nimmt mit seinen zur damaligen Zeit hypermodernen Formen in sterilem Weiß Bezug zu alten James-Bond-Filmen, wobei die beiden Statistinnen, die permanent die klinisch weißen Wände putzen mit ihren auftoupierten Haaren und den lasziven Bewegungen an Bond-Girls früherer Jahre erinnern. Mustafà ist kein orientalischer Bey mehr, sondern ein Öl-Milliardär, der in seinem Reichtum mit Goldkettchen und knallbuntem Outfit eigentlich schon ganz auf der westlichen Welle schwimmt. Da ist es kein Wunder, dass er das Interesse an seiner Frau Elvira verloren hat, die mit ihren Lockenwicklern im Haar und dem langen orientalisch angehauchten Gewand mit aufgedruckten Kamelen eine Zeit repräsentiert, die er bereits hinter sich gelassen hat. Folglich kommt ihm die moderne Isabella gerade recht, die von einer Agentin à la Emma Peel aus The Avengers (Mit Schirm, Charme und Melone) zu einer Amazone à la Barbarella mit gehörigem Sex-Appeal mutiert.

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Finale des ersten Aktes: von links: Zulma (Raffaella Lupinacci), Elvira (Mariangela Sicilia), Lindoro (Yijie Shi), Isabella (Anna Goryachova), Mustafà (Alex Esposito), Taddeo (Mario Cassi) und Haly (Davide Luciano)

Auch wenn die Inszenierung mit ihren ständig wechselnden Bildern keine Langeweile aufkommen lässt, ist nicht jeder Regie-Einfall gelungen. Ob Lindoro beispielsweise in seiner ersten Kavatine "Languir per una bella", wenn er voller Qualen an seine Geliebte Isabella denkt, die er fern in Livorno wähnt, ein Haifischbecken reinigen und sich dabei auch noch mit einem riesigen Haifisch anlegen muss, ist sicherlich ein bisschen zu viel des Guten und lenkt doch gewaltig von der Musik ab. Auch die ständigen versehentlich abgegebenen Schüsse des Beys, denen jeweils ein Soldat zum Opfer fällt und mit denen er auch das Flugzeug zur Bruchlandung zwingt, in dem Isabella ankommt, wirken extrem übertrieben. Was die beiden Stewardessen sollen, die dem Flugzeug entsteigen und einen Großteil der folgenden musikalischen Nummern durch rhythmische Bewegungen unterstützen, bleibt ebenfalls fraglich. Auch auf die dicke italienische Touristin, die ständig durch die Szene stapft und auch noch den Papagei des Beys in einem Staubsauger verschwinden lässt, hätte man gut verzichten können.

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Die Flucht aus Algier: an der Leiter: Isabella (Anna Goryachova) und Lindoro (Yijie Shi), rechts daneben von links: Taddeo (Mario Cassi), Mustafà (Alex Esposito), Haly (Davide Luciano, dahinter), Elvira (Mariangela Sicilia), Zulma (Raffaella Lupinacci) und Statisterie, auf der rechten Seite: Chor)

Keine Abstriche lassen sich hingegen bei der musikalischen Umsetzung machen. Anna Goryachova kann sowohl stimmlich als auch darstellerisch als eine Idealbesetzung für die Titelpartie bezeichnet werden. In ihren diversen Kostümen, die vom hochgeschlossenen Hosenanzug bis zum aufreizenden Badeanzug reichen, macht sie optisch eine sehr gute Figur, was durchaus nachvollziehen lässt, dass der Bey den Reizen dieser Europäerin verfallen ist. Hinzu kommt ein großartiger Mezzo, der in den Koloraturen regelrecht sprudelt und mit einer Leichtigkeit daherkommt, die ihresgleichen sucht. Großartig gelingen ihre Auftrittsarie "Cruda sorte!", in der sie den Gefahren der Reise aus Liebe zu ihrem Lindoro trotzt, und ihr Rondo "Pensa alla patria" im zweiten Akt, in dem sie ihren Landsleuten für die bevorstehende Flucht Mut zuspricht. Mariangela Sicilia gibt mit leuchtendem Sopran eine Elvira, die ernsthaft bemüht ist, von dieser Europäerin zu lernen, wobei ihre durchaus komödiantischen Versuche, bei denen sie auch zweimal regelrecht akrobatisch eine Treppe hinunterrollt, erst ganz am Ende vom Bey gewürdigt werden, wenn er demütig zu ihr zurückkehrt. Raffaella Lupinacci rundet als Sklavin Zulma mit sattem Mezzo das hervorragende Damen-Trio ab.

Alex Esposito ist die Buffo-Partie des Mustafà regelrecht auf den Leib geschrieben. Mit großem Spielwitz mimt er den Öl-Multi, für den kein Luxus zu teuer ist, und lotet auch stimmlich mit absolut beweglichem Bass die Partie großartig aus. Yijie Shi hält als Lindoro mit strahlendem Tenor dagegen, der auch in den Höhen eine enorme Durchschlagskraft besitzt. Mario Cassi gibt mit komödiantischem Spiel und kräftigem Bariton einen Taddeo, der erkennen muss, dass er vergeblich auf Isabellas Zuneigung gehofft und nur als Mittel zum Zweck gedient hat. Am Ende entscheidet er sich schweren Herzens dazu, lieber mit Isabella und Lindoro als fünftes Rad am Wagen Algier zu verlassen als womöglich vom Bey doch noch gepfählt zu werden. Auch Davide Luciano gefällt in der Partie des Haly, obwohl nicht ganz klar wird, welche Beziehung der Anführer von Mustafàs Korsaren eigentlich zu dem tuntigen Eunuchen hat, dessen Bedeutung in der Inszenierung zwar wie bei den übrigen Statisten schwammig bleibt, der aber dennoch über eine enorme Bühnenpräsenz verfügt. Das Orchester des Teatro Comunale di Bologna unter der Leitung von José Ramón Encinar begeistert mit einem flotten Rossini-Sound, so dass es am Ende für die musikalische Umsetzung verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Davide Livermores gelingt mit einem hervorragenden Solisten-Ensemble eine peppige und kurzweilige Umsetzung des Stückes, auch wenn manches Regie-Mätzchen vielleicht den Bogen überspannt.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
José Ramón Encinar

Regie
Davide Livermore

Bühne und Licht
Nicolas Bovey

Kostüme
Gianluca Falaschi

Videodesign
D-Wok

Chorleitung
Andrea Faidutti



Chor und Orchester des
Teatro Comunale di
Bologna


Solisten

Mustafà
Alex Esposito

Elvira
Mariangela Sicilia

Zulma
Raffaella Lupinacci

Haly
Davide Luciano

Lindoro
Yijie Shi

Isabella
Anna Goryachova

Taddeo
Mario Cassi

 


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