Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
|
Eine etwas andere Entführung aus dem SerailVon Thomas Molke / Fotos von Patrick Pfeiffer
Selimo (Vassilis Kavayas, rechts) hat seine Geliebte Adina (Marija Jokovic) im Serail wiedergefunden (im Hintergrund links: Mustafà (Bruno Praticò)). Das Libretto wirkt wie eine Bearbeitung der zweiaktigen Vorlage Felice Romanis für Francesco Basilis Il califo e la schiava. Da Basilis Oper aber erst ein Jahr nach Rossinis Kompositionsauftrag zur Uraufführung kam, wird gemutmaßt, dass Romani dieses Libretto vorher schon einmal Rossini angeboten, dieser es jedoch zugunsten La gazza ladra zurückgewiesen habe. Die Handlung spielt im Serail des Kalifen von Bagdad, der sich in die junge Sklavin Adina verliebt hat und sie heiraten möchte, weil sie ihn an seine frühe Jugendliebe Zora erinnert. Adina, die ihren Geliebten Selimo verloren hat, fühlt sich vom Werben des Kalifen geschmeichelt und ist bereit die Verbindung mit dem älteren Mann einzugehen. Da taucht plötzlich der tot geglaubte Selimo wieder auf. Adina beschließt, mit ihm zu fliehen. Der Fluchtplan wird vom Kalifen entdeckt und Selimo soll hingerichtet werden. Da entdeckt der Kalif an Adinas Hals ein Medaillon, das sie als seine Tochter ausweist. Folglich beschließt er den vermeintlichen Nebenbuhler zu begnadigen und mit seinem wieder gefundenen Kind zu vermählen. Alì (Christopher Kaplan) schürt bei seinem Herren, dem Califfo (Raffaele Facciolà), das Misstrauen gegen Adina. Antonio Petris baut in seiner Inszenierung die relativ unbedeutende Rolle des Dieners Alì aus, indem er ihn mit weiß geschminktem Gesicht in einem langen schwarzen Frack diabolisch wie das personifizierte schlechte Gewissen über die Bühne laufen lässt. Wie ein Magier lässt er die einzelnen Figuren erstarren oder aus ihrer Erstarrung erwachen und imitiert die Bewegungen des Kalifen wie ein Schatten. Christopher Kaplan gelingt dabei eine Darstellung, die durch die kalte Mimik den Zuschauer erschauern lässt. Im Gegensatz dazu steht sein relativ hoher Tenor, der in seiner kleinen Arie "Pur troppo la donna" kurz vor dem Finale, in der er sein Unverständnis über die Frauen ausdrückt, alles andere als diabolisch klingt. Von daher scheint die Figur im Libretto keineswegs so negativ angelegt zu sein, wie Petris sie in seiner Inszenierung deutet, und Alìs Tod am Ende wirkt völlig unmotiviert. Auch wird nicht klar, warum im Finale Antonino Foglianis kleiner Sohn im feinen Kostüm auftritt, um Adina ein paar Blumen zu überreichen. Soll es ein Dernieren-Gag sein oder den familiären Charakter des Festspiels unterstreichen? Bei aller Rührung, die der niedliche Auftritt des kleinen Jungen im Publikum auslöste, blieb der dramaturgische Sinn unklar. Mustafà (Bruno Praticò) bei seiner großen Arie, aber auch hier hat Alì (Christopher Kaplan) seine Finger im Spiel. Das Bühnenbild, für das ebenfalls Petris verantwortlich zeichnet, zeigt im ersten Teil ein surreales Bagdad, das größtenteils aus farblosen geometrischen Figuren besteht. Die Blumen, die den Garten des Serails schmücken sollen, werden vom Chor aus Papier geschnitten und an die Wände gekleistert. Im Gegensatz dazu steht der halbrunde Raum, der wie ein Turm um Adina errichtet wird. Die Fotos, mit denen die Wände übersät sind, zeigen allesamt Motive aus der westlichen Kultur, die zum Orient einen krassen Gegensatz bilden. Dies ist die Welt Adinas, in der sie durch zahlreiche Löcher in den Wänden unter ständiger Beobachtung zu stehen scheint. Der Chor schafft es aber nicht, in diese Welt einzudringen, so wie es Adina auch nicht gelingt, ohne Selimos Hilfe aus dem Serail auszubrechen. Die orientalisch angehauchten Kostüme verzichten auf bunte Farben und setzen in Schwarz und Weiß ebenfalls starke Kontraste. Mit Ausnahme des Gärtners Mustafà und des Dieners Alì beinhalten aber die Kostüme von allen Figuren sowohl schwarze als auch weiße Elemente, um zu zeigen, dass er hier nicht rein gute oder böse Menschen gibt. Unklar bleibt, warum der Herrenchor teilweise in schwarzer Vollverschleierung auftritt. Soll er hier weitere Haremsdamen darstellen? An dieser Stelle wirkt die Inszenierung nicht konsequent zu Ende gedacht. Der Califfo (Raffaele Facciolà) schwört Rache für Adinas Treulosigkeit. Stimmlich kann die Produktion das hohe Niveau der beiden anderen in diesem Jahr in Wildbad präsentierten Opern nicht ganz halten. So merkt man bei Vassilis Kavayas, dass seine Stimme für die Partie des Selimo vielleicht noch ein bisschen zu jung ist und erst noch reifen muss. Zwar verfügt er über einen geschmeidigen Tenor mit einer sauberen Stimmführung, hat aber in den Höhen noch kleine Intonationsprobleme. Umso erfrischender ist sein jugendliches Spiel. Gleiches gilt für Rosita Fiocco in der Titelpartie. Auch sie verfügt über gutes stimmliches Potential, das noch etwas reifen muss, bis bei ihrem warmen Mezzo die Koloraturen noch etwas beweglicher perlen. Raffaele Facciolà verfügt über einen fundierten Bariton und überzeugt als Califfo vor allem in seiner Arie "D'intorno il serraglio" mit dramatischem Ausbruch, wenn er befürchtet, dass seine geliebte Adina ihn hintergehen will. Höhepunkt der Aufführung ist der renommierte Buffo-Bass Bruno Praticò als Gärtner Mustafà. Da für diese Figur eigentlich keine Arie vorgesehen ist, fällt er kurz vor der eingefügten Pause, nachdem Selimo und Adina die gemeinsame Flucht geplant haben, aus der Rolle und beginnt mit Antonino Fogliani ein Streitgespräch darüber, wieso er eigentlich keine eigene Arie in dieser Oper habe. Nach kurzer Diskussion lässt sich Fogliani darauf ein und bietet ihm die Arie des Batone aus der Farsa L'inganno felice an, in der dieser sich ausmalt, was passieren könnte, wenn der Fluchtplan auffliegen sollte. Vielleicht würde der Kalif Adina dann genauso auf dem Meer aussetzen, wie es in L'inganno felice mit Isabella passiert ist. Praticò schmückt diese Einlage mit dem ihm eigenen komischen Talent aus und begeistert mit beweglichem Bass. Stimmlich überzeugend präsentieren sich auch die Herren des Camerata Bach Chor Posen, auch wenn in ihrem durchaus lebhaften Spiel nicht immer klar ist, was Petris' Personenregie damit eigentlich bezweckt. Auch die Virtuosi Brunenses sorgen unter der Leitung von Antonino Fogliani für einen beschwingten Rossini-Klang, so dass es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.
FAZIT Dem Festival ist es hoch anzurechnen, dass auch einmal Rossinis wenig beachtete Farsa Adina präsentiert wird. Der Höhepunkt des diesjährigen Festivals ist diese Produktion allerdings nicht.
Weitere Rezensionen zu Rossini in
Wildbad 2012 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAntonino Fogliani Regie und Bühne Mitarbeit Regie
Kostüme Licht Chor
Virtuosi Brunenses Camerata Bach Chor Posen
Solisten*rezensierte Aufführung Califfo
Adina
Selimo
Alì
Mustafà
|
- Fine -