Gemeinsam sind wir stark
Von Thomas Molke
/
Fotos von Jutta Missbach
Immer mehr wird es zur
lobenswerten Gewohnheit, im Rahmen von Festspielen auch ein Programm für die
Zuschauer von morgen anzubieten. In Nürnberg bietet es sich in diesem Jahr an,
die Kinderoper dieser Spielzeit, Armide oder Zickenkrieg im Zauberreich, in
das Programm der Internationalen Gluck-Opern-Festspiele aufzunehmen, da
sich dieses Stück mit Auszügen aus Glucks Werken Armide, Les Pèlerins
de la Mecque und der Ouvertüre aus seinem Ballett Don Juan thematisch
hervorragend in die Festspiele einfügt. Wiebke Hetmanek und Johann Casimir Eule
haben zu diesem Zweck eine Fassung für Kinder im Grundschulalter erarbeitet, die
in ihrer märchenhaften Umsetzung nicht nur die kleinen Zuschauer verzaubert.
Armide (Annette Constanze Kroll, links) hat
Stress mit der Fee Lully (Eva-Marie Pausch, rechts).
Dazu verbinden die Autoren die Geschichte um die Zauberin Armide, die als böse
Zauberin aus dem barocken Ritterroman Das befreite Jerusalem von Torquato
Tasso unter anderem den Kreuzritter Rinaldo verführt und damit zahlreiche
Komponisten wie Jean-Baptiste Lully, Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi
Joseph Haydn und Gioachino Rossini zu Vertonungen angeregt hat, mit der antiken
Sagenfigur der Circe. So nutzt Armide in der vorliegenden Fassung ihre
Zauberkräfte, indem sie Männer in Schweine verwandelt. Mit
ihr auf der Insel befindet sich die Fee Lully - eine Anspielung auf den
französischen Komponisten Jean-Baptiste, der das Libretto von Philippe Quinault
91 Jahre vor Gluck vertont hat -, die der Zauberkraft Armides allerdings nichts
entgegensetzen kann. Es kommt zum Zickenkrieg, in den auch noch zwei Zuschauer,
der junge Christoph und seine Freundin Marianne - dass es sich hierbei um die
Vornamen von Gluck und seiner Ehefrau handelt, dürfte wohl auch eher als
Anspielung für die älteren Besucher gedacht sein - verwickelt werden. Armide
will beweisen, dass sie Menschen nicht nur ver- sondern auch bezaubern kann, und
versucht, Christoph in sie verliebt zu machen. Als Marianne ihr einen Strich
durch die Rechnung macht, verwandelt sie kurzerhand Christoph in ein Schwein und Lully in Christoph, um das Chaos perfekt zu machen. Nur mit Solidarität und
Teamgeist gelingt es Lully, Christoph und Marianne gemeinsam mit dem Wurzelzwerg
Willibald, einem verzauberten Prinzen, Armide zu entmachten und den Zauber zu
bannen.
Armide (Annette Constanze Kroll, links) will ihre
Macht vor den anderen (von links: Willibald (Christian Huber), Christoph (Thomas
Fahner), Marianne (Eleonora Vacchi) und Lully (Eva-Marie Pausch)) beweisen. Christine Knoll hat ein kindgerechtes
und fantasievolles Bühnenbild entworfen, das den Eingang in eine Höhle markiert
und mit zahlreichen niedlichen Zeichnungen von Schweinen versehen ist. Dabei
greift sie auch in die Trickkiste, wenn ein Frauenportrait an der Wand ebenfalls
in einen Schweinekopf verwandelt wird. Die Kostüme sind ebenfalls recht
märchenhaft gehalten, wobei Armides und Lullys Ohren ebenfalls an Schweine
erinnern. Liebevoll ist auch das Kostüm des Wurzelzwergs gestaltet, der die
Wurzeln nicht nur in den Haaren sondern auch anstelle der Hände trägt. Die Fee
Lully erinnert mit ihrer Liebe zu Pink an eine Schwester von Prinzessin Lillifee.
Christoph und Marianne treten in normaler Alltagskleidung in dieses Zauberreich
ein. Recht kurzweilig führen die Darsteller durch die Geschichte, wobei darauf
geachtet wird, dass die jungen Zuschauer mehrmals in die Handlung einbezogen
werden. So können die Kinder zum einen Marianne den Weg weisen, die zu spät im
Zuschauerraum erscheint und ihren Freund Christoph sucht. Zum anderen studieren
sie sogar mit den Sängern ein Lied ein, was Willibalds Verzauberung bannen soll.
Gerade an diesen Stellen zeigen die Kinder große Konzentration und Begeisterung
für das Stück.
Marianne (Eleonora Vacchi, links), Willibald
(Christian Huber, links daneben), Christoph (Thomas Fahner, 2. von rechts) und
Lully (Eva-Marie Pausch, rechts) überlegen, wie sie Armides Macht brechen
können. In den einzelnen Arien entsteht
dann allerdings schon einmal die ein oder andere Unruhe im Saal, was
andeutet, dass die Musik für die jungen Zuschauer vielleicht doch stellenweise
ein bisschen zu anspruchsvoll ist, obwohl die Vorlage recht kindgerecht
zubereitet ist und bei den ariosen Einlagen auf große Textverständlichkeit
geachtet wird. Besonderes Schmankerl für die älteren Besucher dürfte Mariannes
Variante von Orpheus' Klagelied "Ach ich habe sie verloren" sein, wenn sie statt
"wär' o wär' ich nie geboren" lakonisch feststellt: "Ganz alleine, überall nur
Schweine". Überhaupt kann man Hetmanek und Eule bescheinigen, für die
eingebauten Lieder sprachlich sehr witzige Texte entwickelt zu haben.
Die jungen Darsteller, die größtenteils Studierende der Hochschule für Musik
Nürnberg sind, setzen die Kinderoper mit großer Spielfreude um und verstehen bei
den jungen Zuschauern zu punkten. Auch Annette Constanze Kroll gibt die böse
Zauberin Armide so fies, dass die Kinder nicht nur jubeln, wenn sie von der
Bühne vertrieben wird, sondern sich in den Applaus auch zahlreiche Buhrufe
mischen, was andeutet, dass hier noch nicht zwischen Rolle und Darstellung
unterschieden wird. Kroll nimmt diese Rufe dementsprechend mit einem zwinkernden
Lächeln als Kompliment. So gibt es nach einer kurzweiligen Stunde lang
anhaltenden Applaus und den Wunsch nach einer Zugabe, weil die Kinder scheinbar
noch keine Lust haben, das Theater jetzt schon wieder zu verlassen. Der Funke
der Begeisterung für den Zauber des Theaters ist also entfacht. Bleibt zu
hoffen, dass er mit den Jahren nicht verlischt.
FAZIT
Eine liebevolle Inszenierung mit witzigen Dialogen und Liedtexten, die nicht nur
den kleinen Zuschauern gefallen dürfte.
Weitere Rezensionen zu den
Internationalen Gluck-Opern-Festspielen 2012
Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)
|
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Christian Hutter Inszenierung
Ulrich Proschka
Bühne und Kostüme
Christine Knoll Musikalische
Assistenz
Tamás Kéry
Dramaturgie
Kai Weßler
Musiker der
Staatsphilharmonie Nürnberg
Solisten
Armide, die Zauberin
Annette Constanze Kroll
Lully, die Fee
Eva-Marie Pausch
Willibald Wurzelzwerg
Christian Huber
Christoph
Thomas Fahner
Marianne
Eleonora Vacchi /
*Constanze Wagner
Weitere
Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Nürnberg
(Homepage)
|