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Götterdämmerung

Dritter Tag des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Musik und Dichtung von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 6h 05' (zwei Pausen)

Premiere im Nationaltheater der Bayerischen Staatsoper am 30. Juni 2012

(rezensierte Aufführung im Rahmen der Münchner Opernfestspiele: 15.07.2012) 

 

 



Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Ankunft in der Gegenwart

Von Thomas Molke / Fotos von Wilfried Hösl

Lange im Voraus waren die beiden Ring-Zyklen im Rahmen der Opernfestspiele komplett ausverkauft. Während allerdings für die ersten drei Teile wenige Tage vor den Vorstellungen im Internet offiziell über die Homepage der Bayerischen Staatsoper noch einzelne Restkarten zu erhalten waren, wartete man bei der Götterdämmerung vergeblich darauf, was vielleicht auch daran lag, dass der letzte Teil seine Premiere erst bei den Festspielen am 30. Juni feierte. Aus diesem Grund hatte sich die Staatsoper mit finanzieller Unterstützung von BMW überlegt, zum einen im Rahmen von Oper für alle die Aufführung am 15. Juli auf dem Max-Joseph-Platz live auf Großleinwand zu übertragen, zum anderen einen Live-Stream im Internet anzubieten, um somit noch mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, an diesem Ereignis teilzunehmen. Sieht man von dem gemeinschaftlichen Erlebnis beim Public Viewing einmal ab, dürfte an diesem Sonntag die letztere Variante insofern Vorteile gehabt haben, da der Wettergott die Götterdämmerung doch ein wenig zu wörtlich genommen zu haben schien und Regenschauer und nasse Kälte den Genuss trübten. Dennoch trotzten zahlreiche Zuschauer dem Wetter und bekamen neben Andreas Kriegenburgs Deutung des Abschlusses der Tetralogie in den Pausen zahlreiche Interviews mit einzelnen Sängerdarstellern und Statisten geboten.

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Siegfried (Stephen Gould) nimmt Abschied von Brünnhilde (Nina Stemme).

Kriegenburgs Inszenierung, die in den ersten drei Teilen mit den 100 Statisten die Geschichte nicht zeitlich einordnet, sondern als gespieltes Theater durchaus den mythischen Charakter beibehält, wurde im letzten Teil von der Kritik gescholten, diesen eingeschlagenen Weg mit dem Euro im Bühnenbild verlassen zu haben. Dramaturg Olaf A. Schmitt versucht in der Einführung, diese Vorgehensweise zu rechtfertigen, indem er den riesigen vergoldeten Euro und den von Harald B. Thor für die Gibichungenhalle errichteten modernen Glaspalast als Ausdruck einer absolut profitorientierten und egoistischen Gesellschaft erläutert. In einer absoluten Reizüberflutung flackert neben diversen Fernsehbildern und Leuchtreklamen deshalb in einer Projektion ständig das Wort "Gewinn" auf. Die Natur in Form von Pflanzen oder Tieren ist in Glaskäfige eingesperrt und wirkt in einer sterilen Gesellschaft wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Die Statisten, die auch hier noch eine Rolle spielen, sind vom System geschluckt und gewissermaßen ihrer Fähigkeiten, eine Geschichte zu erzählen beraubt. So laufen sie nur fremdgesteuert über aus dem Schnürboden herabgefahrene Stege oder sind als Dienstmädchen der Willkür Gunthers und Hagens ausgesetzt.

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Siegfrieds (Stephen Gould) Rheinfahrt (Statisten als Rhein)

Selbst wenn man bereit ist, diesem Ansatz zu folgen, lassen sich einige Brüche dennoch nicht wegdiskutieren. Unverständlich bleibt beispielsweise die Nornenszene. Inmitten der Glashalle wird mit Holzlatten, die von den Statisten gehalten werden, ein Raum geschaffen, der an eine Art Auffanglager nach einem Atomunfall erinnert. Die Menschen werden von Männern in Schutzanzügen auf ihre radioaktive Belastung untersucht, während die Nornen um diese Menschen den roten Schicksalsfaden spannen und ab und zu einen Blick auf die Fotos werfen, die die Menschen, wahrscheinlich in Erinnerung an vergangene Zeiten, in den Händen halten. Soll damit der Untergang vorweggenommen werden? Natürlich hat man den Weltenbrand schon als Atomunfall gesehen (beispielsweise in John Dews Darmstädter Inszenierung), aber Kriegenburg greift diese Idee am Ende nicht wieder auf, so dass fraglich bleibt, was er mit dieser Szene bezweckt. Auch Gunther und Gutrune hat man selten so negativ in der Charakterzeichnung gesehen. Natürlich ist es richtig, dass sie sich bedenkenlos, vielleicht auch skrupellos, auf Hagens Intrige gegen Siegfried einlassen. Aber sind dafür Gunthers ständigen sexuellen Übergriffe auf die Dienstmädchen wirklich notwendig? Muss Gutrune wie ein selbstverliebter Vamp über die Bühne staksen und ständig mit den Statisten flirten? Dieser Ansatz macht zumindest den Sinneswandel nach Siegfrieds Tod eher unglaubwürdig.

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Brünnhilde (Nina Stemme, Mitte) beim Weltenbrand (links hinten: Gutrune (Anna Gabler) mit dem toten Gunther (Iain Paterson))

Einen überdimensionalen goldenen Euro als Schaukelpferd auf die Bühne zu stellen, auf dem Gutrune in wallendem roten Kleid "reitet", wenn Siegfried sie nach dem Trank erblickt, funktioniert als Idee nicht schlecht, um Siegfrieds Faszination für Gutrune zu motivieren, wenn man den magischen Fähigkeiten des Vergessenstrankes nicht traut. Schwierig wird dann allerdings die Auflösung, wieso Siegfried plötzlich seine Erinnerung zurückerlangen soll. Die Hochzeitstafel in Form eines riesigen Euros aufzubauen funktioniert als Regieansatz gut, um die Motivation der beiden Eheschließungen deutlich zu machen. Aber warum müssen bei der Jagdszene nach der Pause im dritten Aufzug diese Tische in durchbrochener Form noch alle auf der Bühne stehen und die Statisten und der Chor wie nach einer durchzechten Nacht auf der Bühne liegen, so dass die Rheintöchter erst einmal "aufräumen" müssen? Soll der Mord gar nicht auf der Jagd sondern in der Gibichungenhalle selbst stattfinden? Und wenn ja, warum? Auch darauf gibt Kriegenburgs Inszenierung keine Antworten. Ebenfalls unklar bleibt die Personenregie in der Szene zwischen Waltraute und Brünnhilde im ersten Aufzug. Wieso muss die Walküre sich ständig kratzen und bei ihrer Erzählung relativ unruhig über die Bühne laufen? Soll das ihre Furcht vor Wotan darstellen?

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Die Rheintöchter (von links: Wellgunde (Angela Brower), Floßhilde (Okka von der Damerau) und Woglinde (Eri Nakamura)) halten den Ring wieder in ihren Händen (unten: Gutrune (Anna Gabler) mit den Statisten).

Doch Kriegenburg entwickelt mit den Statisten erneut auch ästhetisch schöne Bilder. Zu nennen ist hier zunächst Siegfrieds Rheinfahrt, wenn die Statisten mit blauen hochgezogenen Anzugsjacken vor Siegfried in seinem Holzboot den wogenden Rhein darstellen. Der Weltenbrand ist ebenfalls beeindruckend dargestellt. Brünnhilde wirft eine Fackel hinter die Glasfassade, die sofort ein Feuer aufflammen lässt, das sich in einer Projektion über die ganze Rückwand verbreitet, bis die Wasserprojektionen diesen Brand löschen und die Rheintöchter über einen Steg den Ring wieder mit in die Tiefe nehmen. Am Ende stellt Kriegenburg eine verzweifelte Gutrune in den Mittelpunkt, um die zu den versöhnlichen Klängen der Schlussakkorde die wie im Rheingold weiß gekleideten Statisten einen großen engen Kreis der Geborgenheit und Liebe bilden. Dieses Bild mag dann doch mit manchen Ungereimtheiten in der Inszenierung versöhnlich stimmen.

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf Festspielniveau, wozu Kent Nagano mit dem Bayerischen Staatsorchester erneut entscheidend beiträgt. Auch der von Sören Eckhoff einstudierte Chor und Extrachor der Bayerischen Staatsoper überzeugt durch spielerische Präsenz und musikalische Durchschlagskraft. Jill Grove, Jamie Barton und Irmgard Vilsmaier begeistern als Nornen ebenso wie Eri Nakamura, Angela Brower und Okka von der Damerau als Rheintöchter durch klare Diktion und harmonischen Klang. Michaela Schuster gestaltet den großen Waltraute-Monolog trotz der unstimmigen Personenregie sehr eindringlich. Wolfgang Koch lässt als Alberich die recht kurze Szene "Schläfst du, Hagen mein Sohn" mit markanter Schwärze zu einem musikalischen Höhepunkt werden. Iain Paterson und Anna Gabler überzeugen als Gunther und Gutrune ebenso wie Eric Halfvarson als Hagen. Stephen Gould setzt den Siegfried recht tief an und verfügt so über enormes stimmliches Volumen, das nur in den Höhen ein wenig dünn wird. Star des Abends ist Nina Stemme als Brünnhilde. Mit großartigem Sopran meistert sie die anspruchsvolle Partie, ohne dabei zu forcieren. Einen weiteren Höhepunkt des Abends bildet sicherlich ihr Schlussgesang "Starke Scheite schichtet mir dort", so dass sie am Ende mit frenetischem Applaus gefeiert wird.

FAZIT

Alles in Allem ist Andreas Kriegenburg ein Ring gelungen, der zwar einige Schwachstellen hat, in München in den nächsten Jahren aber sicherlich ein Garant für ein ausverkauftes Haus sein dürfte.

Weitere Rezensionen zu den Münchner Opernfestspielen 2012

 


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Inszenierung
Andreas Kriegenburg

Bühne
Harald B. Thor

Kostüme
Andrea Schraad

Licht
Stefan Bolliger

Choreographie
Zenta Haerter

Chor
Sören Eckhoff

Dramaturgie
Marion Tiedtke /
Olaf A. Schmitt

 

Bayerisches Staatsorchester

Chor und Extrachor der
Bayerischen Staatsoper

Statisterie und Kinderstatisterie
der Bayerischen Staatsoper


Solisten

*rezensierte Aufführung

Siegfried
Stephen Gould

Gunther
Iain Paterson

Hagen
*Eric Halfvarson /
Hans-Peter König

Alberich
*Wolfgang Koch /
Tomasz Konieczny

Brünnhilde
Nina Stemme

Gutrune
*Anna Gabler /
Erika Wueschner

Waltraute
Michaela Schuster

Woglinde
*Eri Nakamura /
Hanna Elisabeth Müller

Wellgunde
Angela Brower

Floßhilde
Okka von der Damerau

1. Norn
Jill Grove

2. Norn
*Jamie  Barton /
Jennifer Johnston

3. Norn
Irmgard Vilsmaier

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



Da capo al Fine

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