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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
08.07.2012 - 22.07.2012


I briganti

Melodramma serio in drei Akten
Libretto von Jacopo Crescini nach Friedrich Schillers Die Räuber
Musik von Saverio Mercadante

In italienischer Sprache mit deutschen und italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (zwei Pausen)

Premiere in der Trinkhalle in Bad Wildbad am 14. Juli 2012
(rezensierte Aufführung: am 18.07.2012)

 

 

 

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Belcanto-Juwel mit hervorragender Besetzung

Von Thomas Molke / Fotos von Patrick Pfeiffer


Saverio Mercadante zählt neben Giovanni Pacini zu den bedeutendsten italienischen Opernkomponisten der Übergangszeit zwischen Vincenzo Bellini und Giuseppe Verdi und hat mit dem von ihm bezeichneten "canto dramatico" eine Reform der italienischen Oper eingeleitet, die heutzutage eher Verdi zugeschrieben wird. Dass keine seiner 57 Opern bis jetzt den Sprung ins gängige Repertoire geschafft hat, mag weniger an der musikalischen Qualität seiner Werke gelegen haben als vielmehr an einem gewissen Pech, sich auch international als erfolgreicher Komponist durchzusetzen. War es in Wien das Festhalten an der neapolitanischen Tradition, was ihm die Musikkritiker vorwarfen, so waren es in Lissabon die aktuellen politischen Verhältnisse, die mit dem Staatsstreich von 1828 dazu führten, dass der Spielbetrieb der Oper vorübergehend eingestellt werden musste. Als er dann 1836 in Paris I briganti zur Uraufführung brachte, war es die drei Wochen zuvor erfolgte Uraufführung von Giacomo Meyerbeers Les Huguenots, die seinem Werk den verdienten Erfolg streitig machte. Nachdem man sich bereits 2007 in Bad Wildbad in einer konzertanten Aufführung der Oper Don Chisciotte alle Nozze di Gamaccio von den musikalischen Meriten Mercadantes überzeugen konnte, wird in dieser Spielzeit mit der Vertonung von Schillers Räubern ein Belcanto-Juwel ausgegraben, das bei einem Vergleich mit Bellini und dem frühen Verdi musikalisch keinesfalls zurücksteht.

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Amelia (Petya Ivanova) zwischen den Brüdern Corrado (Vittorio Prato, links) und Ermano (Maxim Mironov, rechts) (im Hintergrund: Camerata Bach Chor Posen)

Dabei ist es jedoch schon beinahe vermessen, von einer Schiller-Vertonung zu sprechen, da das Libretto von der Räuber-Vorlage sehr weit entfernt ist und allenfalls auf die letzten beiden Akte von Schillers Drama zurückgreift. In der Oper befindet sich Ermano (Karl Moor) bereits zu Beginn bei den Räubern und wird von der geliebten Amelia (Amalia) für tot gehalten. Auch der alte Graf Massimiliano fristet sein Dasein bereits im Hungerturm und wird von seinem Sohn Corrado (Franz Moor) für tot erklärt. Letzterer plant, nachdem er sich der Herrschaft bemächtigt hat, Amelia zu heiraten, die sich seinen Avancen jedoch widersetzt. Das Auftauchen Ermanos lässt in Amelia neue Hoffnung aufkeimen, wobei Ermano allerdings nicht in der Lage ist, Amelia über sein Leben als Räuberhauptmann aufzuklären. Als Corrado erscheint, planen die beiden Brüder für den nächsten Tag, in einem Duell um die Herrschaft zu kämpfen. Während Ermano seine Räuber im Wald auf einen Kampf mit Corrado vorbereitet, entdeckt er im Hungerturm den tot geglaubten Vater. Nach einer eindringlichen Wiedererkennungs- und Versöhnungsszene verspricht er dem Vater, unter Schonung von Corrados Leben die Herrschaft für ihn zurück zu erobern. Doch Corrado stürzt sich im Kampf in Ermanos Schwert, so dass sich der alte Graf von seinem geliebten Sohn verraten fühlt. Als dieser ihn überzeugen kann, dass er unschuldig am Tod seines Bruders ist, stünde einem Happy End nichts mehr im Wege, wenn nicht die Räuber, die in der Stadt mittlerweile von Moors Soldaten umzingelt sind, von Ermano die Einhaltung seines Schwurs einfordern würden. So verabschiedet sich Ermano von seinem geliebten Vater und entscheidet sich für Leben oder Tod mit den Räubern, während Amelia tot zusammenbricht und der alte Graf allein und gebrochen zurückbleibt.

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Ermano (Maxim Mironov, vorne) mit Rollero (Jesús Ayllón, rechts dahinter) im Räuberlager (Räuber: Herren des Camerata Bach Chor Posen)

Regisseur Jochen Schönleber folgt im Großen und Ganzen der Vorlage des Librettos, wobei er die Geschichte als Traum Ermanos kurz vor seiner Hinrichtung ablaufen lässt. Von daher sieht man immer wieder in Videoprojektionen auf der Rückwand Einblendungen eines schlafenden Ermanos, die dann in eine Einblendung von Amelia in einem weißen Brautkleid, ein Bild von Ermano und Corrado aus glücklichen Zeiten auf einem Tennisplatz und eines, das den Vater mit einer drohenden Geste zeigt, übergehen. Während diese Bilderabfolge nachvollziehbar ist, wird nicht klar, wieso zwischendurch ein Foto von Che Guevara oder dem Rock-Revoluzzer Jim Morrison eingeblendet werden. Eine Assoziation mit Menschen aus der oberen Klasse, die auf die andere Seite gewechselt haben, wäre auch ohne diese Hinweise verständlich und aktuell genug gewesen. Claudia Möbius verzichtet bei den Kostümen auf bunte Farben und kleidet die Gesellschaft am Hof in kontrastreiches Schwarz und Weiß. Hier gibt es keine Zwischentöne. Hier muss man sich entscheiden zwischen Ja oder Nein. Einen Mittelweg gibt es nicht. Während den Frauen in ihren weißen recht modern gehaltenen Kostümen eine gewisse Unschuld anhaftet, wirken die Männer in ihren weißen Anzügen und den schwarzen Hemden, vor allem Corrado, wie Machos in einer patriarchalischen Gesellschaft. Auch den Räubern wird in der Kostümierung jegliche bunte Farbe verweigert. In den Grautönen wirken sie natürlich wesentlich ärmlicher als die Hofgesellschaft.

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Massimiliano (Bruno Praticò, links) hat seinen geliebten Sohn Ermano (Maxim Mironov, rechts) wiedergefunden.

Auch das Bühnenbild, für das Schönleber zusammen mit Christine May verantwortlich zeichnet, greift mit einem schräg ansteigenden Podest in der Bühnenmitte die Einteilung in die obere Gesellschaft auf der einen Seite und die geknechtete Bevölkerung auf der anderen Seite auf. So sieht man im ersten Akt auf der linken Seite in einem Quader drei dunkle Gestalten sehnsuchtsvoll zu der ausschweifend feiernden Hofgesellschaft, die Getränke und Speisen im Überfluss aufgetischt hat, herüberblicken. Während dieses Podest im ersten Akt mit weißen Tüchern überdeckt ist und damit mit den Kostümen der Hofgesellschaft korrespondiert, ist es im zweiten Akt im Lager der Räuber gebrochen und wirkt wesentlich düsterer. Der Quader auf der linken Seite stellt nun das Verlies dar, in dem der alte Graf gefangen gehalten wird. Ein weiteres wichtiges Bühnenelement stellt ein Bett dar, das im ersten Akt rechts von dem Podest wohl für den Traum Ermanos steht, im zweiten Akt schräg auf das Podest gestellt ist, weil Ermano im Räuberlager der Anführer ist, somit von der Randfigur der oberen Gesellschaft zur zentralen Figur im Räuberlager geworden ist. Im dritten Akt ist dieses Bett verschwunden, weil Ermano nun kurz vor der Hinrichtung in seiner Zelle im linken Bühnenquader steht. Ob man den Schluss des Librettos so lesen muss, dass Ermano mit seinen Räubern nicht entfliehen kann, sondern hingerichtet wird, ist Ansichtssache. Crescini lässt es im Libretto eigentlich offen. Ermanos letzten Worten "Padre, Amelia, addio per sempre" nach dem Hinweis der Räuber, dass sie von Bewaffneten umzingelt seien, folgt kein weiterer Regiehinweis, was danach mit Ermano geschieht. So ist Schönlebers Sichtweise sicherlich legitim und stellt keine Umdeutung des Werkes dar.

Was die Oper musikalisch an Perlen bietet, lässt aufhorchen und hoffen, dass auch diese Produktion bald als CD-Aufnahme erscheinen wird, besonders in der Besetzung, mit der man in Bad Wildbad aufwarten kann und die keinerlei Wünsche offen lässt. Da ist zunächst einmal Vittorio Prato zu nennen, der als machtbesessener Corrado mit fulminantem Bariton glänzt. Einen Höhepunkt stellt seine Arie "Ah! no: vivi" im dritten Akt, in der er seine verzweifelte Liebe zu Amelia besingt, die er zwar einerseits am liebsten töten möchte, weil sie ihn ständig zurückweist, der er andererseits wegen ihres Liebreizes aber kein Haar krümmen kann. Auch die Partie der Amelia bietet mit halsbrecherischen Koloraturen zahlreiche Möglichkeiten zu brillieren. Dies gelingt der großartigen Petya Ivanova sowohl in ihrer Arie "Quando, guerrier mio splendido" im ersten Akt, in der sie von einem Wiedersehen mit ihrem Geliebten Ermano träumt, als auch in ihrem Gebet "Ciel! del mio prode Ermano", in dem sie um einen glücklichen Ausgang der Schlacht bangt. Auch ihr Duett "Tu vivi?" mit Ermano dürfte hoffentlich Eingang in die eine oder andere Belcanto-Konzert-Gala finden. Bruno Praticò beweist als Massimiliano, das er neben dem in Wildbad bisher meistens präsentierten komischen Talent auch in einer tragischen Rolle überzeugen kann. Das Duett im zweiten Akt, in dem er seinen verlorenen Sohn Ermano wiederfindet, ist an Innigkeit kaum zu überbieten und sorgt beim Zuhörer für eine regelrechte Gänsehaut.

Was bei aller Schönheit der Musik die meisten Bühnen wahrscheinlich daran hindern dürfte, dieses Stück in den Spielplan zu nehmen, ist das Problem der Besetzung des Ermano. Die Tenorpartie ist in der Tessitur so hoch angelegt, dass man nur schwer Sänger finden dürfte, die dieser Partie gewachsen sind. In Bad Wildbad hat man mit dem russischen Tenor Maxim Mironov einen Sängerdarsteller gefunden, der diese mörderischen Höhen nicht nur mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit bewältigt, sondern auch darstellerisch in der Rolle des Räuberhauptmanns überzeugt. Dabei ist es schon beinahe eine Schande, dass Mercadante Ermanos großes Trinklied "Trova ovunque e patria e tetto", das Ermano im Räuberlager anstimmt, und sein Gebet "Fra nembi crudeli", in dem er kurz vor dem Treffen mit dem Vater Vergebung von diesem erhofft, so komponiert hat, dass dem Publikum - und dem Sänger - keine Möglichkeit zum Szenenapplaus gewährt wird. Mironov hätte es bei seiner Interpretation mehr als verdient. Auch Jesús Ayllón als Räuber Rollero, Atanas Mladenov als Eremit Bertrando und Rosa Fiocco als Amelias Vertraute Teresa überzeugen, wobei in der Personenregie nicht ganz klar wird, welche Rolle Schönleber eigentlich Teresa zuschreibt, da sie in ihrer Mimik und Gestik beinahe schon eher als Gegenspielerin zu Amelia wirkt. Der homogen von Tomasz Potkowski einstudierte Camerata Bach Chor Posen überzeugt stimmlich und darstellerisch als Hofgesellschaft und Räuber. Antonio Fogliani führt mit den Virtuosi Brunenses die vielfältige Orchestrationskunst Mercadantes gekonnt vor, so dass es am Ende lang anhaltenden und stürmischen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Wer keine Möglichkeit hat, dieses Belcanto-Juwel in Bad Wildbad zu erleben, kann sich am 28. Juli 2012 im Deutschlandradio Kultur um 19.05 Uhr von den musikalischen Qualitäten dieses Werkes überzeugen. Ansonsten bleibt zu hoffen, dass die CD-Aufnahme dieser Produktion nicht lange auf sich warten lässt.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonino Fogliani

Regie und Bühnenbild
Jochen Schönleber

Mitarbeit Bühnenbild
Christine May

Video
Gérard Naziri

Kostüme
Claudia Möbius

Licht
Kai Luczak

Chor
Tomasz Potkowski

Dramaturgie
Annette Hornbacher

 

Virtuosi Brunenses

Camerata Bach Chor Posen


Solisten

Massimiliano, Graf von Moor
Bruno Praticò

Ermano, sein Sohn
Maxim Mironov

Corrado, sein Sohn
Vittorio Prato

Amelia, sein Mündel
Petya Ivanova

Teresa, ihre Freundin
Rosa Fiocco

Bertrando, ein Eremit
Atanas Mladenov

Rollero, ein Räuber
Jesús Ayllón

 


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