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Cage: Lecture on Nothing 

Robert Wilson liest, inszeniert und performt

in englischer Sprache  

Aufführungsdauer: ca. 1h (keine Pause)

Premiere in der Jahrhunderthalle Bochum am 22. August 2012 

Logo: Ruhrtriennale 2012

Nichts ist Alles

von Ursula Decker-Bönniger




Ein an die Occupy-Bewegung erinnernder Wald aus schwarz-weißen Schildern ist mit wahllos zusammengewürfelten Textfragmenten des Cage-Textes Lecture on Nothing beschriftetet. Auch der Boden ist mit Zeitungspapier gepflastert. "We are getting nowhere", "Free of course" oder "I can anything this now" schreit einem pakativ entgegen. Mittig sitzt ein älterer Herr an einem weißen Tisch. Konzentriert richtet er seinen Blick auf einen vor ihm liegenden geöffneten Aktenordner voller weißer Zettel. Bedächtig gleitet der Zeigefinger der rechten Hand über die Zeilen. Der Vortragende ist barfuss. Er trägt ein weißes Oberhemd und eine weiße Sommerhose oder ist es ein weißer Schlafanzug? Auf der rechten Seite der Bühne steht ein schlichtes, ordentlich gemachtes, weißes Bett. Das Publikum hat Platz genommen. Alle warten. Kein Wort erklingt. Stille.

Als dann, nach einigen Minuten, abrupt ein nicht enden wollendes, ohrenbetäubend lautes, metallisch verzerrtes Klangband einsetzt, haben einige Besucher das Gefühl im falschen Film zu sein und verlassen den Raum. Es lärmt nicht nur, es schmerzt.
Zwischen den Schilderbäumen hält ein mit schwarzer Schirmmütze, Anzug ausgestatteter junger Mann mit seinem Fernrohr Ausschau nach weiteren Menschen im Publikum. Wen sucht er?
Einige Minuten später wechselt der Lärm auf eine höhere Tonstufe. Tritonus- , Septimabstand oder ist es die von Cage verabscheute Terz? Der Lärm ist deutlich aggressiver, provozierender geworden. Es ist kaum auszuhalten. Und plötzlich - ebenso abrupt wie das Geräusch begonnen hat, setzt es wieder aus. Kein Husten, kein Atmen, kein Rascheln, nichts. Bis auf die Klimaanlage der Halle herrscht wunderbare, absolute Stille!

Was wie der Beginn eines Theaterstücks anmutet, ist der ca. 30 minütige Anfang einer von Robert Wilson inszenierten Performance der Lecture on Nothing, einer von Cages zentralen, experimentellen Texten.
1949 beim Künstler-Club in der 8. Straße von New York vorgetragen, im August 1959 erstmalig im Druck erschienen, wendet Cage hier zusätzlich zum Stimmklang musikalische Formprinzipien zur Strukturierung der Zeit wie Metrum, Takt, Rhythmus, Phrase auf Texte an.
Vortrag über Nichts lautet der Titel in der wunderbaren Übersetzung von Ernst Jandl. Nicht der Inhalt solle interessieren, sondern seine anschauliche Vergegenwärtigung. Und bei aller künstlichen Struktur solle der Vortrag "nicht in einer gekünstelten Weise geschehen (...), sondern mit dem Rubato, das man beim alltäglichen Sprechen anwendet", fordert Cage in einem Vor-, bzw. Nachwort.

Sobald Robert Wilson mit seiner natürlich wirkenden, überaus kunstvollen Sprachmelodie in verständlichem, breiten amerikanischen Englisch beginnt, ordnen sich stufenlose Beleuchtungsveränderungen und eine selten einsetzende zarte, fast tonlose, musikalische Untermalung dem Textvortrag unter.
Der Inhalt wirkt wie eine parodistische und doch ernste, unmotivierte, scheinbar belanglose Aneinanderreihung autobiographischer Bemerkungen, Assoziationen, Kommentare zur Textstruktur, Philosophie, Amerika, Kunst, Musik, Komponisten und ihren Kompositionsverfahren.

Im vierten Textabschnitt häufen sich die Wiederholungen. Wilsons flexibler, wohlklingender Bariton weiß die Zuhörer immer wieder in Bann zu ziehen. Mal ist er der euphorische Märchenonkel, mal wirkt seine Stimme ironisch gebrochen. Mal verklingt sie in gehauchtem Flüsterton. Mal schreit er autoritär ins Publikum.
Ganz im Gegensatz dazu ein vom Band eingespieltes Textfragment, wo jemand mit monotonem Stimmklang eine Passage wiederholt, während der Performer sich schlafen gelegt hat - frei nach der Aufforderung in Cages Text : "Wenn jemand schläfrig ist, soll er schlafen."

Es war ein faszinierender Vortrag im Perfomance-Gewand, aus dem auch die witzigen, sich selbst inszenierenden Abschiedsgesten Robert Wilsons, die nach dem Applaus folgten, nicht wegzudenken sind.
Schade nur, dass das Programmheft keine Informationen zur Konzeption der Performance enthält und auch keine Auskunft über Quelle oder Namen des Vortragenden der Bandeinspielung gibt.


FAZIT

Eine hervorragende Performance mit einem grandiosen Performer Robert Wilson.




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Produktionsteam


Performance
Robert Wilson

Konzept und Regie
Robert Wilson

Musik
Arno Kraehahn

Video
Tomek Jeziorski

Mann mit Fernglas
Tilman Hecker

Dramaturgie
Stephan Buchberger

Produktionsleitung
Gerhard Alt

Produktion und Technik
Team der Ruhrtriennale












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