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Zarte und (zu) wuchtige TöneVon Christoph Wurzel / Foto: Kai Bienert Musik von Witold Lutosławski stand bereits in diesem offiziellen Eröffnungskonzert im Mittelpunkt des Interesses: seine Musik für Solovioline und Orchester Chain 2. Die junge Anne-Sophie Mutter hatte dieses Werk 1986 uraufgeführt und wenig später auch unter der Leitung des Komponisten eingespielt. Auch in Berlin spielte sie diese Musik, authentischer also könnte der Solopart nicht vorgetragen werden. Und die Geigerin warf sich mit Verve in die Interpretation dieser komplexen Musik. Der Komponist hat seinen „Dialog für Violine und Orchester“ (ja nur einer moderneren Bezeichnung für den herkömmlichen Begriff „Konzert“) mit dem sachlichen, fast technischen Titel Chain, also „Kette“, überschrieben. So wie in allen beim Musikfest zu hörenden Werken Lutosławskis aus seiner avantgardistischen Phase ab Anfang der sechziger Jahre hat er darin das von ihm entwickelte Prinzip des aleatorischen Kontrapunkts angewendet. Durchkomponierte und in den Noten exakt notierte Passagen wechseln sich kontrastierend mit solchen ab, in denen die Instrumentalisten des Orchesters in der Gestaltung ihrer Partien frei bleiben, in denen bei der Wiedergabe der Musik also der Zufall eine beträchtliche Rolle spielt. Gebannt hörte man im Konzert nicht allein diesen Klangereignissen zu, sondern als eine weitere Dimension der Musikerfahrung kam der visuelle Eindruck hinzu, wie plötzlich ein ganzes Orchester oder einzelne Gruppen ohne die ordnende Hand des Dirigenten Klang erzeugen, der sich unversehens bald wieder zu einer strukturierten Einheit fügt. In Chain 2 bilden solche ad-libitum-Phasen eben eine Kette mit a-battuta- Phasen, solchen die durchgeschlagen werden. Lutosławskis Musik wirkt dabei nur auf den ersten Eindruck sachlich oder konstruiert. In diesem musikalischen Dialog, mehr noch sogar in den Sinfonien, die in späteren Konzerten erklangen, spielt Lutosławski zahllose Stimmungen, Klangfarben und rhythmische Figuren durch, so dass auch diese Musik regelrecht unter die Haut geht. Anne-Sophie Mutter entlockte dem Instrument ungeahnte Facetten des Klangs und zeigte nicht nur in den zahlreichen faszinierenden Pianostellen stupende technische Brillanz. Mit klarer und exakter Schlagtechnik und einem Gestus, der allein dem musikalischen Fluss verpflichtet war, unterstütze Manfred Honeck die Solistin und leitete souverän dieses vielseitige musikalische Multitasking. Gelöst nach intensivster musikalischer Spannung: Anne-Sophie Mutter und Manfred Honeck mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra Zur Konzerteröffnung stand ein selten gehörtes Jugendwerk von Leo¨ Janáček auf dem Programm, seine kleine Suite für Streichorchester, die er mit 23 Jahren komponierte. Das Werk wirkt wie eine Kompositionsübung in spätromantischem Stil, der traditionellen Harmonik verpflichtet und mit melancholischem Unterton. Im zweiten Satz Adagio meint man sich gleich ins Schwanenreich Richard Wagners versetzt. Gefragt war hier höchste Streicherkultur und die Gäste aus den USA erfüllten diese Erwartungen vollends. Flexibel im Zusammenspiel und mit äußerster Empfindsamkeit für die Reinheit des Klangs präsentierten sie diese zwar wenig belangvollen, aber doch hörenswerten Charakterstücke. Ganz andere Töne klangen nach der Pause in einem der größten Orchester-Schinken an, der da mit dem Heldenleben von Richard Strauss durch die Philharmonie dröhnte. In recht aufdringlicher Weise huldigt hier ein knapp dreißigjähriger Komponist seinem eigenen Geniekult. Pathetisch steht ein ungenannter Held auf dem musikalischen Podest, unzweifelhaft der Komponist selbst, da Strauss ausführlich aus eigenen Werken zitiert. Im dritten Abschnitt rankt sich wie ein Efeuzweig eine „Gefährtin“ mit ausladenden Kantilenen um den Meister, ein Frauenbild, welches uns heute doch sehr befremdet. Manfred Honeck ließ es im Orchester angemessen blitzen und funkeln, vollmundig tönte das Blech, die wunderbare Sologeige sang in schönsten Tönen, vollendet ließen sich die Holzbläser hören. Das Pittsburgh Symphony Orchestra zeigte sich in voller Pracht. Aber ansonsten passte dieses Werk kaum ins Programm, nicht in dieses Konzert und auch nicht ins ganze Festival. Versöhnlich und anrührend dann die erste Zugabe, eine Instrumentalbearbeitung von Schuberts Litanei auf das Fest Allerseelen von Max Reger in wunderbar sensiblem Melodiefluss. Und der derb extrovertierte Rosenkavalier- Walzer als Kehraus. FAZIT Ein Programm, das nicht ganz die konzeptionelle Logik des diesjährigen Musikfestes traf: vielleicht war das Heldenleben ein Zugeständnis an die konzertreisenden Gäste aus Amerika, die Richard Strauss einfach im Gepäck hatten. Aber als letzter Programmpunkt hätte nahezu alle andere Musik besser gepasst. Weitere
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Das ProgrammLeo š JanáčekSuite für Sreichorchester Witold Lutosławski Chain 2 – Dialog für Violine und Orchester Richard Strauss Ein Heldenleben
Anne-Sophie Mutter, Violine Pittsburgh Symphony Orchestra Leitung: Manfred Honeck
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