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Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg

20.07.2012 - 28.07.2012

 

Ezio

Dramma per musica in drei Akten 
Libretto von Pietro Metastasio
Adaption der Fassung von 1750 für Schauspieler und Sänger
Musik von Christoph Willibald Gluck

mit deutschen Dialogen und italienischen Gesangstexten

Aufführungsdauer: ca. 1h 45' (keine Pause)

Premiere im Parkhaus Theater Nürnberg am 21.07.2012
(rezensierte Aufführung: 24.07.2012)


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Barockoper im Rocker-Milieu 

Von Thomas Molke / Fotos von Jutta Missbach


Christoph Willibald Gluck hat seinen Platz im Repertoire der Opernhäuser heutzutage vor allem seinen Reformopern zu verdanken. Dabei wird häufig vergessen, dass er vor seinem wohl bekanntesten Werk Orfeo ed Euridice ein äußerst erfolgreicher Komponist der opera seria war. Nachdem man sich bei den letzten Internationalen Gluck-Opern-Festspielen 2010 unter dem Motto Gluck, Paris und die Folgen vor allem seinen Spätwerken gewidmet hat, geht man in diesem Jahr mit Gluck, Prag und die Antike auf seine Anfänge zurück. So wird stolz verkündet, dass bei diesen Festspielen die Prager Urfassung seines 1750 uraufgeführten Ezio wiederentdeckt werde. Wer bei dieser "Wiederentdeckung" allerdings auf eine möglichst ungekürzte Fassung dieser Oper hofft, die Gluck 1763 für das Wiener Burgtheater noch einmal grundlegend überarbeitete, wird jedoch enttäuscht. Wie bei dem Ballettabend Don Juan handelt es sich eher um ein Crossover-Projekt, dieses Mal zwischen Musik und Schauspiel, wobei ein Teil der Arien und alle Rezitative gestrichen und durch gesprochene Dialoge ersetzt worden sind.

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Valentiniano (Timo Alexander Wenzel, 2. von links) und Massimo (Jochen Kuhl, 2. von rechts) mit den Sängern als Alter Ego (links: Leila Pfister als Valentiano, rechts: Martin Platz als Massimo)

Auch der Aufführungsort mag irritieren, da man ein Parkhaus sicherlich nicht mit einer Theateraufführung assoziiert. Da sich das Projekt mit den räumlichen Möglichkeiten des Opernhauses nicht realisieren ließ, hatte man zunächst das Volksbad als externe Spielstätte ausgewählt. Da auch dieser Spielort Baeslers Konzept für seine Inszenierung nicht richtig einfangen konnte, machte man aus der Not eine Tugend und nutzte einfach eine still gelegte Untergeschossebene des Parkhauses unter dem Theater, um der düsteren Atmosphäre des Stückes Ausdruck zu verleihen. Denn auch das übliche der opera seria geschuldete lieto fine kann über die Intrigen und Grausamkeiten der Handlung nicht hinwegtäuschen. Erzählt wird die Geschichte des römischen Feldherren Ezio (Aetius), der für den Kaiser Valentiano (Valentian III.) Attila besiegt hat, sich aber den Neid des Kaisers zuzieht, da beide die gleiche Frau, Fulvia, lieben. Fulvias Vater hingegen, der Patrizier Massimo (Maximus), hat noch eine Rechnung mit dem Kaiser offen und plant, ihn mit Hilfe von Ezio und Fulvia zu ermorden. Da Ezio dem Kaiser treu ergeben ist, lässt er den Kaiser glauben, dass sein treuer Feldherr ihm nach dem Leben trachte. Valentiano lässt Ezio hinrichten, doch Varo rettet seinen Freund. So kann Ezio noch rechtzeitig verhindern, dass Massimo einen Anschlag auf den Kaiser verübt. Aus Dankbarkeit verzichtet Valentiano auf Fulvia und gewährt allen, auch Massimo, Vergebung.

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Ezio (Felix Alex Preißler, links und Judita Nagyová, rechts) im Selbstgespräch

Wie sich das Weströmische Reich zur Zeit des Kaisers Valentian III. bereits mehr oder weniger auf sein Ende zubewegte, entwickelt Andreas Baesler in seiner Inszenierung ebenfalls eine Art Endzeitszenario, in das die Zuschauer mit einbezogen werden. Das Parkhaus fungiert als eine Art Schutzbunker, in dem die Zuschauer von der Außenwelt abgeschirmt werden. Von in schwarzem Leder gekleideten Frauen, die ein wenig an die Rocky Horror Show erinnern, werden die Zuschauer in das Untergeschoss des Parkhauses geführt, während über Lautsprecher Warnungen ertönen, keinesfalls den markierten Weg zu verlassen, wenn einem sein Leben lieb sei. Draußen tobt wohl ein Bandenkrieg. Nirgends ist man sicher. So müssen die Zuschauer während der Aufführung mehrere Male den Ort wechseln. In einem Raum blicken sie, auf zwei Seiten stehend, durch Holzleisten wie in einen Käfig, in dem die Geschichte um Ezio spielt. Im nächsten Raum verfolgen sie auf harten Holzsitzen ebenfalls von zwei Seiten aus das Geschehen in der Mitte. In einem dritten Raum wiederum wandern sie um einen abgesperrten Bereich herum, in dem unter schwarzen Leichensäcken, den aufgestellten Fotos nach zu urteilen, wohl die Figuren der Oper aufgebahrt sind. Soll dieses Bild andeuten, dass am Ende doch alle tot sind? Dass das lieto fine nur gespielt ist? Die Schlusssequenz, in der alle Figuren die Waffen aufeinander richten, wenn das Licht verlöscht, lässt diese Möglichkeit offen.

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Onoria (Rebecca Kirchmann, links und Heidi Elisabeth Meier, rechts)

Das Bühnenbild wirkt wie ein Sammelsurium von Gegenständen, die bei einer Flucht in einen Bunker noch eben gerettet werden konnten. Die Kostüme der Schauspieler gestaltet Ulli Kremer größtenteils in Schwarz. Valentiano und seine Schwester Onoria wirken dabei mit ihren hohen Perücken wie Relikte der Barockzeit, wobei Onorias kurzer Rock dazu einen Kontrast bildet. Fulvia und Massimo treten im Gothic-Stil auf. Varo und die anderen Soldaten erinnern mit ihrem Irokesenschnitt und den Tattoos an Bandenkrieger, während Ezio in seinem Kriegeroutfit durch blutrote Wunden gekennzeichnet ist. Ungewöhnlich imposant ist Ezios erster Auftritt, wenn er in einem großen roten Chevrolet mit Girlanden und Kerzenlüstern auf die Bühne fährt. Die Kostüme der Sänger sind alle in Weiß gehalten und korrespondieren im Schnitt und in der Aufmachung mit ihrem jeweiligen Alter Ego. Da die Sänger in den Arien die Affekte der Figuren verkörpern, wirken sie so gewissermaßen wie die Seele der Schauspieler. Von daher ist die Idee des Kontrastes zwischen Schwarz und Weiß gar nicht mal schlecht. Interessant ist auch, dass alle Sänger mit Ausnahme der Fulvia eine weiße Perücke tragen. Fulvia hat sowohl als Schauspielerin als auch als Sängerin eine dunkelrote Perücke. Soll das eine besondere Verbundenheit zwischen den beiden Figuren darstellen? Schließlich ist Fulvia die einzige, die am Ende keine Waffe auf die anderen richtet.

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Fulvia (Leah Gordon) als Instrument ihres Vaters Massimo (Martin Platz)

Für den Musikliebhaber wird an diesem Abend fast ein bisschen zu wenig Musik geboten. Störend hinzu kommt, dass beim Wechsel von einem in den nächsten Raum ebenfalls den dabei spielenden Musikern nicht die Aufmerksamkeit geschenkt werden kann, die sie verdient haben. Dabei verfügt die Produktion über hervorragende Solisten, von denen man gerne mehr gehört hätte. Vor allem Judita Nagyová begeistert mit dunkel timbriertem Mezzo in der Titelpartie und hätte sicherlich in der kompletten Partitur etwas mehr zu singen gehabt. Heidi Elisabeth Meier und Leah Gordon überzeugen als Onoria und Fulvia mit leuchtendem Sopran und dramatischem Ausdruck. Leila Pfister setzt mit ihrem beweglichen Mezzo die Wankelmütigkeit des Kaisers gut um. Martin Platz wirkt mit seinem Tenor schon beinahe zu lieb für den Bösewicht Massimo. Es ist fraglich, warum Gluck diese Partie mit so zarten Melodien bedacht hat, da er später für seinen Orfeo ganze Melodiebögen von Massimo übernommen hat. Die Schauspieler setzen mit ausdrucksstarkem Spiel und deutlicher Diktion die Handlung der Geschichte verständlich um. Hier begeistern vor allem Felix Alex Preißler in der Titelrolle und Maria Vogt als Fulvia. Vor den Arien beziehungsweise währenddessen zitieren sie auch jeweils den italienischen Text der Arie auf Deutsch, damit den Zuschauern klar wird, welches Gefühl in der folgenden Arie besungen wird.

Baeslers Personenregie zwischen den Schauspielern und Sängern ist sehr ausgefeilt, so dass die Sänger in den Arien durchaus mit den Schauspielern in Aktion treten, teilweise auch Standbilder übernehmen. Dem glücklichen Ende scheint Baesler, wie bereits angedeutet, zu misstrauen. So lässt er die Schauspieler am Schluss die Waffen aufeinander richten, während die Sänger ein fröhliches Quintett anstimmen, sich zunächst zu ihrer jeweiligen Rolle gesellen, sich dann aber ins Orchester zurückziehen und die Schauspieler mit ihrem Misstrauen und ihrer Furcht allein zurück lassen. Am Ende gibt es großen Applaus für alle Beteiligten für eine Inszenierung, die musikalisch und darstellerisch überzeugt und eine insgesamt packende Geschichte erzählt.

FAZIT

Bei Gluck-Opern-Festspielen hätte man im Rahmen einer Opernpremiere gerne etwas mehr von Gluck gehört. Als Schauspiel mit Musik von Gluck überzeugt die Produktion auf jeden Fall, auch oder gerade wegen des ungewöhnlichen Aufführungsortes.

Weitere Rezensionen zu den Internationalen Gluck-Opern-Festspielen 2012


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Nicola Valentini

Inszenierung
Andreas Baesler

Kostüme
Ulli Kremer

Rauminstallation
Lilith-Marie Cremer,
Hermann Feuchter

Dramaturgie
Johann Casimir Eule


Statisterie des Staatstheater
Nürnberg

Accademia Bizantina

Musiker der
Neuen Nürnberger Ratsmusik
und der Hochschule für Musik
Nürnberg


Solisten

Valentiniano III., Kaiser
Leila Pfister (Gesang)
Timo Alexander Wenzel (Schauspiel)

Fulvia, Massimos Tochter
Leah Gordon (Gesang)
Maria Vogt (Schauspiel)

Ezio, Feldherr der kaiserlichen Armee
Judita Nagyová (Gesang)
Felix Alex Preißler (Schauspiel)

Onoria, Valentianos Schwester
Heidi Elisabeth Meier (Gesang)
Rebecca Kirchmann (Schauspiel)

Massimo, römischer Adeliger
Martin Platz (Gesang)
Jochen Kuhl (Schauspiel)

Varo, Präfekt der Prätorianer
Gerd Beyer


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
(Homepage)



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